Rz. 173

Der Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste gem. § 125 Abs. 1 InsO kann mit dem Anhörungsverfahren gem. § 102 Abs. 1 BetrVG verbunden werden.[156] Dann muss sich aus dem Interessenausgleich ergeben, dass der Betriebsrat zur Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers angehört worden ist und eine abschließende Stellungnahme dazu abgegeben hat.[157]

 

Rz. 174

Inwieweit die Regelung des § 125 Abs. 1 InsO sich auch auf Umfang und Inhalt der vom Insolvenzverwalter nach § 102 BetrVG gegenüber dem Betriebsrat zu erteilenden Informationen auswirkt, ist noch nicht abschließend geklärt.[158] Einerseits wird verlangt, dass der Insolvenzverwalter dem Betriebsrat im Einzelnen auch darstellt, nach welchen Gesichtspunkten die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer innerhalb der Altersgruppen erfolgt ist, andererseits soll aber der mitzuteilende Kündigungssachverhalt "subjektiv determiniert“ sein, so dass zur ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung allein diejenigen Tatsachen mitzuteilen sein sollen, welche aus der Sicht des Insolvenzverwalters den Kündigungsentschluss tragen."

 

Rz. 175

Die Anforderungen an den Inhalt der Anhörung werden dabei nicht herabgesetzt.[159] Auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste i.S.d. § 125 Abs. 1 InsO unterliegt die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG nach Ansicht des BAG grundsätzlich keinen erleichterten Anforderungen.[160] Wie im Fall des § 1 Abs. 5 KSchG ergibt sich auch bei § 125 Abs. 1 InsO weder aus Wortlaut noch aus Sinn und Zweck des Gesetzes ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber beim Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Anwendung des § 102 BetrVG auch nur einschränken wollte. Das Gegenteil zeigt vielmehr § 125 Abs. 2 InsO, der lediglich für die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG anordnet, sie werde durch den Interessenausgleich ersetzt.

 

Rz. 176

Kommt nämlich ein Interessenausgleich nach § 125 Abs. 1 InsO zustande (siehe Rdn 112 ff.; § 1 Rdn 488 ff.), so ersetzt dieser zugleich die Stellungnahme des Betriebsrats im Rahmen der Massenentlassungsanzeige (siehe § 1 Rdn 1042 ff.) nach § 125 Abs. 2 InsO.

 

Rz. 177

Treffen Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat nach mehreren Vorschriften zusammen, ist es nicht zwingend erforderlich, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat jeweils getrennte Verfahren einleitet. Es ist zulässig und aus Zweckmäßigkeitsgründen angebracht, die einzelnen Verfahren zu verbinden, auch wenn sie unterschiedlichen inhaltlichen Anforderungen unterliegen.[161]

 

Rz. 178

Besteht die Betriebsänderung bzw. die damit verbundene Entlassungsmaßnahme in einem Arbeitsplatzabbau und in einer damit verbundenen Umorganisation des (verbleibenden) Betriebes, so ist nach der Rechtsprechung das LAG Hamm die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß, wenn nach dem Interessenausgleich mit Namensliste in den einzelnen Abteilungen unproportional bzw. überproportional gekündigt werden soll, ohne dass in der Betriebsratsanhörung erläutert wird, wie nach der Kündigungsmaßnahme die verbleibende Arbeit in den einzelnen Abteilungen von den dort verbliebenen Arbeitnehmern erledigt werden soll, insbesondere in den Abteilungen, in denen überproportional viele Kündigungen erfolgen sollen.[162]

 

Rz. 179

 

Praxistipp

Der Arbeitgeber sollte bei der Verbindung der verschiedenen Anhörungsverfahren dies von Anfang an gegenüber dem Betriebsrat deutlich klarstellen.[163]

 

Rz. 180

Die sich aus § 125 InsO ergebenden geringeren Anforderungen des materiellen Rechts an die soziale Rechtfertigung der Kündigung sollen sich deshalb nur mittelbar auch auf den Umfang der Anhörungspflicht des Insolvenzverwalters im Rahmen des § 102 Abs. 1 BetrVG auswirken. Regelmäßig gehen dem Abschluss eines Interessenausgleichs, der mit einer Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer verbunden ist, längere Verhandlungen voran, aufgrund derer beim Betriebsrat erhebliche Vorkenntnisse über die vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Kündigungsgründe und auch die vielleicht mit dem Betriebsrat zusammen vorgenommene Sozialauswahl vorhanden sein können.

 

Rz. 181

Die dem Betriebsrat aus diesen Verhandlungen bekannten Tatsachen muss der Insolvenzverwalter im Anhörungsverfahren jedoch nicht erneut vortragen. Dass der Betriebsrat derartige Vorkenntnisse hatte, muss der Insolvenzverwalter allerdings im Prozess hinreichend konkret darlegen und ggf. beweisen. Die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG soll also durch einen Interessenausgleich mit Namensliste nicht automatisch überflüssig werden bzw. nicht mit einer in der Summe geringeren Informationserteilung an den Betriebsrat verbunden sein.[164]

 

Rz. 182

 

Praxistipp

Im Interessenausgleich sollte deutlich gemacht werden, dass mit der Unterzeichnung des Interessenausgleichs auch das Anhörungsverfahren hinsichtlich aller auszusprechenden Kündigungen abgeschlossen sein soll.

 

Rz. 183

 

Formulierungsbeispiel

"Bei der Verhandlung über den Interessenausgleich und der Erstellung der Na...

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