Rz. 405

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Privatnutzung des Internetanschlusses und der E-Mail-Adresse. Der Arbeitgeber entscheidet allein darüber, ob und in welchem Umfang er die Privatnutzung gestattet.[1094] Ein umfassendes Verbot der privaten Nutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs ist nicht mitbestimmungspflichtig.[1095] Grund dafür ist, dass ein Verbot ausschließlich dem Arbeitsverhalten des einzelnen Arbeitnehmers zuzuordnen ist und keine Belange der Betriebsordnung betrifft.[1096] Zudem ergibt sich dieses Recht aus der Sachherrschaft des Arbeitgebers.

 

Rz. 406

Die private Nutzung des Internets ist bei einer fehlenden ausdrücklichen Gestattung oder Duldung des Arbeitgebers grundsätzlich nicht erlaubt.[1097] Ohne ausdrückliche Regelung zur Frage der Art der gestatteten Nutzung besteht jedoch die Gefahr der Entstehung einer betrieblichen Übung. Betriebliche Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass allein durch die länger andauernde Duldung der privaten Internet- und E-Mail-Nutzung eine entsprechende betriebliche Übung mit der Folge des individualrechtlichen Anspruches der Arbeitnehmer auf Privatnutzung entstehen kann.[1098] Ebenso ist umstritten, welcher Art die Duldung sein muss und welcher Zeitraum maßgeblich ist. Das ArbG Wesel übertrug 2001 die Grundsätze der privaten Telefonnutzung auf die private Internetnutzung. Das Gericht nahm eine betriebliche Übung an, wenn die private Internetnutzung des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vom Arbeitgeber geduldet wurde.[1099] Die herrschende Ansicht im Schrifttum lehnt dies mit dem Argument ab, dass eine Duldung der Privatnutzung eine reine Vorteilsgewährung sei, also ine bloße Annehmlichkeit vorliege, die nicht Gegenstand einer betrieblichen Übung sein könne. Erstmals liegt mit einem Urteil des LAG Nürnberg aus dem Jahr 2015 eine Rechtsprechung vor, die in einem obiter dictum das Entstehen einer betrieblichen Übung bei der gestatteten Internet-/E-Mail-Nutzung ablehnt.[1100] Höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Thematik im Bereich der Internet- und E-Mail-Nutzung besteht – soweit ersichtlich – nicht.

 

Rz. 407

Im Falle der Gestattung der Privatnutzung sollte der Hinweis erfolgen, dass diese freiwillig geschieht. Durch diesen Hinweis entsteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf die private Nutzung.[1101] Sie kann mit Wirkung für die Zukunft beseitigt werden.

[1094] Bloesinger, NZA 2007, 2177; Ernst, NZA 2002, 585; Kömpf/Kunz, NZA 2007, 1341, 1345; Lindemann/Simon, BB 2001, 1953; Däubler, K&R 2000, 323; Kramer, NZA 2004, 457, 458.
[1095] Dickmann, NZA 2003, 1009, 1010; Schmidl, MMR 2005, 343, 344; Seel, öAT 2013, 4.
[1097] BAG 7.7.2005 – 2 AZR 581/04, MMR 2006, 94; Kramer, NZA 2006, 194, 196.
[1098] Barton, NZA 2006, 460, 461; Beckschulze/Henkel, DB 2001, 1491, 1492; Dickmann, NZA 2003, 1009, 1010; Däubler, K&R 2000, 323; Fleischmann, NZA 2008, 1352; Kramer, NZA 2004, 460, 458; a.A. Bloesinger, NZA 2007, 2177, 2178; Waltermann, NZA 2007, 529, 533; Koch, NZA 2008, 911.
[1100] LAG Nürnberg 5.8.2015 – 2 Sa 132/15, BeckRS 2015, 71725 Kein Entstehen einer betrieblichen Übung bei Raucherpausen: "Die Situation ist ähnlich wie bei der privaten Nutzung der betrieblichen Telefonanlagen, des E-Mail-Servers oder des Internets."
[1101] Waltermann, NZA 2007, 529, 532; vgl. zur Durchsetzung des Verbots privater Internetnutzung auch Bertram, GWR 2012, 388.

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