Rz. 179

§ 15 UrhG begründet ein allgemeines Verwertungsrecht, das nicht nur die einzelnen dort aufgeführten Verwertungsarten umfasst (es heißt dort in Abs. 1 S. 1 "insbesondere …"), sondern auch künftig erst entstehende Verwertungsarten (aus der Sicht der Werkvermittler und der Rezipienten Nutzungsarten).[293] Nach der herrschenden monistischen Theorie[294] sind die dem Urheber zugewiesenen Rechte als Einheit anzusehen, sodass die Urheberverwertungsrechte dieselben Rechtswirkungen auslösen wie die Urheberpersönlichkeitsrechte.

 

Rz. 180

Zumindest missverständlich ist es daher, wenn es gelegentlich heißt, dass die Verwertungsrechte im Gegensatz zu den Urheberpersönlichkeitsrechten übertragen werden könnten. Aus §§ 28 bis 30 UrhG folgt eindeutig, dass die Urheberrechtsübertragung sich alleine auf das Erbrecht bezieht, es ansonsten gerade nicht übertragbar ist (§ 29 S. 2 UrhG).

 

Rz. 181

Systematisch sind die Vorschriften über die Verwertungsrechte

gem. §§ 15 bis 22 UrhG solche, die alleine die Rechtspositionen des Urhebers beschreiben, wohingegen
die Vorschriften der §§ 31 bis 44 UrhG die Sicht der Werkvermittler und Rezipienten zugrunde legen und aus dieser Perspektive dem Urheber einzelne Rechtspositionen, wie etwa die über die Änderungen des Werkes (§ 39 UrhG), vorbehalten.
 

Rz. 182

Diese Unterscheidung wird nicht immer konsequent durchgehalten, was sich schon oft am Begrifflichen festmacht, wenn etwa zu Unrecht vom "Verwertungsrecht der Werkvermittler" die Rede ist. Nach hiesiger Ansicht ist auch die Bezeichnung "Verwertungsgesellschaft" ungenau, da die Wahrnehmung der Rechte dieser Vereinigungen nicht etwa durch Übertragung der Verwertungsrechte geschehen kann, sondern alleine und systematisch richtig den Nutzungsübertragungen zuzuordnen ist.

 

Rz. 183

Dass dies nicht allein ein Streit um Begriffe ist, soll beispielhaft dadurch verdeutlicht werden, dass zwar grundsätzlich den in §§ 15 bis 22 UrhG genannten Verwertungsrechten entsprechende Nutzungsrechte und Nutzungsarten korrespondieren,[295] dies aber eben nicht immer so sein muss.[296] Ein oftmals nicht wahrgenommenes Problem des Urhebervertragsrechts, also des Rechts über die Nutzung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte, ist die fehlende Feinabstimmung zwischen Verwertungsrecht des Urhebers und den auf Seiten der Werkvermittler oder Werknutzer zu definierenden Nutzungsrechten. § 15 UrhG darf nämlich als grundsätzliche Regelung der Urheberverwertungsrechte nicht dahin missverstanden werden, dass sich wegen der fehlenden abschließenden Aufzählung einzelner Verwertungsrechte eine Zuordnung zu den gesetzlich aufgeführten Verwertungsarten (nicht Nutzungsarten!) erübrigen würde. Tatsächlich knüpft das Urheberrechtsgesetz an die unterschiedlichen Verwertungsarten auch unterschiedliche Rechts­folgen. Darüber hinaus gilt, dass Verwertungsarten, die von den einzelnen im Gesetz aufgeführten Verwertungsarten nicht erfasst sind, nicht etwa von § 15 Abs. 1 UrhG als allgemeingültiger Definition der Verwertungsrechte aufgefangen werden, sondern vielmehr dem Urheberrecht insgesamt entzogen sind. Genehmigt beispielsweise der Urheber gem. § 17 Abs. 2 UrhG die Erstverbreitung, so ist die anschließende Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung nachfolgend dem Verbotsrecht entzogen, sodass für den § 15 Abs. 1 UrhG kein Anwendungsbereich mehr verbleibt. Aus Sicht der Werknutzer entfällt dieses als absolutes Recht ausgeprägte Verbotsrecht also nur dann, wenn auf Urheberrechtsseite das Verbreitungsrecht angesprochen ist. Dieser soeben geschilderte Erschöpfungsgrundsatz gilt aber gerade nicht bei einer anderen Verwertungsart, wie z.B. dem Vervielfältigungsrecht gem. § 16 UrhG.

 

Rz. 184

Insgesamt sind die Verwertungsarten als absolute Rechte ausgestaltet und gewähren dem Urheber Ansprüche gegenüber jedermann. Demgegenüber sind die so genannten "sonstigen" Verwertungsrechte der §§ 25 bis 27 UrhG nur mit relativer Wirkung ausgestattet, geben also lediglich einen Vergütungsanspruch gegenüber dem Nutzer.

 

Rz. 185

§ 15 UrhG unterscheidet zwischen körperlicher (Abs. 1) und unkörperlicher (Abs. 2) Verwertung. Zur Verwertung in körperlicher Form zählen alle Verwertungsarten, die unmittelbar das Original oder Vervielfältigungsstück des Werkes zum Gegenstand haben. Zur Werkverwertung in unkörperlicher Form zählen die Rechte der öffentlichen Wiedergabe. Die Wiedergabe eines Werkes ist dann öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist (§ 15 Abs. 3 UrhG). An dem Merkmal der Öffentlichkeit fehlt es beim Bekannten- oder Freundeskreis und grundsätzlich in Schulen und Hochschulen.[297] Zudem gibt es eine ganze Reihe von Entscheidungen, die unterschiedliche ­Lebenssachverhalte dem Öffentlichkeitsbegriff zugeordnet haben. Ö...

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