Leitsatz (amtlich)

a) Wird der Rechtsanwalt beauftragt, Klage zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zu erheben, muß er im Hinblick auf § 323 ZPO zu klären versuchen, ob in der Vergangenheit schon ein Vollstreckungstitel ergangen ist, wenn der Unterhalt nicht ersichtlich erstmals tituliert werden soll. Bestehen Anhaltspunkte dafür, daß die Angaben des Mandanten in dieser Hinsicht lückenhaft sind, hat sich der Anwalt um zusätzliche Information durch ergänzende Befragung seiner Partei oder Einsicht in die Akten ihm bekannt gewordener Vorprozesse zu bemühen.

b) Hat der Anwalt schuldhaft pflichtwidrig eine Leistungs- statt einer Abänderungsklage erhoben, hat er auch dann für den dadurch dem Mandanten entstandenen Schaden einzustehen, wenn das Gericht rechtsfehlerhaft nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Leistungs- in eine Abänderungsklage umzudeuten.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 249; ZPO § 323

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg)

LG Oldenburg

 

Tatbestand

Die beklagten Rechtsanwälte haben die Klägerin in einem Unterhaltsrechtsstreit gegen deren früheren Ehemann vertreten, die Beklagte zu 1) in erster Instanz, der Beklagte zu 2) im Berufungsverfahren. Der Prozeß wurde am 13. April 1994 durch Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm beendet. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Prozeßführung.

Die Klägerin und deren Ehemann, der damals als Assistenzarzt in einem Krankenhaus arbeitete, schlossen am 3. Dezember 1980 eine umfassende notarielle Vereinbarung über die Scheidungsfolgen. Darin verpflichtete sich der Ehemann unter anderem, an die Klägerin und die drei gemeinsamen Kinder Unterhalt nach der „Düsseldorfer Tabelle” – damals 2.100 DM monatlich, wovon 1.135 DM auf die Klägerin entfielen – zu zahlen. Außerdem wurde eine Regelung über die Anrechnung von Schuldverpflichtungen des Ehemannes sowie eigenen Einkünften der Ehefrau getroffen.

Nach Scheidung der Ehe am 5. Oktober 1981 reichten die Klägerin und ihre Kinder im Dezember 1981 eine Unterhaltsklage ein. Der Rechtsstreit endete mit Urteil des OLG Oldenburg vom 24. Juni 1983, das der Klägerin 1.000 DM monatlich ab 1. Juli 1982 sowie 915 DM ab 1. Mai 1983 zuerkannte. Das Oberlandesgericht behandelte die Klage als Erstklage und ging für die Bemessung des Unterhalts von der am 3. Dezember 1980 getroffenen Vereinbarung aus.

Als der geschiedene Ehemann sich im Jahre 1985 als selbständiger Gynäkologe niedergelassen hatte, nahmen ihn die Klägerin und die Kinder auf Zahlung eines höheren Unterhalts in Abänderung des Urteils vom 24. Juni 1983 in Anspruch. Die Parteien schlossen am 30. April 1986 vor dem AG Hagen einen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, ab 1. April 1986 auf die Dauer von zwei Jahren an die Kläger insgesamt monatlichen Unterhalt in Höhe von 2.100 DM zu zahlen. Weiter heißt es in dem Vergleich:

„3. Die Parteien sind sich darüber einig, daß durch die vorstehende Regelung der notarielle Vertrag des Notars I. vom 3.12.1980 in seiner Wirksamkeit nicht berührt wird.

4. Beide Parteien verzichten auf die Dauer der Laufzeit dieser Vereinbarung auf ihre Rechte aus § 323 ZPO.”

Mit Schreiben vom 17. November 1988, dem die Vereinbarung vom 3. Dezember 1980 und der gerichtliche Vergleich vom 30. April 1986 beigefügt waren, beauftragte die Klägerin die Beklagte zu 1) damit, die Unterhaltsansprüche neu zu ordnen. Am 21. Juni 1989 reichte die Beklagte zu 1) einen als „Prozeßkostenhilfegesuch, Auskunfts- und Abänderungsklage” bezeichneten Schriftsatz bei Gericht ein. Nach Rechtskraft der Entscheidung über das Auskunftsbegehren stellte die Erstbeklagte für die Klägerin den Antrag auf Zahlung rückständigen Ehegattenunterhalts für die Zeit von Dezember 1988 bis April 1992 in Höhe von 80.224,60 DM sowie auf laufenden Unterhalt ab Mai 1992 in Höhe von 3.260 DM monatlich abzüglich anerkannter 890,55 DM. Das Amtsgericht sprach der Klägerin rückständigen Unterhalt nur in Höhe von 3.283,67 DM und laufenden von monatlich 1.494,44 DM zu.

Die Klägerin beauftragte den Beklagten zu 2), gegen dieses Urteil Berufung einzulegen. In der mündlichen Verhandlung vom 13. April 1994 wies der Familiensenat die Klägerin darauf hin, daß er die gesamte Klage für unzulässig halte, weil sie als gewöhnliche Zahlungsklage und nicht als Abänderungsklage, bezogen auf das Urteil des OLG Oldenburg vom 24. Juni 1983, erhoben worden sei. Auf Vorschlag des Familiensenats schloß die Klägerin einen Vergleich, in dem sie auf rückständigen Unterhalt verzichtete und der frühere Ehemann sich verpflichtete, an sie ab 1. Mai 1994 monatlich 1.630 DM Unterhalt zu leisten.

Die Klägerin hat die Beklagten infolge des für sie teilweise ungünstigen Ergebnisses des Prozeßvergleichs auf Ersatz entgangenen Unterhalts sowie ihr entstandener Prozeßkosten in Höhe von insgesamt 93.954,88 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Der Senat hat die Revision nur angenommen, soweit sich die Klage gegen die Beklagte zu 1) richtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg; die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

I.

Das Berufungsgericht hat die Klage mit folgenden Erwägungen abgewiesen:

Die Beklagte zu 1) (nachfolgend: die Beklagte) habe bei Mandatserteilung nichts von der Existenz des Urteils des OLG Oldenburg vom 24. Juni 1983 erfahren. Darin sei keine Verletzung der anwaltlichen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung zu sehen. Die Klägerin habe im Auftragsschreiben vom 17. November 1988 nicht auf dieses Urteil hingewiesen. Da sie damals schon jahrelang mit ihrem früheren Ehemann um Unterhalt gestritten habe, habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, daß die Mandantin ihr alle bisher ergangenen Titel vorlege.

Obwohl die Beklagte später trotz zwischenzeitlicher Kenntnis von jenem Urteil keine Abänderungsklage erhoben habe, sei der Verlust des Unterhaltsanspruchs ihr nicht zuzurechnen. Es sei schon fraglich, ob die Beklagte trotz des Vergleichs vom 30. April 1986 habe annehmen müssen, daß eine Klage auf Abänderung des Urteils des OLG Oldenburg notwendig gewesen sei. Die Parteien des Unterhaltsrechtsstreits hätten nach dem Inhalt des Vergleichs einen Rückgriff auf dieses Urteil ersichtlich nicht gewollt. Selbst wenn man das Gegenteil annehme, hafte die Beklagte der Klägerin nicht. Das OLG Hamm habe rechtsfehlerhaft übersehen, daß die Leistungsklage in eine Abänderungsklage hätte umgedeutet werden können. Für diesen gerichtlichen Fehler habe die Beklagte nicht einzustehen.

II.

Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihre anwaltlichen Pflichten nicht verletzt, wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Es war fehlerhaft, den Unterhaltsanspruch der Klägerin im Wege einer gewöhnlichen Leistungsklage geltend zu machen; denn dem stand die Rechtskraft des Urteils des OLG Oldenburg vom 24. Juni 1983 entgegen. Die Beklagte hätte vielmehr eine auf das genannte Urteil bezogene Abänderungsklage erheben müssen.

Ist zwischen den Parteien ein Urteil ergangen, das den Schuldner zu künftig wiederkehrenden Leistungen verpflichtet hat, so kann eine Erhöhung des Anspruchs aufgrund nachträglich eingetretener Gründe nur im Wege einer Abänderungsklage durchgesetzt werden (§ 323 Abs. 1 und 2 ZPO). Entsprechendes gilt, wenn die Parteien einen Prozeßvergleich über die erhobenen Forderungen geschlossen haben (§ 323 Abs. 4 ZPO).

a) Die Klage war nicht auf Abänderung des am 30. April 1986 vor dem Amtsgericht Hagen geschlossenen Vergleichs auszurichten; denn dessen Wirkung beschränkte sich auf die Dauer von zwei Jahren, gerechnet ab dem 1. April 1986. Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann haben sich am 30. April 1986 lediglich auf eine befristete Zwischenlösung geeinigt, die nur für die Zeit bis zum 31. März 1988 gelten sollte und auch nur insoweit einen zur Vollstreckung geeigneten Schuldtitel darstellte. Der Vergleich konnte damit keine Grundlage für eine Abänderungsklage bilden.

b) Nach Ablauf der Zweijahresfrist war wiederum die Rechtskraft des am 24. Juni 1983 ergangenen Urteils zu beachten. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Parteien hätten mit dem Vergleich vom 30. April 1986 einen späteren Rückgriff auf dieses Urteil ausgeschlossen, ist rechtsfehlerhaft und damit revisionsrechtlich nicht bindend, weil sie Inhalt und Zweck des Vergleichs sowie das Parteivorbringen nicht vollständig berücksichtigt hat.

Zwar erwähnt der Vergleich das genannte Urteil nicht. Dies war jedoch in Anbetracht der auf zwei Jahre beschränkten Regelung auch nicht erforderlich. Der Vergleich war in einem Prozeß geschlossen worden, der die Abänderung des Urteils des OLG Oldenburg vom 24. Juni 1983 zum Gegenstand hatte. Aus der begrenzten Geltungsdauer der getroffenen Vereinbarung ergab sich von selbst, daß eine Erhöhung oder Ermäßigung des Unterhalts anschließend nur im Wege der Abänderungsklage gerichtlich geltend gemacht werden konnte, sofern die Parteien diese Rechtsfolge nicht vertraglich ausschlossen. Die Rechtskraftwirkungen des Urteils, die von Gesetzes wegen ohne weiteres fortdauerten (vgl. auch BGH, Urt. v. 30. Januar 1985 – IVb ZR 63/83, NJW 1985, 1345), konnten nur im Wege einer entsprechenden Vereinbarung beseitigt werden. Allein aus dem Umstand, daß sich der Vergleich nicht mit dem Urteil des OLG Oldenburg, wohl aber mit der notariellen Vereinbarung vom 3. Dezember 1980 befaßt, ist indessen ein solcher Parteiwille nicht herzuleiten.

Die im Vergleich vom 30. April 1986 getroffene Regelung wurde damals von den Parteien übereinstimmend als bloße Zwischenlösung betrachtet, die darin begründet war, daß der beklagte Ehemann kurze Zeit zuvor eine eigene Praxis eingerichtet hatte. Die Klägerin bewertete demzufolge die Vereinbarung unwidersprochen als ein Entgegenkommen ihrerseits. Ursprüngliches Ziel der damaligen Klage war eine wesentlich weitergehende Abänderung des Urteils des OLG Oldenburg zugunsten der Klägerin, als sie der Vergleich für einen vorübergehenden Zeitraum im Ergebnis vornahm. Eine vertragliche Aufhebung aller Wirkungen des Urteils hätte zur Folge gehabt, daß die Klägerin nach Ablauf von zwei Jahren nicht mehr im Besitz eines Unterhaltstitels gewesen wäre; denn die notarielle Urkunde vom 3. Dezember 1980 enthält keine Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung. Es spricht nichts dafür, daß die Klägerin durch den Vergleich ihre Rechtsstellung in solcher Weise schwächen wollte.

Der Verweis auf das Fortbestehen des notariellen Vertrages vom 3. Dezember 1980 hatte dagegen auch bei Fortbestand der Urteilswirkungen seinen guten Sinn; denn die Entscheidung des OLG Oldenburg war ebenfalls auf dieser materiell-rechtlichen Grundlage ergangen. Die notarielle Vereinbarung enthielt nicht nur eine Festlegung des damals zu leistenden Unterhalts, sondern auch eine genaue Regelung darüber, in welchem Umfang bei der Berechnung der Anspruchshöhe in Zukunft Schuldverpflichtungen des Ehemannes sowie eigene Einkünfte der Klägerin zu berücksichtigen waren. Diese Grundlage sollte ersichtlich auch für die Zeit ab Mai 1988 erhalten bleiben. Der in Ziffer 4 des Vergleichs erklärte zweijährige Verzicht auf die Rechte aus § 323 ZPO deutet schließlich zusätzlich darauf hin, daß nach der übereinstimmenden Vorstellung der Vertragsparteien anschließend eine Erhöhung oder Ermäßigung des Unterhalts nur im Wege der Abänderungsklage sollte gerichtlich geltend gemacht werden können. Zu dieser Auslegung ist der Senat selbst in der Lage, weil die dafür maßgeblichen Umstände in den Tatsacheninstanzen hinreichend geklärt sind.

2. Die Beklagte hätte bei pflichtgemäßer Wahrnehmung ihrer anwaltlichen Aufgaben die Notwendigkeit eines Antrags auf Abänderung des Urteils des OLG Oldenburg vom 24. Juni 1983 erkennen müssen.

a) Der Beklagten war vor Einreichung des Schriftsatzes vom 21. Juni 1989 das Urteil des OLG Oldenburg nicht bekannt. Schon dies beruht auf einer schuldhaften Pflichtverletzung.

aa) Als die Klägerin die Beklagte im November 1988 mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragte, hat sie ihr die notarielle Vereinbarung vom 3. Dezember 1980 sowie den Vergleich vom 30. April 1986 überlassen. Daraus war für die Beklagte ersichtlich, daß bereits seit acht Jahren eine ausdrückliche Regelung der Unterhaltsansprüche existierte und es danach mindestens zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung gekommen war. Die Klägerin hatte zudem den Vergleich vom 30. April 1986 als „letztes Urteil” bezeichnet. Danach lag es nicht fern, daß bereits gerichtliche Entscheidungen ergangen waren, die die Unterhaltsansprüche der Klägerin regelten und deshalb im Hinblick auf § 323 ZPO wesentliche rechtliche Bedeutung hatten. Aus dem Inhalt des Prozeßvergleichs vom 30. April 1986 war zudem ohne weiteres ersichtlich, daß er nur einen Zeitraum betraf, der inzwischen abgelaufen war.

bb) Es gehört zu den grundlegenden Pflichten eines Anwalts, zu Beginn eines Mandats zunächst den Sachverhalt möglichst genau zu klären, den er beurteilen soll. Dabei darf er allerdings den tatsächlichen Angaben des Mandanten vertrauen, braucht also keine eigenen Nachforschungen anzustellen, solange er deren Unrichtigkeit nicht kennt oder kennen muß. Erscheint nach den Umständen für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich und ist deren rechtliche Bedeutsamkeit für den Mandanten nicht ohne weiteres ersichtlich, darf sich der Anwalt nicht mit dem begnügen, was sein Auftraggeber berichtet, sondern hat sich durch zusätzliche Fragen um eine ergänzende Aufklärung zu bemühen (BGH, Urt. v. 15. Januar 1985 – VI ZR 65/83, NJW 1985, 1154, 1155; v. 10. Februar 1994 – IX ZR 109/93, NJW 1994, 1472, 1474; v. 21. April 1994 – IX ZR 150/93, NJW 1994, 2293). Hier war es schon deshalb erforderlich, diesen Sachverhalt möglichst genau aufzuklären, weil die Beklagte wissen mußte, ob einer gewöhnlichen Leistungsklage die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung entgegenstand.

Die Beklagte durfte nicht davon ausgehen, der nicht rechtskundigen Klägerin sei der Unterschied zwischen einer gewöhnlichen Unterhaltsklage und einer Abänderungsklage bekannt oder sie wisse wenigstens über die rechtliche Wirkung früherer gerichtlicher Titel Bescheid. Schon deshalb, weil die Klägerin den Vergleich vom 30. April 1986 als „letztes Urteil” bezeichnet hatte, ergab sich für die Beklagte ein deutlicher Hinweis, daß die Mandantin möglicherweise für die rechtliche Beurteilung wesentliche Punkte nicht erwähnt hatte.

cc) Die Beklagte hätte daher die Klägerin nach dem Vorhandensein weiterer gerichtlicher Titel fragen müssen. Der Anscheinsbeweis spricht dafür, daß diese dann die gewünschte Information erteilt, also auf das Urteil des OLG Oldenburg hingewiesen hätte (vgl. Senatsurt. v. 10. Februar 1994, aaO S. 1475). Die Beklagte hätte dann diesen Titel beachten und schon im Schriftsatz vom 21. Juni 1989 einen auf Abänderung des Urteils des OLG Oldenburg gerichteten Antrag formulieren müssen. Verblieben auch nach Einsicht in das Urteil des OLG Oldenburg noch Unklarheiten über dessen prozessuale Bedeutung, hätten diese durch ergänzende Befragung der Klägerin und/oder Einsichtnahme in die Akten 58 F … AG Hagen beseitigt werden können. Dieser Arbeitsaufwand war zwingend geboten, weil davon die Zulässigkeit der Klage abhing und bei einer Abänderungsklage zusätzlich die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO, die besagt, daß das Urteil nur für die Zeit nach Klageerhebung abgeändert werden darf, beachtet werden mußte.

b) Unstreitig kannte die Beklagte das Urteil des OLG Oldenburg, bevor sie nach Auskunftserteilung durch den Ehemann die Zahlungsansprüche im Jahre 1992 bezifferte. In Anbetracht dessen hätte sie aus den dargelegten Gründen erst recht herausfinden müssen, daß es im Hinblick auf § 323 ZPO notwendig war, den Antrag auf Abänderung des genannten Urteils zu richten. Da die Beklagte verpflichtet war, den für ihre Auftraggeber sichersten Weg zur Durchsetzung der geltend gemachten Ansprüche zu wählen, durfte sie sich nicht darauf verlassen, eine gewöhnliche Zahlungsklage könne gegebenenfalls in eine Abänderungsklage umgedeutet werden (vgl. unten III 2 a). Sie hatte daher selbst für die sachgerechte Antragstellung zu sorgen (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1996 – IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648, 2649 zur Wahl des richtigen Fachausdrucks). Selbst, wenn man annehmen wollte, infolge des Vergleichs sei es vertretbar gewesen, die Zahlungsklage als richtigen prozessualen Weg anzusehen, hätte die Beklagte in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, daß das Gericht diese Ansicht möglicherweise nicht teilte (vgl. Senatsurt. v. 28. Juni 1990 – IX ZR 209/89, WM 1990, 1917,1918 f), und dies durch die Verbindung von Zahlungs- und Abänderungsklage im Wege des Haupt- und Hilfsantrags berücksichtigen müssen.

III.

Die haftungsrechtliche Zurechnung zwischen diesen Pflichtverletzungen und dem von der Klägerin geltend gemachten Nachteil hat das Berufungsgericht zu Unrecht verneint.

1. Wäre die Klage als Abänderungsklage nach § 323 ZPO formuliert worden, hätte das OLG Hamm sie als zulässig behandelt und wäre in die Prüfung der Begründetheit eingetreten. Für die Klägerin hätte keine Veranlassung bestanden, auf rückständigen Unterhalt zu verzichten, dies schon deshalb nicht, weil ihr das Amtsgericht solchen schon teilweise zuerkannt und der frühere Ehemann dies bis zum Termin vom 13. April 1994 nicht angegriffen hatte. Erst auf den Hinweis des Familiensenats hin, die Klage sei unzulässig, kündigte er eine unselbständige Anschlußberufung an.

2. Die Rechtsauffassung des OLG Hamm, die erhobene Klage müsse als unzulässig abgewiesen werden, war allerdings rechtlich nicht haltbar; an der Haftung der Beklagten für die ihr zur Last fallende Pflichtverletzung ändert dies jedoch nichts.

a) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hätte die Klage, obwohl sie nicht in der nach § 323 ZPO gebotenen Weise erhoben worden war, nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es grundsätzlich möglich, eine Leistungsklage auf Zahlung von Unterhalt in eine Abänderungsklage umzudeuten, wenn der verfahrensrechtlich fehlerhafte Antrag auf einem Irrtum beruht und der Kläger Tatsachen behauptet hat, die eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse ergeben, welche für das vorausgegangene Urteil maßgebend waren (BGH, Urt. v. 6. November 1991 – XII ZR 240/90, NJW 1992, 438, 439; v. 29. April 1992 – XII ZR 40/91, NJW-RR 1993, 5). Entsprechende Voraussetzungen hatte die Klägerin damals vorgetragen. Sie hatte die neue Klage erhoben, weil sich nach ihrer Meinung das anrechenbare Einkommen des geschiedenen Ehemannes infolge seiner Niederlassung als Gynäkologe wesentlich erhöht hatte. Ein Abänderungsantrag war nicht gestellt worden, weil die Beklagte das Urteil des OLG Oldenburg übersehen hatte, also von falschen Tatsachen ausgegangen war, oder es rechtsirrig für unerheblich gehalten hatte. Der Familiensenat hätte daher die Klage nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als zulässig ansehen müssen.

b) Für diesen gerichtlichen Fehler ist die Beklagte indessen mitverantwortlich. Hat der Anwalt eine ihm übertragene Aufgabe nicht sachgerecht erledigt und auf diese Weise zusätzliche tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hervorgerufen, sind die dadurch ausgelösten Wirkungen ihm grundsätzlich zuzurechnen. Folglich haftet er für die Folgen eines gerichtlichen Fehlers, sofern dieser auf Problemen beruht, die der Anwalt durch eine Pflichtverletzung erst geschaffen hat oder bei vertragsgemäßem Arbeiten hätte vermeiden müssen (BGH, Urt. v. 21. September 1995 – IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 51; v. 4. Juni 1996 – IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648, 2650 f). Ohne den fehlerhaften Antrag hätte der Familiensenat die Zulässigkeit der Klage zutreffend beurteilt. Die Pflichtverletzung der Beklagten hat erst das Problem entstehen lassen, welches das Gericht nicht sachgerecht bewältigt hat. Daher ist der Nachteil, den die Klägerin erlitten hat, auch vom Schutzzweck der verletzten Anwaltspflicht gedeckt.

c) Die Entschließung, den vom Familiensenat vorgeschlagenen Vergleich anzunehmen, war ebenfalls wesentlich auf die von der Beklagten mitzuverantwortende ungünstige Situation im Termin vom 13. April 1994 zurückzuführen. Aufgrund der vom Familiensenat verlautbarten Rechtsauffassung mußte die Klägerin befürchten, sie werde mit ihrer Klage in vollem Umfang unterliegen und ein entsprechendes Urteil nicht mit der Revision angreifen können. Im Hinblick darauf ist die vergleichsweise Einigung als vertretbare Reaktion zu werten, die den Zurechnungszusammenhang ebenfalls nicht unterbrochen hat (vgl. Senatsurt. v. 3. Dezember 1992 – IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1141; v. 17. Juni 1993 – IX ZR 206/92, NJW 1993, 2797, 2799)

IV.

Der Klägerin wäre ohne die von der Beklagten zu vertretenden Fehler der geltend gemachte rückständige Unterhalt zumindest zum Teil zuerkannt worden. Der geschiedene Ehemann der Beklagten hätte, wenn nur um die Höhe des Unterhalts in der Berufungsinstanz gestritten worden wäre, das der Klage teilweise stattgebende erstinstanzliche Urteil nicht angegriffen. Die Höhe des auf Vorschlag des Familiensenats für die Zukunft vereinbarten monatlichen Unterhalts deutet ebenfalls in ausreichender Weise darauf hin, daß der Klägerin infolge der Vertragsverletzungen ein Schaden entstanden ist. Damit sind alle Voraussetzungen für ein Grundurteil gegeben. Dieses kann auch vom Revisionsgericht erlassen werden (Senatsurt. v. 15. Dezember 1994 – IX ZR 18/94, ZIP 1995, 297, 300).

V.

Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses hat lediglich noch aufzuklären, ob die Beklagte bei sachgerechtem Vorgehen die Klage schon früher als am 21. Juni 1989 – nach Behauptung der Klägerin noch im November 1988 – hätte erheben müssen, sowie die Höhe des Unterhalts festzustellen, welcher der Klägerin von dem maßgeblichen Zeitpunkt an bis Ende April 1994 gegen den früheren Ehemann abzüglich der monatlich freiwillig gezahlten Beträge zugestanden hätte. Daraus folgt dann möglicherweise eine hypothetische Kostenentscheidung des durch Vergleich beendeten Unterhaltsrechtsstreits, die für die Klägerin günstiger gewesen wäre als die mit dem Ehemann vereinbarte Regelung.

 

Fundstellen

NJW 1998, 2048

FamRZ 1998, 896

NJW-RR 1998, 1217

JurBüro 1999, 221

WM 1998, 1542

ZAP 1998, 537

AnwBl 1998, 411

MDR 1998, 930

NJ 1999, 34

VersR 1998, 1278

MittRKKöln 1998, 163

BRAK-Mitt. 1998, 169

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