Rz. 662

Die Mitbestimmungsrechte des BR bei personellen Einzelmaßnahmen nach den §§ 99105 BetrVG sind von ganz unterschiedlicher Intensität. Während die personellen Einzelmaßnahmen Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung nach § 99 BetrVG der Zustimmung des BR bedürfen und gegebenenfalls ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen ist, bevor die personelle Einzelmaßnahme auch nur vorläufig nach § 100 BetrVG umgesetzt werden darf, besteht bei ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen nach § 102 BetrVG grundsätzlich lediglich ein Anhörungserfordernis. Außerordentliche Kündigungen von Mandatsträgern (etwa den Mitgliedern des BR, des Wahlvorstandes sowie Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung oder auch Wahlbewerbern) bedürfen indes ebenfalls der Zustimmung des BR. Versetzungen des vorgenannten Personenkreises, die zum Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen (Versetzungen in einen anderen Betrieb), bedürfen der Zustimmung des BR, wenn der Betroffene nicht einverstanden ist.

Schließlich hat der BR gemäß § 104 BetrVG ein Initiativrecht und kann vom Arbeitgeber die Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG (also nicht: GmbH-Geschäftsführer[1573] oder leitender Angestellter[1574]) durch Entlassung oder Versetzung verlangen; in der Praxis wird hiervon selten Gebrauch gemacht.[1575] Dabei bedeutet "Entlassung" die Entfernung aus dem Betrieb, weil bereits auf diese Weise die Störungsquelle beseitigt wird,[1576] also nicht unbedingt Kündigung.

 

Rz. 663

Da das BetrVG auf leitende Angestellte (vgl. § 5 Abs. 3 S. 1 BetrVG) keine Anwendung findet, bestehen insoweit auch keine Mitbestimmungsrechte des BR. Ausnahme von diesem Grundsatz ist § 105 BetrVG, der den Arbeitgeber verpflichtet, dem BR eine beabsichtigte Einstellung oder personelle Veränderung eines leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG rechtzeitig mitzuteilen. Beteiligungsrechte eines etwa gebildeten Sprecherausschusses der leitenden Angestellten bei Einstellung, personeller Veränderung oder Kündigung bleiben hiervon unberührt, § 31 Abs. 1, 2 SprAuG.

 

Rz. 664

Die Mitbestimmungsrechte des BR bei personellen Einzelmaßnahmen dienen sowohl dem kollektiven Interesse der Belegschaft als auch den Individualinteressen der betroffenen Arbeitnehmer. Dass diese Interessen nicht gleichlaufen müssen, sondern durchaus auch widerstreiten können, zeigt insbesondere das Recht des BR, die Entfernung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers zu verlangen (§ 104 BetrVG). In solchen Fällen muss der BR kollektive und individuelle Interessen gegeneinander abwägen.

 

Rz. 665

Die Mitbestimmung nach § 99 BetrVG bei Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung einerseits und bei Kündigungen gemäß §§ 102 f. BetrVG andererseits knüpft auch an unterschiedliche Voraussetzungen im Hinblick auf die Betriebs- bzw. Unternehmensgröße an: Während die Anwendbarkeit des Zustimmungserfordernisses nach § 99 BetrVG davon abhängig ist, dass im Betrieb oder Unternehmen in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden, besteht das Mitbestimmungsrecht bei Kündigungen in jedem Betrieb, in dem ein BR gebildet wurde, d.h. bereits in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG.

 

Rz. 666

In Tendenzbetrieben ist das Mitbestimmungsrecht des BR bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG beschränkt (§ 118 Abs. 1 S. 1 BetrVG): So steht dem BR etwa bei der Einstellung von Redakteuren in Tendenzbetrieben kein Zustimmungsverweigerungsrecht zu, der Arbeitgeber hat aber vollumfängliche Informationspflichten.[1577]

[1574] MünchArbR/Volk, 4. Auflage 2018, § 344 Rn 142.
[1575] LAG Berlin-Brandenburg 28.7.2016 – 10 TaBV 367/16, ArbRAktuell 2016, 560.
[1576] MünchArbR/Matthes, 3. Auflage 2009, § 267 Rn 6.

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