Rz. 103

Neben der Nacherfüllung kann dem Besteller im Falle einer Mangelhaftigkeit des Bauwerks auch ein Minderungsrecht zustehen, § 638 BGB. Die Minderung ist ein einseitiges Gestaltungsrecht und muss daher gegenüber dem Unternehmer erklärt werden. Die Erklärung der Minderung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende (und daher grds. bedingungsfeindliche) Willenserklärung. Die Minderung kann erst nach fruchtlosem Ablauf der zur Mangelbeseitigung gesetzten Frist erklärt werden. Eine Erklärung der Minderung "auf Vorrat" vor Ablauf der Nacherfüllungsfrist ist unwirksam. Eine Ausnahme stellt der Fall des § 323 Abs. 4 BGB dar, der wohl entsprechend auf die Minderung anwendbar ist. Wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen der Minderung eintreten werden, kann die Minderung sofort erklärt werden. Wie üblich bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen sollte die Erklärung zugangssicher versandt werden.

 

Rz. 104

Um den Minderungsbetrag selbst zu berechnen, ist es nötig, die Wertdifferenz zwischen dem mangelfreien und dem mangelhaften Bauwerk zu bestimmen. Der früher geläufige Ansatz – Minderwert entspricht (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten – ist im Lichte der jüngeren BGH-Rechtsprechung[109] nicht mehr möglich.

 

Rz. 105

Ansätze für die Ermittlung des Minderwerts können sein: Nutzwertanalyse[110] bzw. Beeinträchtigung des Ertrags- und Veräußerungswerts eines Grundstücks,[111] lineare Kürzung bei Unterschreiten der vereinbarten Wohnfläche;[112] bei Verwendung minderwertiger Materialien ist in jedem Fall der Vergütungsanteil herauszurechnen, welcher der Differenz zwischen geschuldeter und tatsächlicher Ausführung entspricht. Hinzutreten können weitere Abzüge für technischen und/oder merkantilen Minderwert.

 

Rz. 106

Das entscheidende Gericht kann die Minderung schätzen, § 638 Abs. 3 S. 2 BGB. Ist der Unternehmer bereits vollständig bezahlt worden, kann der Besteller Rückerstattung des zu viel gezahlten Werklohns verlangen, § 638 Abs. 4 S. 1 BGB. Andernfalls ist auch an eine Aufrechnung zu denken. Der Zeitpunkt für die Beurteilung der Wertdifferenz ist wohl bei VOB/B und BGB-Verträgen unterschiedlich. Während der BGH[113] bereits früh die Abnahme als maßgeblichen Zeitpunkt für den VOB/B-Vertrag bestimmt hat, heißt es in § 638 Abs. 3 S. 1 BGB "Vertragsschluss". Wenngleich dies umstritten ist, dürfte damit für den Bereich der BGB-Verträge ein Abstellen auf die Abnahme nicht mehr möglich sein.

 

Rz. 107

Die Erklärung der Minderung ist außerprozessual grundsätzlich bedingungsfeindlich. Die hilfsweise Geltendmachung im Prozess ist jedoch ohne Weiteres möglich.

[110] OLG Zweibrücken v. 25.4.2005 – 7 O 53/04 – BauR 2006, 690.
[112] BGH v. 8.1.2004 – 7 ZR 181/02 – NJW 2004, 2156.
[113] BGH v. 24.2.1972 – VII ZR 177/70 – BauR 1972, 242.

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