Rz. 253

Das Folgerecht gewährt dem bildenden Künstler gegenüber dem Veräußerer eines Originals eines Werkes der bildenden Künste einen Anspruch bis maximal 4 % des Verkaufspreises ohne Steuern (Abs. 1 S. 2), sofern ein Kunsthändler oder Versteigerer an der Veräußerung beteiligt ist (§ 26 Abs. 1 UrhG).[403] Ausgenommen hiervon sind Werke der Baukunst und der angewandten Kunst (§ 26 Abs. 8 UrhG). Der Urheber kann vom Versteigerer oder Kunsthändler Auskunft über weitere Veräußerungen sowie über den Namen und die Anschrift des Veräußerers verlangen, wobei diese Ansprüche jedoch über eine Verwertungsgesellschaft, namentlich die VG Bild-Kunst e.V., geltend gemacht werden müssen (§ 26 Abs. 47 UrhG). Wenn das Gesetz (Abs. 1) von "Weiterveräußerung" spricht, so soll damit der Fall ausgenommen sein, dass der Urheber selbst an der Erstveräußerung beteiligt ist. Gleichgültig ist es allerdings, ob der Verkäufer das Werk selbst gekauft, getauscht oder geschenkt erhalten hatte, da auch die Schenkung als Veräußerung nach dem Verständnis dieser Regelung anzusehen ist.[404] Der Urheber kann auf seinen Anteil im Voraus nicht verzichten. Die Anwartschaft darauf unterliegt nicht der Zwangsvollstreckung; eine Verfügung über die Anwartschaft ist unwirksam (§ 26 Abs. 3 UrhG).

 

Rz. 254

Der Beteiligungsanspruch des Urhebers wird fällig mit Anspruch des Veräußerers auf Zahlung des Veräußerungserlöses, selbst dann, wenn der Veräußerungserlös nicht oder nur teilweise gezahlt wird. Es besteht dann gegen den Veräußerer ein Abtretungsanspruch. Der Veräußerer trägt die Beweislast für die Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers.[405]

 

Rz. 255

Am 27.9.2001 (ABl Nr. L 272, S. 32) wurde die Richtlinie zur Harmonisierung des urheberrechtlichen Folgerechts verabschiedet.[406] Diese war bereits im EG-Grünbuch über das Urheberrecht angekündigt worden und unterliegt gem. Art. 100a EUV der Mitentscheidung des Europäischen Parlaments. Im Hinblick auf die besondere Situation bildender Künstler sollte ein europaeinheitliches Folgerecht geschaffen werden, das bisher nicht in den Niederlanden, Österreich, Großbritannien und Irland galt. Im Gegensatz zu Schriftstellern und Komponisten, die auch noch später selbst oder deren Erben am nachträglichen Ruhm durch Bücherverkäufe oder Ähnliches profitieren, sind Maler und Bildhauer in dieser Hinsicht in einer viel ungünstigeren Lage. Art. 14ter der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst sieht deshalb auch vor, dass hinsichtlich der Originale von Werken der bildenden Kunst und der Originalhandschriften der Schriftsteller und Komponisten "der Urheber" (oder seine Erben) ein "unveräußerliches Recht" auf Beteiligung am Erlös aus Verkäufen eines solchen Werkstückes nach der ersten Veräußerung durch den Urheber "genießen". Allerdings gilt dieser Schutz nur, soweit ihn ein Mitgliedsland in seinem nationalen Recht anerkennt und ihn darüber hinaus auch Ausländern gewährt (Grundsatz der Reziprozität).[407]

 

Rz. 256

Spätestens seit der Entscheidung "Phil Collins" des EuGH[408] und dem dort zum Ausdruck gekommenen Diskriminierungsverbot von EU-Ausländern[409] im Inland konnten folgende kuriose Situationen dadurch entstehen, dass ein englischer Maler über das Folgerecht einen Erlös an dem Bildverkauf in Paris erhielt, dagegen ein französischer Maler nichts, wenn sein Bild in London veräußert wurde. Die EU-Richtlinie sollte dem abhelfen und damit zur Stärkung des Urheberrechts in Europa beitragen. Dabei wurde der Werkbegriff sehr weit gefasst werden: Bilder, Collagen, Zeichnungen, Stichdrucke, Lithografien, Skulpturen, Wandteppiche, Keramik und fotografische Werke sind mit umschlossen. Alle entgeltlichen Veräußerungen sind eingeschlossen mit Ausnahme der ersten Veräußerung durch den Künstler und Veräußerungen unter Privatpersonen. Das Folgerecht steht auch Künstlern aus Nichtmitgliedstaaten zu, allerdings nur, wenn ihr Heimatstaat dieses Recht EU-Angehörigen auf der Basis der Gegenseitigkeit ebenfalls gewährt.

 

Rz. 257

 

Beispiel

Veräußert ein deutscher Künstler (Mitglied der VG Bild-Kunst) ein Bild an einen Sammler, der nach vielen Jahren (inzwischen ist dieser Künstler berühmt) dieses Bild über eine Galerie in Deutschland an einen Chinesen mit Wohnsitz in Shanghai veräußert, so hat der Künstler einen Vergütungsanspruch nach § 26 Abs. 1 UrhG. Hat dagegen ein chinesischer Künstler seinen Sitz in China, das bisher das Folgerecht noch nicht kennt (allerdings soll dieses mit der nächsten Urheberrechtreform eingeführt werden), und erfolgt der Verkauf durch eine deutsche Galerie an einen deutschen Sammler, so hat der chinesische Künstler keinen Vergütungsanspruch.

 

Rz. 258

Die nunmehr verabschiedete Richtlinie 2001/84/EG über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerkes brachte (im Wesentlichen) folgende inhaltliche Neuerungen, die gem. Art. 12 bis zum 1.1.2006 umgesetzt werden mussten:

Nach Art. 3 unterliegt eine Veräußerung dem Folgerecht erst ab einem Mindestverkaufspreis von 3.000 EUR.
Art. 4 regelt d...

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