Rz. 44

Nur eine auch objektive Beeinträchtigung des Vertragserben ist entscheidend. Als gleichsam ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt der Anspruch nach § 2287 BGB voraus, dass die berechtigten Erberwartungen des Vertragserben objektiv beeinträchtigt werden.[75] Ein Anspruch aus § 2287 BGB scheidet daher aus, wenn die Schenkung des gebundenen Erblassers nicht zu einer echten Wertverschiebung zu Lasten des bindend eingesetzten Erben führt. Auch eine bindend gewordene Verfügung von Todes wegen hindert daher den Erblasser nicht, durch nicht wertverschiebende Teilungsanordnung oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge einem Erben an bestimmten Nachlassgegenständen mehr zukommen zu lassen, als dem Wert des Erbteils entspricht.[76] Im Falle einer lebzeitigen Zuwendung ist die entsprechende Wertkompensation für den bindend eingesetzten Erben dann durch entsprechende Ausgleichsbestimmungen herbeizuführen.[77]

 

Rz. 45

Eine objektive Beeinträchtigung ist zu verneinen,

wenn der Erblasser die verschenkten Gegenstände dem Beschenkten auch trotz des bestehenden Erbvertrags bzw. gemeinschaftlichen Testaments hätte zukommen lassen können,[78] bspw. wenn für den Erblasser im Erbvertrag oder im gemeinschaftlichen Testament ein entsprechender Vorbehalt vorgesehen war,[79] oder wenn es dem Überlebenden ausdrücklich gestattet ist, unter Lebenden frei über den Nachlass zu verfügen;[80]
wenn Zugewinnausgleich und Pflichtteilsansprüche des Beschenkten zum gleichen Ergebnis geführt hätten;[81] beide Ansprüche wären ohnehin vom Vertragserben vorrangig zu erfüllen gewesen (vgl. dazu Rdn 74 ff.);[82]
bei einer zu Lasten des beschenkten vertraglichen Mit-Schlusserben vom Erblasser angeordneten Ausgleichungspflicht in der Erbteilung nach § 2050 Abs. 3 BGB (vgl. dazu Rdn 47);[83]
wenn dem beeinträchtigten Miterben das verschenkte Grundstück als Vorausvermächtnis zugewandt ist;[84]
wenn der Erblasser die bindende Verfügung wirksam hätte anfechten können (vgl. dazu Rdn 48);[85]
wenn die Schenkung wertmäßig dem Pflichtteil entspricht. Dies gilt auch bei einem Erbverzicht, wenn dieser unter Berücksichtigung des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB aufgehoben werden kann.[86]
[75] BGH FamRZ 1989, 175; Reimann/Bengel/Dietz, § 2287 BGB Rn 33; Keim, ZEV 2002, 93, 94.
[76] Reimann/Bengel/Dietz, § 2287 BGB Rn 38; Keim, ZEV 2002, 93, 94.
[77] BGHZ 82, 274; Reimann/Bengel/Dietz, § 2287 BGB Rn 38; Keim, ZEV 2002, 93, 94.
[78] BGHZ 82, 278 = NJW 1982, 43; BGH FamRZ 1989, 175.
[79] BGH NJW 1983, 2378; BGH WM 1986, 1222.
[80] Reimann/Bengel/Dietz, § 2287 BGB Rn 36.
[81] BGHZ 88, 269, 272; BGHZ 116, 175 = ZEV 1996, 25 = NJW-RR 1996, 133.
[82] Staudinger/Kanzleiter, § 2287 BGB Rn 3a.
[83] BGH FamRZ 1989, 175 m. Anm. Musielak; BGH NJW 1982, 43 = BGHZ 82, 275.
[84] OLG Köln ZEV 1997, 423 m. abl. Anm. Skibbe.
[85] BGH FamRZ 2006, 1186 = ZEV 2006, 505.
[86] OLG Düsseldorf ZEV 2013, 392.

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