Rz. 224

Den Schriftsätzen der Parteien kommt i.R.d. Prozessführung eine entscheidende Aufgabe zu.[893] Schriftsätze bereiten entweder die mündliche Verhandlung vor (sog. vorbereitende Schriftsätze, § 129 ZPO) oder enthalten formgebundene Parteierklärungen, wie etwa Klage, Einlegung von Rechtsmitteln, Streitverkündung oder Klagerücknahme (sog. bestimmende Schriftsätze). Schriftsätze müssen vom Rechtsanwalt gem. § 130 Nr. 6 ZPO unterschrieben sein,[894] weshalb der Prozessbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein anweisen muss, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen.[895]

 

Rz. 225

Mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach steht neuerdings jedem Anwalt ein Weg zur Verfügung, um mit den Gerichten elektronisch zu kommunizieren. Die mit Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 vorgesehene Einführung[896] war mit großen Schwierigkeiten verbunden. Am 1.1.2018 ist die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERVV) in Kraft getreten.[897] Mit der im zweiten Anlauf erfolgreichen Inbetriebnahme des elektronischen Anwaltspostfachs am 3.9.2018 steht den Anwälten nun eine Möglichkeit zur Verfügung, Schriftsätze elektronisch bei Gericht einzureichen.[898] In der Praxis hat diese Möglichkeit bislang nur geringe Bedeutung. Das wird sich ändern. Die neue Möglichkeit hat jedenfalls schon zu zwei Entscheidungen des BAG[899] und des BSG[900] geführt, die sich insb. zu Formmängeln und Hinweispflichten bei zur Bearbeitung nicht geeigneten oder fehlerhaft signierten Dokumenten oder Schriftsätzen verhalten.

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Bedient sich der Anwalt der neuen Übermittlungsmöglichkeiten, muss er für die Einhaltung der erforderlichen Form (z.B. qualifizierte elektronische Signatur) und sonstigen Voraussetzungen für die wirksame Einreichung bei Gericht sorgen. Bei Verstößen liegen Pflichtverletzungen des Anwalts vor. Hierfür haftet er, insb., wenn es zu schuldhaften Fristversäumnissen, verspätetem Vortrag oder dergleichen kommt.

[893] Vgl. K. Müller, JR 1969, 161, 164 ff.; ders., MDR 1969, 797 ff., 896 ff. und 965 ff.
[894] Z.B. BGH, 18.2.2016 – IX ZB 30/15, Tz. 3.
[895] BGH, 18.2.2016 – IX ZB 30/15, Tz. 6 f. m.w.N.
[896] Vgl. Bacher, MDR 2014, 998 und 1053.
[897] V. 24.11.2017, BGBl I 3803.
[898] Vgl. näher z.B. Bacher, MDR 2019, 1.

aa) Anträge

 

Rz. 226

Ein wesentlicher Bestandteil der Schriftsätze sind die darin enthaltenen (Sach-)Anträge, auf die in der mündlichen Verhandlung regelmäßig nur Bezug genommen wird (§ 297 ZPO).[901] Der Rechtsanwalt hat für eine sachgerechte Antragstellung zu sorgen.[902] Die Anträge müssen geeignet sein, den vom Auftraggeber geäußerten Willen und dessen Interessen umzusetzen.[903] Sie müssen hinreichend deutlich und bestimmt sein.[904] Soweit geboten, sind sachgerechte Hilfsanträge zu stellen. So kann der Rechtsanwalt in einem Kündigungsschutzprozess verpflichtet sein, hilfsweise zu beantragen, das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG).[905] Überflüssige oder zu weitgehende Anträge sind wegen des Kostenrisikos im Fall des (teilweisen) Unterliegens zu vermeiden.[906] Andererseits ist ein Rechtsanwalt nicht allein wegen des Kostenrisikos gehalten, eine Teilklage zu erheben. Dies widerspräche der Pflicht, dem Mandanten den sichersten Weg zu empfehlen (vgl. Rdn 114). Eine Teilklage ist nur dann geboten, wenn der Auftraggeber den Rechtsanwalt nach entsprechender Aufklärung hierzu angewiesen hat. Die Anträge müssen i.Ü. sicherstellen, dass im Fall eines Obsiegens die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auch vollstreckt werden können.

Daneben hat der Rechtsanwalt auf sachgerechte, das Verfahren betreffende Prozessanträge zu achten, etwa auf Erlass eines Anerkenntnis- oder Versäumnisurteils (§§ 307, 330, 331 Abs. 1 ZPO) oder auf Erhebung im Einzelnen bezeichneter Beweise (§§ 371, 373, 403, 420, 421, 428, 432, 445 ZPO). So ist bspw. die Benennung von Zeugen mit "N.N." unsubstanziiert und unerheblich.[907] Auf richterliche Hinweise über eine sachdienliche Antragstellung (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO) kann einzugehen sein.

Ein Rechtsanwalt, dessen Mandant als Erbe wegen einer Nachlassverbindlichkeit in Anspruch genommen wird, ist grds. verpflichtet, den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung (§ 1990 BGB, § 780 ZPO) zu beantragen und in den Titel aufnehmen zu lassen.[908]

[901] Zur Antragstellung: K. Müller, JR 1969, 161, 166.
[902] BGH, NJW 1998, 2048, 2050 – Abänderungsklage gem. § 323 ZPO statt Leistungsklage zur Durchsetzung bereits titulierter Unterhaltsansprüche.
[903] OLG Hamm, NJW-RR 1995, 526 – Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO.
[904] BGH, VersR 1956, 762, 763.
[905] OLG Bamberg, NJW-RR 1989, 223, 224.
[906] Zur Verpflichtung des Rechtsanwal...

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