Rz. 31

Spätere Gebührenverluste können ihren Ursprung bereits bei "falscher" Mandatsannahme haben. Vorsicht ist insbesondere bei Beratung von Eheleuten geboten, wie sich der nachstehenden Entscheidung des BGH entnehmen lässt.

Zitat

"Suchen Eheleute gemeinsam einen Rechtsanwalt auf, um sich in ihrer Scheidungsangelegenheit beraten zu lassen, hat der Anwalt vor Beginn der Beratung auf die gebühren- und vertretungsrechtlichen Folgen einer solchen Beratung hinzuweisen."[8]

 

Rz. 32

Der Fall:

Eine Anwältin klagte auf Zahlung ihres Honorars in Höhe von 1.811,36 EUR für eine Vertretung in einer familienrechtlichen Angelegenheit. Der Mandant suchte gemeinsam mit seiner Ehefrau die klagende Rechtsanwältin zu einer anwaltlichen Beratung in einer Scheidungsangelegenheit am 10.3.2011 auf. Zu Beginn des Gesprächs stellte sich heraus, dass die Eheleute unterschiedliche Vorstellungen über die Modalitäten der Trennung und der Scheidung hatten. Wie vom Beklagten und seiner Ehefrau gewünscht, übermittelte die Rechtsanwältin die Niederschrift über das Beratungsgespräch an beide Ehepartner. Die Ehefrau beauftragte daraufhin eigene andere Anwälte. Die klagende Anwältin war zunächst weiter für den Beklagten tätig, am 26.4.2011 kündigte der Mandant jedoch das Mandat. Für die bisherigen Leistungen wurde eine Vergütung in Höhe von 1.811,36 EUR gegenüber dem früheren Mandanten abgerechnet. Dieser bezahlte diese Kostenrechnung nicht und beauftragte seinerseits nun andere Anwälte mit der Vertretung seiner familienrechtlichen Interessen. Die klagende Anwältin verlor zunächst sowohl beim Amts- als auch beim Landgericht und versuchte mit der Revision ihr Honorar weiter geltend zu machen. In der Sache hatte sie jedoch keinen Erfolg.

 

Rz. 33

Die Entscheidungsgründe:

Der BGH schloss sich der Auffassung des Landgerichts an, dass der Klägerin ein vertraglicher Vergütungsanspruch nicht zustehe, da sie entgegen § 43a Abs. 4 BRAO beide Eheleute beraten habe, was gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages führte. Denn die Klägerin hatte bereits in den Jahren 2008/2009 den Beklagten familienrechtlich beraten (wegen derselben Ehefrau) und hätte deshalb auch nicht für beide Eheleute tätig werden dürfen. Ansprüche gem. § 670, 677, 683 BGB standen der Klägerin nicht zu, weil sie ihre Aufwendungen im Zusammenhang mit einer gesetzeswidrigen Tätigkeit für nicht erforderlich hätte ansehen dürfen. Auch bereicherungsrechtliche Ansprüche seien nicht begründet, da der Beklagte entreichert sei; nach Aufdeckung der Interessenkollision habe er berechtigt einen anderen Anwalt mit seiner umfassenden familienrechtlichen Vertretung beauftragt.

 

Rz. 34

Der BGH führt zur Frage, ob scheidungswillige Eheleute sich von einem Anwalt beraten lassen können, wie folgt aus:

Zitat

"In Scheidungsverfahren soll es häufig vorkommen, dass sich die scheidungswilligen Eheleute in der Annahme völligen Interessengleichklangs und der Absicht, die Kosten für einen zweiten Anwalt zu sparen, gemeinsam durch einen Anwalt beraten lassen wollen (vgl. § 1566 Abs. 1 BGB, § 114 Abs. 1 und 4 Nr. 3, § 128 Abs. 1, § 133 Abs. 1 Nr. 2 FamFG; Göppinger/Börger, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, 10. Aufl., 1. Teil Rn 143; Hartung, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 3 BORA Rn 57; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 43a Rn 178). Auch wenn das durch die Ehe begründete einheitliche Lebensverhältnis eine identische Rechtssache darstellt (Böhnlein in Feuerich/Weyland/Vossebürger/Böhnlein/Brüggemann, BRAO, 8. Aufl., § 43a Rn 63; Hartung, a.a.O. Rn 56; Henssler, a.a.O. Rn 177, 200; Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 43a Rn 93) und die Eheleute im Falle der Trennung und Scheidung über das möglicherweise gleichlaufende Interesse hinaus, möglichst schnell und kostengünstig geschieden zu werden, typischerweise gegenläufige Interessen in Bezug auf die Scheidungsfolgen haben, wird in Rechtsprechung und Literatur die Meinung vertreten, dass eine gemeinsame Beratung mit dem Ziel einer einvernehmlichen Scheidung im Grundsatz möglich ist, wobei Voraussetzungen und Folgen einer solchen gemeinsamen Beratung unterschiedlich gesehen werden (zu den Voraussetzungen einerseits BayObLG, NJW 1981, 832, 833; KG, NJW 2008, 1458 f., andererseits AG Gifhorn, für 2004, 161 f.; Göppinger/Börger, a.a.O. Rn 146; Henssler a.a.O. Rn 178; Groß, FPR 2000, 136, 138; zu den Folgen einerseits Groß, FPR 2000, 136, 139; andererseits Göppinger/Börger, a.a.O.; Henssler a.a.O.; noch weiter gehend OLG Karlsruhe, NJW 2002, 3561, 3563; Kleine-Cosack, a.a.O. Rn 122; der Zulässigkeit einer gemeinsamen Beratung stehen ablehnend gegenüber: AG Neunkirchen, FamRZ 1996, 298 f.; LG Hildesheim, FF 2006, 272; Hartung, a.a.O. Rn 57 ff.; Zuck in Gaier/Wolf/Görken, Anwaltliches Berufsrecht, § 43 BRAO/§ 3 BORA Rn 11). Jedenfalls dann, wenn die gemeinsame Beratung der Eheleute nicht zu der beabsichtigten Scheidungsfolgenvereinbarung führt und es trotz anfänglicher Übereinstimmungen während der anwaltlichen Beratung zu einem Interessenwiders...

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