Rz. 18

Die Vertragspartner können den Handelsvertretervertrag von den Vorschriften des BGB und HGB abweichend gestalten, soweit die §§ 84 ff. HGB keine zwingenden Vorschriften enthalten. Grenzen setzen im Falle eines Formularvertrages[62] die Inhaltskontrollen nach §§ 307 ff.[63] BGB, wobei §§ 308 f. BGB nicht unmittelbar gelten.

Zu beachten ist ferner § 138 BGB: Unwirksam sind z.B. die Vereinbarung einer übermäßigen, durch Recht zur fristlosen Kündigung gesicherten Abnahmegarantie des Handelsvertreters[64] sowie Bedingungen, nach denen der Handelsvertreter bei gewissenhaftester Geschäftsführung in keinem Fall einen Gewinn herauswirtschaften kann.[65] Wirksam ist dagegen eine Vereinbarung, wonach der Vertrag das Existenzminimum nicht sichert, wenn zugleich weitere Vertretertätigkeiten gestattet sind.[66]

Der Unternehmer ist in der Lage, durch die Auswahl der Handelsvertreter, die Zuweisung von Absatzgebieten oder die Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Preise und Konditionen beim Abschluss des Kundengeschäfts gezielt auf die Marktverhältnisse Einfluss zu nehmen.[67] Dies ist kartellrechtlich nicht immer unproblematisch.[68] Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die sich auf Preise und Konditionen in Kundenverträgen beziehen oder einem Vertragspartner ein (nachvertragliches) Wettbewerbsverbot auferlegen (Vertikalvereinbarungen), fallen zwar dem Wortlaut nach unter das Kartellverbot des Art. 101 AEUV/§ 1 GWB, da sie jeweils wettbewerbsbeschränkend wirken.[69] Zusätzlich muss die Wettbewerbsbeschränkung jedoch spürbar sein (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 101 AEUV und des § 1 GWB),[70] was sich maßgeblich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Dabei können sowohl qualitative Kriterien (Finanzkraft der beteiligten Unternehmen, kumulative Marktabschottung durch parallele Vertragsnetze) als auch quantitative Kriterien (Marktanteile der beteiligten Unternehmen) von Bedeutung sein.[71]

Derartige Verträge können jedoch vom Kartellverbot freigestellt sein, entweder durch eine Gruppenfreistellung (Art. 101 Abs. 3 AEUV; § 2 Abs. 2 GWB) oder eine Einzelfreistellung (Art. 101 Abs. 3 AEUV; § 2 Abs. 1 GWB). Soweit nicht die Spezialregelungen zum Kraftfahrzeugsektor gem. Kfz-GVO (VO (EU) NR. 461/2010) greifen, fallen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen in Absatzmittlerverträgen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der VO (EU) Nr. 330/2010 (sog. Schirm-GVO). Danach sind Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen zwei oder mehreren Unternehmen, die auf unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufen tätig sind, vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt (Art. 2 Abs. 1 VO (EU) Nr. 330/2010). Allerdings sind von dieser Freistellung vertikaler Vereinbarungen solche Abreden ausgenommen, die

bezwecken, den gebundenen Vertragspartner darin zu beschränken, seine Verkaufspreise selbst festzusetzen (Art. 4 lit. a VO (EU) Nr. 330/2010),
bestimmte Verkaufsgebiets- und Kundenkreisbeschränkungen (Art. 4 lit. b VO (EU) Nr. 330/2010) sowie
vertragliche und nachvertragliche Wettbewerbsverbote, soweit diese bestimmte Vorgaben nicht beachten (Art. 5 VO (EU) Nr. 330/2010), enthalten.

Entscheidend kommt es allerdings auf die weitere Vorfrage an, ob die jeweilige Abrede überhaupt als wettbewerbseinschränkend einzustufen ist.[72] Danach sind Abreden zwischen Unternehmer und Handelsvertreter als wettbewerbsbeschränkend anzusehen, wenn sie über das nach dem gesetzlichen Leitbild des Handelsvertreterverhältnisses und für dessen Funktionsfähigkeit erforderliche Mindestmaß hinausgehen. Trägt der Handelsvertreter aus den vermittelten Geschäften kein wesentliches wirtschaftliches Risiko, so liegt ein "echtes" Handelsvertreterverhältnis vor mit der Folge, dass Weisungen und andere Vorgaben hinsichtlich der vermittelten Geschäfte bereits tatbestandlich keine Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Hingegen sind Abreden zwischen Unternehmer und Handelsvertreter, die das bilaterale vertragliche Verhältnis zwischen den Beteiligten ausgestalten, wie etwa Wettbewerbsverbote oder Alleinvertreterklauseln, als wettbewerbsbeschränkend einzustufen, wenn sie über das gesetzlich erforderliche Mindestmaß hinausgehen. "Unechte", d.h. dem gesetzlichen Leitbild ohnehin nicht entsprechende Handelsvertreterverhältnisse sind im Hinblick auf die zwischen Unternehmer und Handelsvertreter getroffenen Abreden grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend. Für sie kommt von vornherein nur eine Freistellung in Betracht. Zu Einzelheiten siehe Kapitel "Kartellrecht".

[62] Vgl. BGH NJW 1993, 1786; BGH BB 1996, 1188, 1189; BGH MDR 1998, 354; BGHZ 89, 206, 210 (Vertragshändler); BGH NJW-RR 2007, 977; OLG München BB 1992, 455; OLG München BB 1996, 980; zu einzelnen problematischen Klauseln vgl. Küstner/Thume, Bd. 1 Rn 321 ff. m.w.N.; Ulmer/Brandner/Hensen, Anhang § 310 BGB Rn 404 ff. m.w.N.; sehr ausführlich: Staub/Emde, vor § 84 Rn 27 ff.
[63] Baumbach/Hopt, § 86 Rn 33; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, § 90a Rn 62 ff.: zum Wettbewerbsverbot n...

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