Rz. 1085
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz[966] übernahm die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage von Verträgen und damit auch von Vergleichen in § 313 BGB. In der gesetzgeberischen Begründung[967] wird hervorgehoben, dass das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage einer detaillierten Regelung nicht – auch nicht in Form von Regelungsbeispielen – zugänglich sei, so dass lediglich die von der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien in allgemeiner Form im Gesetz niedergelegt sind und ihre weitere Konkretisierung der Rechtsprechung überlassen wird. Die gesetzliche Regelung geht also erklärtermaßen nicht über das zuvor bekannte und bereits seit langem durch die Rechtsprechung außerhalb des geschriebenen Rechts entwickelte Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage hinaus.
Rz. 1086
Der beiderseitige Irrtum der Vergleichsparteien über die Richtigkeit der Berechnungen eines gerichtlichen Sachverständigen führt weder zur Unwirksamkeit des Vergleiches nach § 779 BGB noch zur Anfechtbarkeit nach § 119 BGB.[968]
Rz. 1087
§ 779 Abs. 1 BGB gilt auch für Prozessvergleiche.[969]
a) Voraussetzungen
Rz. 1088
Nach § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung eines Vergleiches verlangt werden, wenn folgende Merkmale kumulativ vorliegen:
▪ | Umstände haben sich
verändert. Gleiches gilt, wenn sich wesentliche Vorstellungen,[971] die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, als falsch herausstellen (§ 313 Abs. 2 BGB).[972] |
||||
▪ | Diese veränderten Umstände waren nicht Inhalt oder Grundlage des Vergleiches. | ||||
▪ | Die Parteien würden, wenn sie diese Änderung denn vorausgesehen hätten, den Vergleich nicht oder nicht so (d.h. also, mit einem anderen Inhalt) geschlossen haben. | ||||
▪ | Mindestens einem der Vertragspartner kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung) das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden.[973] |
b) Rechtsfolge
Rz. 1089
Liegen die vorgenannten Voraussetzungen (Rdn 1088) vor, kann grundsätzlich nur eine Vertragsanpassung verlangt werden (§ 313 Abs. 1 BGB).
Rz. 1090
Die Anpassung des Vergleichs nach § 313 BGB stellt einen neuen Streitgegenstand dar, über den nicht – nach gerichtlichem Vergleich – im Rahmen der gerichtlichen Fortsetzung des alten Streitverhältnisses, sondern in einem neuen gesonderten Rechtsstreit zu entscheiden ist.[974]
Rz. 1091
Erst wenn die Anpassung des Vertrags (und damit des Vergleiches) nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann – also nur subsidiär – der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten (§ 313 Abs. 3 BGB). Notwendig für eine Auflösung des Vertrags ist dann eine Rücktrittserklärung der benachteiligten Partei.
c) Anwendbarkeit von § 313 BGB
Rz. 1092
Nach Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB sind die durch das Schuldrechtmodernisierungsgesetz geänderten Regeln des BGB nicht auf Verträge – und damit auch Vergleiche – anzuwenden, die vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden.
Rz. 1093
Für Altfälle gilt § 242 BGB.
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