Rz. 130

Das Wiedereinsetzungsgesuch ist nach § 234 ZPO an eine Frist gebunden. Danach ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Frist von zwei Wochen vorzulegen. Mit dem Justizmodernisierungsgesetz wurde § 234 Abs. 1 ZPO um einen Satz 2 ergänzt, der die Schlechterstellung der nicht vermögenden Partei, nämlich das Erfordernis, das Rechtsmittel binnen zwei Wochen zu begründen, beseitigen sollte. Danach beträgt die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nunmehr einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde, der Rechtsbeschwerde oder der Beschwerde nach §§ 621e, 629a Abs. 2 ZPO einzuhalten.[211]

 

Rz. 131

Die Frist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Ablauf des Tages, an dem das Hindernis weggefallen ist, welches zur Säumnis geführt hat. Bestand das Hindernis zunächst unverschuldet, beginnt die Frist auch in dem Zeitpunkt, in dem die – weitere – Säumnis verschuldet ist.[212] Verdachtsmomenten auf eine Säumnis muss unverzüglich nachgegangen werden.[213]

 

Rz. 132

 

Hinweis

Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche Kenntnis der Säumnis an. Vielmehr ist es ausreichend, dass die Partei oder der Rechtsanwalt als Vertreter der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt die Säumnis hätten erkennen können.[214] In diesem Fall ist das Hindernis nicht mehr unverschuldet.[215] Die Frist beginnt damit bereits, wenn dem Rechtsanwalt die Handakten zur Bearbeitung vorgelegt werden, und nicht erst, wenn dieser die Akte tatsächlich bearbeitet.[216]

 

Rz. 133

Kann ein Rechtsmittel nur unter der Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegt werden und wird diese nicht bewilligt, so beginnt die Wiedereinsetzungsfrist erst nach einer Überlegungszeit von bis zu drei Werktagen.[217] Wird zunächst gegen die abgelehnte Prozesskostenhilfe Gegenvorstellung erhoben, so beginnt die Wiedereinsetzungsfrist nach der Entscheidung über die Gegenvorstellung erneut.[218]

 

Rz. 134

 

Hinweis

Wird die beantragte Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit abgelehnt, so setzt das Wiedereinsetzungsgesuch voraus, dass die Partei darlegt, warum sie annehmen durfte, zur Rechtsmitteleinlegung finanziell nicht in der Lage zu sein.[219]

 

Rz. 135

Die Wiedereinsetzungsfrist wird § 222 ZPO folgend nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB berechnet. Der Tag, an dem das Hindernis entfällt, wird demgemäß in der Berechnung unberücksichtigt gelassen.

 

Rz. 136

 

Beispiel

Die Fristversäumung wird am 5.1. entdeckt. Damit beginnt die Frist des § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO von zwei Wochen am 6.1. und endet demgemäß mit Ablauf des 20.1.

 

Rz. 137

Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Gerichtsort staatlich anerkannten Feiertag[220] oder einen Sonnabend (Samstag), so läuft die Frist erst mit dem darauf folgenden Werktag ab.

 

Rz. 138

 

Praxishinweis

Auch gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 1 ZPO ist grundsätzlich ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig, wenn die Wiedereinsetzungsfrist ohne Verschulden versäumt wurde.[221]

 

Rz. 139

Innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist muss das Gesuch umfänglich begründet[222] werden. Ein späteres Nachschieben neuer Wiedereinsetzungsgründe oder Erläuterungen ist grundsätzlich unzulässig.[223] Zulässig ist allein die Ergänzung und Erläuterung unklarer Angaben auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis nach § 139 ZPO.[224] Diese Präklusion weiteren Vorbringens gilt dann auch für die Beschwerdeinstanz.[225]

 

Rz. 140

Längstens läuft die Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 3 ZPO ein Jahr, beginnend mit dem Ablauf der versäumten Frist.[226] Die Frist wird über § 222 ZPO nach §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB berechnet, so dass der letzte Tag der versäumten Frist nicht mitgerechnet wird. Die Frist ist nur dann nicht zur Anwendung zu bringen, wenn das Verstreichen der Jahresfrist allein der Sphäre des Gerichts zuzurechnen ist.[227] Dies kann etwa dann angenommen werden, wenn das Gericht über die beantragte Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren über die Jahresfrist hinaus nicht entscheidet, obwohl alle Voraussetzungen für eine Entscheidung gegeben sind.

 

Rz. 141

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist anders als bei der nach § 234 Abs. 1 ZPO zu beobachtenden Frist nicht möglich, wenn die absolute Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO abgelaufen ist.[228]

 

Rz. 142

Die Frist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben wird. Eine solche Behebung des Hindernisses liegt nicht nur dann vor, wenn das eigentliche Hindernis für die Partei oder ihren Vertreter entfallen ist, d.h. die Fristversäumung entdeckt wurde, sondern schon dann, wenn die Partei oder ihr Vertreter die Fristversäumung hätten erkennen können.[229]

 

Rz. 143

Stehen mehrere Hindernisse der Einhaltung der Frist entgegen, beginnt die Wiedereinsetzungsfrist erst mit der Behebung des letzten Hindernisses.[230]

 

Rz. 144

Wird die Prozesskos...

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