Rz. 18

Schon bei der Mandatsannahme warten auf Anwälte die ersten Fallstricke im Hinblick auf eine etwaige Interessenkollision. Gerade im Familienrecht ist der Wunsch, aus Kostengründen einen gemeinsamen Anwalt zu beauftragen für Mandanten vielfach verlockend. Doch kennt man die wichtigen BGH-Entscheidungen und die maßgeblichen Vorschriften, kann man mit Transparenz und Klarheit selbst sehr dazu beitragen, nicht in unsicheres Gewässer zu gelangen.

 

Rz. 19

Die maßgeblichen Vorschriften zum Thema Interessenkollision sind: § 43a Abs. 46 BRAO, § 45 BRAO (nicht anwaltliche Vorbefassung) sowie § 3 BORA und § 356 StGB (Parteiverrat).

§ 43a Abs. 46 BRAO, § 3 BORA u. § 356 StGB sind nachstehend abgedruckt:

 

Rz. 20

In § 43a BRAO wurde zum 1.8.2022 Abs. 4 durch Abs. 4–6 BRAO ersetzt, die Abs. 5 u. 6 wurden Abs. 7 u. 8 und regelt nun auch die Frage der Sozietätserstreckung:[2]

Zitat

"(4) Der RA darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für RAe, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene RA die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des RA nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des RA sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem RA auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden."

(5) …. Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst ….

(6) …. berufliches Tätigwerden des RA außerhalb des Anwaltsberufs …“

 

Rz. 21

Zur Sozietät selbst siehe § 59e BRAO. Zur nicht-anwaltlichen Vorbefassung (z.B. als Notar, Richter, Referendar, wissenschaftlicher Mitarbeiter etc.) siehe § 45 BRAO, der sowohl zum 1.8.2022 als auch ein weiteres Mal zum 10.3.2023[3] geändert worden ist.

 

Rz. 22

§ 3 BORA (in der seit dem 1.6.2023 geltenden Fassung):[4]

Zitat

"§ 3 Interessenwiderstreit"

(1) Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte dürfen keine widerstreitenden Interessen vertreten. Sie dürfen in einem laufenden Mandat auch keine Vermögenswerte von der Mandantin oder dem Mandanten und/oder der Anspruchsgegnerin oder dem Anspruchsgegner zum Zweck der treuhänderischen Verwaltung oder Verwahrung für beide Parteien entgegennehmen.

(2) Wer erkennt, dass er entgegen § 43a Abs. 4 bis 6 BRAO tätig geworden ist, hat unverzüglich die Mandantschaft zu informieren und alle Mandate in derselben Rechtssache zu beenden.

(3) Eine gemeinschaftliche Berufsausübung im Sinne von § 43a Abs. 4 Satz 2 BRAO liegt bei Bürogemeinschaften (§ 59q BRAO) nicht vor. Eine Sozietätserstreckung gilt auch für individuell erteilte Mandate.

(4) Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte dürfen in einem Mandat nach § 43a Abs. 4 Satz 4 BRAO (Befreiung von der Sozietätserstreckung mit Zustimmung der Mandantinnen und Mandanten) nur tätig werden, wenn durch getrennte Bearbeitung die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht sichergestellt ist. Dafür ist, über die allgemeinen Anforderungen des § 2 hinaus, insbesondere erforderlich

a) die inhaltliche Bearbeitung der widerstreitenden Mandate ausschließlich durch verschiedene Personen,

b) der Ausschluss des wechselseitigen Zugriffs auf Papierakten sowie auf elektronische Daten einschließlich des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, und

c) das Verbot an die mandatsbearbeitenden Personen, wechselseitig über das Mandat zu kommunizieren.

Die Einhaltung dieser Vorkehrungen ist zum jeweiligen Mandat zu dokumentieren.“

 

Rz. 23

Gerade im Hinblick auf die "Sozietätserstreckung" sowie Regelung zur Bürogemeinschaft (nicht zu verwechseln mit Berufsausübungsgesellschaft) hat der Gesetzgeber einige bisher strittige Punkte geklärt.

 

Rz. 24

§ 356 StGB

Zitat

"(1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."

(2) Handelt derselbe im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so tritt Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren ein.“

 

Rz. 25

Da die BRAO[5] zum 1.8.2022 und auch die BORA durch die Satzungsversammlungen am 1.6. u. 1.8.2022 sowie durch die Versammlung am 5.12.2022 zum 1.6.2023 einige gravierende Anpassungen erhalten haben und weitere Änderungen für 2023 möglicherweise noch "ins Haus" stehen, empfiehlt es sich, die entsprechenden Vorschriften der BRAO bei Bedarf auf aktuellstem Stand zu prüfen, so z.B. übe...

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