Rz. 156

Die Beweissicherungspflicht kann auch Angelegenheiten aus der Sphäre des Rechtsanwalts selbst betreffen. Wenn der beauftragte Rechtsanwalt etwa Zustellungen eines Gerichts, einer Behörde oder der Gegenseite entgegennimmt, die an ihn in seiner Eigenschaft als Parteivertreter erfolgen und eine Frist auslösen, kann er verpflichtet sein, Maßnahmen zu treffen, die es ihm erlauben, zu dem Tag des Zugangs substanziiert vorzutragen. Dies hat der BGH in einem Fall angenommen, in dem ein Rechtsanwalt und Steuerberater für seinen Mandanten einen Steuerbescheid entgegengenommen hatte. Der Bescheid war später als drei Tage nach dem angeblichen Tag der Aufgabe zur Post (der Ausstellung) zugegangen. Bezeichne die Steuerbehörde unter Hinweis auf den angeblichen Tag der Aufgabe des Steuerbescheides zur Post den von dem steuerlichen Berater eingelegten Einspruch unter Berufung auf §§ 355, 122 Abs. 2 AO 1977 als verspätet, müsse der Berater, falls der Bescheid von der Behörde später als angegeben zur Post aufgegeben worden sei, Vorkehrungen treffen, die es ihm ermöglichen, das Aufgabedatum substanziiert zu bestreiten und zu beweisen. Eine selbstständige, allgemeine Dokumentationspflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch des Mandanten auslöst, lehnt der BGH jedoch ab.[674] Ein Rechtsanwalt handele nicht allein deshalb pflichtwidrig, weil er es unterlasse, diejenigen Vorgänge, welche die ordnungsgemäße Bearbeitung des übertragenen Mandats belegen, schriftlich festzuhalten. Schadensersatzpflichtig mache nur eine nicht ordnungsgemäße Bearbeitung des übertragenen Auftrags. Es gehöre indessen zur ordnungsgemäßen Bearbeitung eines Mandats, sich schriftliche Aufzeichnungen zu machen, um zu den getroffenen Feststellungen oder Maßnahmen später substanziiert vortragen zu können oder um das Gedächtnis zu unterstützen. Dies müsse durch einen Eingangsstempel oder Vermerk geschehen, in dem der Tag des Eingangs festgehalten werde. Es sei des Weiteren empfehlenswert, den Poststempel auf dem Briefumschlag so lange aufzuheben, als er noch als Beweismittel dienen könne.[675] Auch müsse über ein Gespräch mit der zur Entscheidung berufenen Stelle, das für den Fortgang der Angelegenheit für den Mandanten bedeutsam sei, ein Vermerk gefertigt und zu den Handakten genommen werden. Ob auch ein "Bestätigungsschreiben" an den Gesprächspartner geboten ist, hat der BGH offengelassen.[676]

 

Rz. 157

Entsprechendes gilt, wenn der Rechtsanwalt für den Auftraggeber fristgebundene Erklärungen ggü. Behörden, Gerichten, dem Prozessgegner oder einem Dritten abzugeben hat. Dann muss er nicht nur auf den form- und fristgerechten Zugang achten (zu den Pflichten bei einseitigen Rechtsgeschäften oder rechtsgeschäftlichen Erklärungen siehe Rdn 345 f.), sondern auch darauf, dass der Mandant in die Lage versetzt wird, dies im Streitfall beweisen zu können. Dies hat insb. dadurch zu erfolgen, dass der Rechtsanwalt den Zugang der Erklärung durch eine Urkunde (vgl. Rdn 118), durch eine Zeugenaussage oder eine schriftliche Erklärung des Adressaten bestätigen kann.[677]

[674] BGH, NJW 1988, 200, 203; BGH, NJW 1992, 1695, 1696; BGH, 11.10.2007 – IX ZR 105/06, WM 2007, 2351, Tz. 14 m.w.N.; Jungk, AnwBl. 2013, 142.
[675] BGH, NJW 1992, 1695, 1696.
[676] BGH, NJW 1992, 1695, 1697.
[677] BGH, NJW 1995, 521, 522.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge