Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung im Tendenzunternehmen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Einstellung eines Redakteurs bedarf in einem Zeitschriftenverlag im Regelfall nicht der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats.

2. Streiten Arbeitgeber und Betriebsrat anläßlich einer solchen personellen Maßnahme, zu der der Betriebsrat seine Zustimmung nach § 99 Abs 3 BetrVG verweigert hat, darüber, ob die Maßnahme nach § 118 Abs 1 Satz 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedarf oder nicht, so ist der Arbeitgeber nicht gehalten, diesen Streit in einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs 4 BetrVG entscheiden zu lassen.

3. Die ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte personelle Maßnahme ist auf Antrag des Betriebsrats nach § 101 Satz 1 BetrVG aufzuheben, wenn der Arbeitgeber für diese Maßnahme keinen Tendenzschutz in Anspruch nehmen konnte.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1; BetrVG § 99 Abs. 4, § 75 Abs. 2, § 99 Abs. 2, § 101 S. 1, § 118 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.01.1986; Aktenzeichen 8 TaBV 110/85)

ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 06.08.1985; Aktenzeichen 1 BV 19/85)

 

Gründe

A. Der Verlag W. G (Arbeitgeber) gibt die Tageszeitung "W" mit verschiedenen Lokalausgaben heraus. Der Antragsteller ist der für die Betriebe D, W und K gewählte Betriebsrat. Mit Schreiben vom 12. Dezember 1984 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, daß er den Redakteur K. zum 1. Januar 1985 als stellvertretenden Leiter der Lokalredaktion D-Stadt einstellen wolle. In der Mitteilung heißt es, daß auf die innerbetriebliche Stellenausschreibung Bewerbungen von zwei Redakteuren eingegangen seien. Es wird begründet, daß die beiden Bewerber nicht die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.

Auf diese ihm am 13. Dezember 1984 zugegangene Mitteilung antwortete der Betriebsrat am 19. Dezember 1984 u.a. wie folgt:

"Der Betriebsrat hat beschlossen, der o. g.

Einstellung gem. § 99 Abs. 2 Ziff. 3 und

4 BetrVG ... zu widersprechen ... Deshalb

ist es dem Betriebsrat unverständlich, warum

zwei seit Jahren im Hause beschäftigten, engagierten

Redakteuren diese Aufstiegschance nicht

geboten wird.

...

Zur Begründung seines Widerspruchs nimmt der Betriebsrat

deshalb wie folgt Stellung:

Ihre Begründung zur Ablehnung der Bewerber S. und

N., "sie verfügen nicht über Erfahrung in anderen

Redaktionen", trifft für Herrn K. dann wohl

auch nicht zu ... Vielmehr sehen wir bei dem Bewerber

N. die Voraussetzungen für die Position eines

stellvertretenden Leiters der Lokalredaktion

geradezu als gegeben an ... Der Betriebsrat erwartet

daher, daß die Geschäftsführung ihren Standpunkt

noch einmal überdenkt und Herrn N. diese Aufstiegschance

bietet."

Der Arbeitgeber antwortete mit Schreiben vom 2. Januar 1985, in dem er die Einstellung des Redakteurs K. noch einmal begründete. In einem weiteren Schreiben des Betriebsrats vom 14. Januar 1985 heißt es u.a. weiter:

"... Ergänzend zu unserem Widerspruch tragen wir

noch nach, daß gem. § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG

in Verbindung mit § 75 Abs. 2 BetrVG der Arbeitgeber

und der Betriebsrat die freie Entfaltung

des Arbeitnehmers zu schützen und zu fördern haben.

Das heißt, daß auch die berufliche Entwicklung

zu ermöglichen ist.

Insofern haben Sie auch Ihr Auswahlermessen verletzt,

was zur Folge hat, daß hier konkrete Rechtsfolgen

abzuleiten sind. ..."

Der Arbeitgeber stellte den Redakteur K. gleichwohl ein, ohne die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung gerichtlich ersetzen zu lassen.

Der Betriebsrat hat mit der Begründung, in der Einstellung des Redakteurs K. liege keine Tendenzmaßnahme, er habe aus tendenzneutralen Gründen seine Zustimmung verweigert und verweigern können und auch der Bewerber N. könne sich als Tendenzträger auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen, die Ansicht vertreten, die Einstellung des Redakteurs K. habe seiner Zustimmung bedurft. Der Arbeitgeber sei daher verpflichtet, die ohne seine Zustimmung erfolgte Einstellung rückgängig zu machen. Er hat im vorliegenden Verfahren beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben, die Einstellung

des Redakteurs K. aufzuheben.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, die Einstellung des Redakteurs K. habe als tendenzbezogene Maßnahme nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedurft. Darauf, aus welchen Gründen der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert habe, komme es nicht an.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Es hat dabei dem Umstand, daß der vom Betriebsrat für die Stelle vorgeschlagene Bewerber N. zum 30. September 1985 aus dem Betrieb des Arbeitgebers ausgeschieden ist, keine Bedeutung beigemessen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Einstellung des Redakteurs K. nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedurft hat.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Antrag des Betriebsrats nicht deswegen unzulässig geworden ist, weil der vom Betriebsrat vorgeschlagene Bewerber N. zwischenzeitlich ausgeschieden ist.

Bei dem Aufhebungsantrag nach § 101 BetrVG handelt es sich um einen Leistungsantrag. Für diesen Antrag bedarf es keines besonderen Rechtsschutzinteresses. Dieses folgt allein daraus, daß der Arbeitgeber dem Verlangen des Betriebsrats, die Einstellung des Redakteurs K. aufzuheben, bislang nicht nachgekommen ist. Ob der Betriebsrat die Aufhebung der Einstellung noch verlangen kann, nachdem der geltend gemachte Grund für seine Zustimmungsverweigerung weggefallen ist, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags.

Auch eine Erledigung des Verfahrens ist nicht eingetreten. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Betriebsrat mit Rücksicht auf das Ausscheiden des Bewerbers N. seine Zustimmung zur Einstellung des Redakteurs K. nunmehr nachträglich gegeben hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.

II. Der Betriebsrat kann nicht die Aufhebung der Einstellung des Redakteurs verlangen.

1. Die Einstellung des Redakteurs K. bedurfte nicht der Zustimmung des Betriebsrats.

a) Nach § 101 Abs. 1 in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat dann nicht die Aufhebung der ohne seine Zustimmung erfolgten Einstellung eines Redakteurs verlangen, wenn diese Einstellung nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedurfte und der Arbeitgeber den Betriebsrat vor Durchführung der Maßnahme unterrichtet und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. Beschluß des Senats vom 1. September 1987 - 1 ABR 22/86 - auch zur Veröffentlichung vorgesehen).

Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Arbeitgeber als Zeitungsverlag ein Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG und der Redakteur ein Tendenzträger sei. Die Einstellung eines Tendenzträgers stelle eine tendenzbezogene Maßnahme dar. Bei dieser stehe die Eigenart des Zeitungsverlages der Anwendung des § 99 Abs. 2 BetrVG entgegen.

b) Der Betriebsrat greift diese rechtliche Würdigung an. Er meint, das Unternehmen des Arbeitgebers diene überwiegend der Gewinnerzielung und sei daher kein Tendenzunternehmen. Dieser Einwand ist nicht begründet.

aa) Der Senat hat Zeitungsverlage stets als Tendenzunternehmen angesehen (Beschluß vom 19. Mai 1981, BAGE 35, 278 = AP Nr. 18 zu § 118 BetrVG 1972 und Beschluß vom 31. Mai 1983, BAGE 43, 35 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972). Daß auch ein Zeitungsverlag betrieben wird, um Gewinn zu erzielen, ist unerheblich. Es kommt nicht auf die Motivation des Unternehmens an, vielmehr bestimmt die Art des Unternehmens den Tendenzcharakter (Beschluß vom 14. November 1975 - 1 ABR 107/74 - AP Nr. 5 zu § 118 BetrVG 1972). Das entspricht auch der überwiegenden Ansicht in der Literatur (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 118 Rz 13; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 37 f.; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 37; Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., § 118 Rz 5).

Soweit Fabricius (GK-BetrVG, 2. Bearbeitung, § 118 Rz 277 f.) es nicht als ausreichend ansieht, daß das Unternehmen Berichterstattung oder Meinungsäußerung betreibt, vielmehr einen darüber hinausgehenden ideellen Zweck verlangt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Fabricius sieht in der auf Berichterstattung und Meinungsäußerung gerichteten Tätigkeit des Unternehmens den Gegenstand des Unternehmens, der seinerseits noch darüber hinaus geistig-ideellen Zwecken dienen müsse. Er entnimmt dies einer grammatikalischen Auslegung der Vorschrift, insbesondere der Worte "Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen". Anderenfalls hätte es genügt, von "Unternehmen, die der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen", zu sprechen. Selbst wenn dies dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen wäre, wäre diese Auslegung mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 6. November 1979 (BVerfGE 52, 283 = AP Nr. 14 zu § 118 BetrVG 1972) ausgesprochen, daß das Grundrecht der Pressefreiheit dem Staat nicht nur eine unmittelbare Einflußnahme auf die Tendenz von Presseerzeugnissen verwehre, er dürfe sie auch nicht durch rechtliche Regelungen pressefremden - nichtstaatlichen - Einflüssen unterwerfen oder öffnen, die mit dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründeten Postulat unvereinbar wären, der Freiheit der Presse Rechnung zu tragen. Das gelte auch für Regelungen des Tendenzschutzes, die das Verhältnis zwischen dem Verleger und dem Betriebsrat eines Tendenzbetriebs zum Gegenstand haben. Wäre die Ansicht von Fabricius zutreffend, blieben die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in vollem Umfange in allen Unternehmen erhalten, deren Gegenstand die Berichterstattung oder Meinungsäußerung ist, die aber darüber hinaus nicht oder nicht überwiegend noch weitergehenden geistig-ideellen Zielen, sondern der Gewinnerzielung dienen. Dem Betriebsrat wäre damit u.a. über die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen hinsichtlich solcher Personen, die unmittelbar am Gegenstand des Unternehmens, nämlich der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, mitarbeiten, die Möglichkeit eröffnet, auf den Inhalt der Berichterstattung oder Meinungsäußerung Einfluß zu nehmen. Eine solche Regelung wäre aber dem Gesetzgeber verwehrt. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, daß von dieser Vorschrift Unternehmen erfaßt werden, die der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen, auch wenn sich der Wortlaut der Vorschrift dann als grammatikalisch falsch erweist.

bb) Richtig ist, daß das Tendenzunternehmen unmittelbar und - was hier entscheidend ist - überwiegend den in § 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG genannten Bestimmungen dienen muß. Diese Bestimmungen stehen aber nicht im Gegensatz zur Absicht der Gewinnerzielung, sondern sind daran zu messen, ob das Unternehmen daneben noch anderen nicht privilegierten Bestimmungen dient, also ein sogenanntes Mischunternehmen ist. Nur bei diesen muß ein Übergewicht der unmittelbaren tendenzbezogenen Tätigkeiten vorhanden sein (Beschluß des Senats vom 9. Dezember 1975 - 1 ABR 37/74 - AP Nr. 7 zu § 118 BetrVG 1972). Das muß jedenfalls aus den genannten Gründen für Unternehmen gelten, die der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen. Ob z. B. karitative, wissenschaftliche oder künstlerische Bestimmungen durch ein überwiegendes wirtschaftliches Gewinnstreben ausgeschlossen werden, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden.

cc) Die Rechtsbeschwerde rügt die Annahme des Landesarbeitsgerichts, daß es sich bei dem Verlag um ein Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG handele, weil das Landesarbeitsgericht dazu keine näheren Feststellungen getroffen und von seiner Aufklärungs- und Fragepflicht keinen Gebrauch gemacht habe. Diese Rüge ist unzulässig. Mit ihr wird nicht gesagt, welche Tatsachen bei einer weiteren Aufklärung und entsprechenden Fragestellung festgestellt worden wären (Beschluß des Senats vom 7. November 1975, BAGE 27, 322 = AP Nr. 3 zu § 99 BetrVG 1972).

Aus § 83 Abs. 1 ArbGG, der nach § 90 Abs. 2 ArbGG auch für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht gilt, folgt nichts anderes. Danach hat das Gericht zwar den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen zu erforschen, die am Verfahren Beteiligten haben jedoch an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten gibt der Verlag eine Tageszeitung heraus. Schon das begründet - wie dargelegt - grundsätzlich den Tendenzcharakter des Verlags. Keiner der Beteiligten hat auch nur andeutungsweise vorgetragen, daß der Verlag noch anderen Bestimmungen dient, also ein sogenanntes Mischunternehmen ist. Für das Landesarbeitsgericht bestand daher kein Anlaß, den Sachverhalt insoweit weiter zu erforschen und entsprechende Fragen an die Beteiligten zu richten.

Soweit der Betriebsrat den Tendenzcharakter des Verlags in Zweifel gestellt hat, hat er dies nur damit begründet, daß der Verlag überwiegend der Gewinnerzielung diene. Darauf kommt es - wie dargelegt - nicht an, so daß es auch insoweit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts nicht bedurfte.

c) Bei dem Redakteur K. handelt es sich um einen sogenannten Tendenzträger, d. h. um einen Arbeitnehmer, der selbst unmittelbar für die Berichterstattung und/oder Meinungsäußerung der Zeitung tätig ist und damit inhaltlich auf die Tendenzverwirklichung Einfluß nehmen kann (Beschluß vom 7. November 1975, BAGE 27, 322= AP Nr. 3 zu § 99 BetrVG 1972; Beschluß vom 9. Dezember 1975 - 1 ABR 37/74 - AP Nr. 7 zu § 118 BetrVG 1972; Beschluß vom 19. Mai 1981, BAGE 35, 278 = AP Nr. 18 zu § 118 BetrVG 1972; Beschluß vom 31. Mai 1983, BAGE 43, 35 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972).

d) Der Umstand, daß ein Tendenzunternehmen eine an sich mitbestimmungspflichtige Maßnahme in bezug auf einen Tendenzträger vornimmt, besagt für sich allein noch nicht, daß Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über Beteiligungsrechte des Betriebsrats keine Anwendung finden. Deren Anwendung ist durch § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vielmehr nur insoweit ausgeschlossen, als die Eigenart des Unternehmens dem entgegensteht. Durch diese Vorschrift soll das Grundrecht der Pressefreiheit des Verlegers geschützt werden; die Pressefreiheit des Verlegers und damit auch seine Freiheit, die Tendenz seiner Zeitung festzulegen, beizubehalten, zu ändern und diese Tendenz zu verwirklichen, soll vor einer Beeinträchtigung durch betriebliche Mitbestimmungsrechte abgeschirmt werden. Daraus folgt, daß die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Presseunternehmen nur insoweit zurücktreten müssen, als durch ihre Ausübung die Freiheit des Verlegers zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigt und damit das Grundrecht der Pressefreiheit verletzt werden kann (Beschluß des Senats vom 31. Mai 1983, BAGE 43, 35 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972). Die Maßnahme des Tendenzunternehmens gegenüber einem Tendenzträger muß daher nicht nur auch einen Bezug zur Tendenz des Unternehmens haben, vielmehr muß sich auch die nach dem Betriebsverfassungsgesetz an sich vorgesehene Beteiligung des Betriebsrats auf die Tendenzverwirklichung auswirken, wenn sie zurücktreten soll.

Das ist bei der Einstellung eines Redakteurs in aller Regel der Fall. Müßte die Einstellung eines Redakteurs infolge einer vom Betriebsrat zu Recht verweigerten Zustimmung unterbleiben, wäre der Verleger gehindert, Berichterstattung und Meinungsbildung so wie gewollt zu betreiben, nämlich auch dadurch, daß der in Aussicht genommene Redakteur seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Meinungen im Rahmen des zugewiesenen Aufgabengebietes zur Gestaltung der Zeitung einbringt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Festanstellungsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 13. Januar 1982, BVerfGE 59, 231 = AP Nr. 1 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit) ausgesprochen, daß der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Rundfunkfreiheit sich auf das Recht der Rundfunkanstalten erstreckt, dem Gebot der Programmvielfalt auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Rundfunkmitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung des Programms mitwirken. Für die in gleicher Weise geschützte Pressefreiheit kann nichts anderes gelten. Diese gewährt daher dem Verleger einer Tageszeitung nicht nur das Recht, Richtung und Ausgestaltung einer Zeitung zu bestimmen, die auch von der Art und Weise geprägt wird, in welchem sprachlichen Gewand Berichte und Meinungen gebracht werden, sondern auch das Recht, darüber zu bestimmen, durch welche an der Gestaltung der Zeitung beteiligte Mitarbeiter der jeweilige Inhalt der Zeitung und in welcher Form gestaltet werden soll. Die Gestaltung der einzelnen Beiträge durch die jeweiligen Redakteure läßt sich nicht allein durch Anweisungen und Vorschriften herbeiführen und sicherstellen. Sie ist jeweils abhängig von den Kenntnissen und Erfahrungen des einzelnen Redakteurs, von seinem Engagement bei einzelnen Themen und der Fähigkeit, auch in der sprachlichen Form der Eigenart der Zeitung zu entsprechen. Von daher wird die Tendenz einer Zeitung weitgehend schon dadurch bestimmt, welche Redakteure welche Themen bearbeiten. Geschützt ist daher auch die Freiheit des Unternehmers zu entscheiden, welcher Redakteur für die Zeitung tätig werden soll. Im Hinblick auf diese Gründe hat der Senat ausgesprochen, daß eine "Vermutung" dafür spreche, daß ein Redakteur aus tendenzbedingten Gründen, d. h. im Hinblick auf die sprachliche, inhaltliche Gestaltung der Zeitung eingestellt wird.

e) Der Betriebsrat macht geltend, auch die Einstellung eines Redakteurs bedürfe dann seiner Zustimmung bzw. der vorherigen Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung aus "tendenzneutralen Gründen" verweigert habe, etwa geltend mache, die Einstellung des Redakteurs verstoße gegen eine Rechtsvorschrift. Auch diese Überlegungen führen nicht dazu, daß im vorliegenden Falle die Einstellung des Redakteurs K. der Zustimmung des Betriebsrats bedurfte.

aa) Im Schrifttum wird für die Beantwortung der Frage, ob eine personelle Maßnahme gegenüber einem Tendenzträger der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, vielfach darauf abgestellt, ob die Maßnahme selbst überhaupt aus tendenzbedingten Gründen erfolge oder nicht. Im letzteren Falle blieben Beteiligungsrechte des Betriebsrats in vollem Umfange erhalten (Galperin/Löwisch, aaO, § 118 Rz 75; Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, Rz 429; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 118 Rz 35; anderer Ansicht Dietz/Richardi, aaO, § 118 Rz 139).

Vereinzelt wird nicht nur darauf abgestellt, ob die Maßnahme aus tendenzbedingten Gründen erfolgt oder nicht, sondern auch darauf, aus welchen Gründen der Betriebsrat bei einer personellen Maßnahme nach § 99 BetrVG seine Zustimmung verweigert oder bei einer Kündigung nach § 102 Abs. 3 BetrVG widerspricht (s. die Entscheidung des Senats vom 7. November 1975 - 1 AZR 282/74 - AP Nr. 4 zu § 118 BetrVG 1972; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, aaO, § 118 Rz 37; Eisemann, Tendenzschutz und Beweislast, RdA 1977, 336, 346; Hanau, Personelle Mitbestimmung des Betriebsrats in Tendenzbetrieben, insbesondere in Pressebetrieben, BB 1973, 901, 903, 905). So wird etwa geltend gemacht, daß der Betriebsrat auch der Einstellung eines Tendenzträgers aus tendenzbedingten Gründen die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern könne, wenn diese gegen ein gesetzliches Verbot, z. B. § 19 AFG, oder gegen eine tarifliche Besetzungsregelung verstößt (s. auch Müller, Überlegungen zur Tendenzträgerfrage, Festschrift Hilger/Stumpf, S. 477, 507).

In diesem Zusammenhang spricht manches für die Überlegung, daß der aus § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG folgende Tendenzschutz dann nicht eingreift, wenn die mit der personellen Maßnahme bezweckte Verfolgung der Tendenz des Unternehmens selbst im Widerspruch zu der auch von einem Tendenzunternehmen zu beachtenden Rechtsordnung steht, sei es daß die Maßnahme gegen eine gesetzliche Vorschrift oder eine tarifliche Bestimmung verstößt, eine mit dem Betriebsrat vereinbarte Auswahlrichtlinie mißachtet oder erfolgt, ohne daß die vom Betriebsrat geforderte Ausschreibung der Stelle stattgefunden hat. Der Senat braucht diese Frage im vorliegenden Falle nicht zu entscheiden.

bb) Der Einstellung des Redakteurs K. standen Rechtsvorschriften nicht entgegen. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats folgt aus § 75 Abs. 2 BetrVG keine Verpflichtung des Arbeitgebers, bei der Besetzung einer Stelle in jedem Falle dem aus dem Betrieb kommenden Bewerber den Vorzug vor einem externen Bewerber zu geben. Die Arbeitgeber und Betriebsrat obliegende Aufgabe, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern, beinhaltet kein Verbot für den Arbeitgeber, eine freie Stelle mit einem neu einzustellenden Arbeitnehmer zu besetzen, wenn sich ein schon im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer für diese Stelle beworben hat.

Soweit der Betriebsrat seine Zustimmung mit der Begründung verweigert hat, die internen Bewerber seien in gleicher Weise für die zu besetzende Stelle qualifiziert wie der Redakteur K., handelt es sich um Gründe, die unmittelbar und ausschließlich die Frage betreffen, welche Arbeitnehmer an welcher Stelle an der Tendenzverwirklichung mitwirken und diese daher mitbestimmen soll. Sie sind daher keine "tendenzneutralen" Gründe. Solche Gründe vermögen in keinem Falle die Verpflichtung des Arbeitgebers zu begründen, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen.

f) Nach allem bedurfte die Einstellung des Redakteurs K. nicht der Zustimmung des Betriebsrats. Auch das Recht des Betriebsrats, vor der Einstellung unterrichtet zu werden und Gelegenheit zur Stellungnahme zu haben, ist gewahrt.

2. Der Aufhebungsantrag des Betriebsrats ist auch nicht deswegen begründet, weil der Arbeitgeber das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht durchgeführt hat, bevor er den Redakteur K. einstellte. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats ist ein Streit zwischen den Betriebspartnern, ob hinsichtlich einer bestimmten personellen Maßnahme der Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eingreift oder nicht, nicht in einem vom Arbeitgeber einzuleitenden Zustimmungsersetzungsverfahren auszutragen.

a) Die Frage, ob hinsichtlich einer personellen Einzelmaßnahme der Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eingreift mit der Folge, daß diese Maßnahme nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, kann aus vielerlei Gründen streitig sein. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch eine personelle Maßnahme mit eindeutiger Tendenzrelevanz doch der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. In allen diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber, der die personelle Maßnahme für zustimmungsfrei hält, diese nach Anhörung des Betriebsrats durchführen kann mit der Folge, daß der Betriebsrat darauf angewiesen ist, die Aufhebung der Maßnahme mit der Begründung zu verlangen, seine Zustimmung sei doch erforderlich gewesen, oder ob der Arbeitgeber die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen muß, wobei das Arbeitsgericht die Zustimmung immer dann zu ersetzen hat, wenn die Verweigerung der Zustimmung die rechtmäßige Verfolgung der Tendenz verhindern würde. Letzteres hält der Betriebsrat für zutreffend.

b) Der Senat hat diese Frage noch nicht ausdrücklich entschieden. Er hatte mit den Beschlüssen vom 7. November 1975 (BAGE 27, 322 = AP Nr. 3 zu § 99 BetrVG 1972) und vom 9. Dezember 1975 (- 1 ABR 37/74 - AP Nr. 7 zu § 118 BetrVG 1972) nur über Aufhebungsanträge des Betriebsrats nach § 101 BetrVG zu entscheiden.

In der Literatur wird die Frage zum Teil nicht gesehen und lediglich gesagt, über einen entsprechenden Streit sei im Beschlußverfahren zu entscheiden (Müller, aaO, S. 506; Fitting/ Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 118 Rz 59; Galperin/Löwisch, aaO, § 118 Rz 94; Dietz/Richardi, aaO, § 118 Rz 156). Heinze (aaO, Rz 432) ist der Ansicht, daß die Verfahren nach §§ 100, 101 BetrVG dem Betriebsrat ausreichend Sicherheit böten, den Ausschluß seines Mitbestimmungsrechtes gerichtlich überprüfen zu lassen, verweist den Betriebsrat also auf das Aufhebungsverfahren. Nur Hanau (aaO, S. 905 f.) und Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke (aaO, § 118 Rz 36) verweisen den Arbeitgeber in diesen Fällen auf das Zustimmungsersetzungsverfahren.

c) Einem solchen, in jedem Falle vor Durchführung der personellen Maßnahme durchzuführenden Zustimmungsersetzungsverfahren steht die durch § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG geschützte Eigenart des Tendenzunternehmens entgegen.

aa) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 16. Juli 1985 (- 1 ABR 35/83 - AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) auf Bedenken gegen seine bisherige Rechtsprechung hingewiesen, wonach der Arbeitgeber bei einer zwar form- und fristgerecht erklärten, aber den angegebenen Gründen nach unbeachtlichen Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nicht durchführen müsse. Ob die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zur Begründung konkrete, auf den anstehenden Einzelfall bezogene Tatsachen enthalte oder ob sich die angegebenen Zustimmungsverweigerungsgründe noch den Tatbeständen des § 99 Abs. 2 BetrVG irgendwie zuordnen ließen oder sich davon allzu weit entfernten, sei eine schwierig zu beantwortende Rechtsfrage. Überließe man dem Arbeitgeber die Beantwortung dieser Frage, so könne dieser sich immer - gleichgültig, ob zu Recht oder zu Unrecht - auf den Standpunkt stellen, die vom Betriebsrat angegebenen Gründe würden von § 99 Abs. 2 BetrVG schlechterdings nicht mehr erfaßt oder enthielten keine konkreten auf den anstehenden Einzelfall bezogene Tatsachen, so daß die Zustimmungsverweigerung unbeachtlich sei und die Zustimmung als erteilt zu gelten habe. Er könne dann die personelle Einzelmaßnahme tatsächlich durchführen mit der Folge, daß der Betriebsrat doch wieder darauf verwiesen sei, seinerseits im Verfahren nach § 101 BetrVG geltend zu machen, daß er die Zustimmung in beachtlicher Weise verweigert habe und diese daher nicht als erteilt gelten könne. Die vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 99 Abs. 3 und 4 BetrVG gewollte Vertauschung der Parteirollen gegenüber dem früheren Rechtszustand würde damit praktisch wieder aufgehoben.

Gleiche Erwägungen drängen sich auch in den hier zu entscheidenden Fällen auf. Personelle Einzelmaßnahmen eines Tendenzunternehmens auch gegenüber einem Tendenzträger bedürfen grundsätzlich der Zustimmung des Betriebsrats. Das gilt nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur dann nicht, wenn die Eigenart des Unternehmens dem entgegensteht. Ob diese Voraussetzungen für ein Zurücktreten des Zustimmungsverweigerungsrechts des Betriebsrats gegeben sind, kann im Einzelfall streitig sein. Mit der Begründung, die Maßnahme sei zustimmungsfrei, könnte der Arbeitgeber die Maßnahme jedoch in allen strittigen Fällen zunächst durchführen und damit den Betriebsrat auf das Aufhebungsverfahren verweisen. Es ist daher die Frage zu entscheiden, ob auch die damit bewirkte erneute Vertauschung der Parteirollen durch die Eigenart des Tendenzunternehmens geboten ist, weil einer Verpflichtung des Arbeitgebers, im Streitfalle das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, die Eigenart des Tendenzunternehmens entgegensteht.

bb) In der Entscheidung vom 7. November 1975 (BAGE 27, 322 = AP Nr. 3 zu § 99 BetrVG 1972) hat der Senat ausgeführt, daß der Betriebsrat bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 Abs. 1 BetrVG eine Art Sperrinstanz sei, die der Arbeitgeber nur im Wege des Zustimmungsersetzungsverfahrens überwinden könne. Der Betriebsrat könne in Ausübung seiner Beteiligungsrechte in erheblichem Umfange personelle tendenzbedingte Maßnahmen des Arbeitgebers verhindern oder doch auf ungewisse Zeit verzögern. Jedenfalls für diese regelmäßig nicht unerhebliche Zeit wird der Arbeitgeber an der Verfolgung seiner Tendenz gehindert.

Die Möglichkeit, eine personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG vorläufig durchzuführen, ändert daran grundsätzlich nichts. Zwar kann der Arbeitgeber, selbst wenn der Betriebsrat der vorläufigen Durchführung der Maßnahme widerspricht, diese aufrechterhalten, wenn er gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Nur wenn im Laufe des Zustimmungsersetzungsverfahrens das Arbeitsgericht rechtskräftig feststellt, daß die Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war, ist der Arbeitgeber von diesem Zeitpunkt an bis zum Abschluß des Zustimmungsersetzungsverfahrens an der tatsächlichen Durchführung der Maßnahme und damit an der Verfolgung seiner Tendenz gehindert. Das wird relativ selten der Fall sein, zumal die Frage der Erforderlichkeit der vorläufigen Maßnahme auch im Hinblick auf die Tendenzverfolgung zu beurteilen wäre (Hanau, aa0). Der Arbeitgeber wäre daher, auch wenn er das Zustimmungsersetzungsverfahren betreiben müßte, in der Regel nicht gehindert, die Maßnahme gleichwohl tatsächlich durchzuführen und damit seine Tendenz zu verwirklichen.

Der Senat vermag dieser Argumentation nicht zu folgen. Bei diesem Verständnis wird die Durchführung einer personellen Maßnahme als vorläufige Maßnahme zum Regelfall. § 100 BetrVG sieht in der vorläufigen Maßnahme aber eine Ausnahme für diejenigen Fälle, in denen diese aus sachlichen Gründen dringend geboten ist. Die Auswirkungen eines für erforderlich gehaltenen Zustimmungsersetzungsverfahrens auf die Tendenzverwirklichung können nicht deswegen als unerheblich angesehen werden, weil der Arbeitgeber von einer Befugnis Gebrauch machen kann, die ihm nur im Ausnahmefall zustehen soll.

Hinzu kommt eine weitere Überlegung: Die Fälle, in denen nach den oben dargestellten Meinungen im Schrifttum dem Betriebsrat auch bei personellen Maßnahmen gegenüber Tendenzträgern ein Zustimmungsverweigerungsrecht zustehen kann, nämlich nach § 99 Abs. 2 Nr. 1, 2 (eventuell noch Nr. 3) BetrVG, werden relativ selten sein. In der Mehrzahl der Fälle wird bei einer Einstellung eine Zustimmungsverweigerung nur aus den in Nr. 3 genannten Gründen, bei einer Versetzung nur aus den in Nr. 3 und Nr. 4 genannten Gründen in Frage kommen. Diese vermögen jedoch bei einer tendenzbezogenen Maßnahme ein Zustimmungsverweigerungsrecht jedenfalls in der Regel nicht zu begründen, weil die damit geforderte Rücksichtnahme auf die Betroffenheit anderer Arbeitnehmer oder des von der Maßnahme selbst betroffenen Arbeitnehmers die Freiheit des Tendenzunternehmens, personelle Maßnahmen im Hinblick auf die Tendenzverfolgung unbeeinflußt von solchen durch den Betriebsrat aufgezwungenen Überlegungen durchzuführen, beeinträchtigt würde. Das aber will § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gerade ausschließen. In der überwiegenden Mehrzahl der Zustimmungsersetzungsverfahren müßte die Zustimmung vom Arbeitsgericht jedoch schon deswegen ersetzt werden, weil einer Zustimmungsverweigerung die Eigenart des Tendenzunternehmens entgegensteht. Das Zustimmungsersetzungsverfahren würde damit mehr oder weniger zu einem Verfahren, in dem auf der einen Seite Einwände des Betriebsrats gegen die personelle Maßnahme letztlich doch keine Berücksichtigung finden können und das auf der anderen Seite den Arbeitgeber für die Dauer des Verfahrens an der Durchführung personeller Maßnahmen hindert, die er zur Tendenzverwirklichung für geboten hält.

d) Angesichts dieses Befundes erfordert eine verfassungskonforme Auslegung von § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, daß das Tendenzunternehmen berechtigt ist, eine personelle Maßnahme mit Tendenzbezug auch ohne Zustimmung des Betriebsrats und auch ohne daß diese durch das Arbeitsgericht ersetzt worden ist, durchzuführen, allerdings unter dem Risiko, daß ihm auf Antrag des Betriebsrats nach § 101 BetrVG aufgegeben wird, die Maßnahme wieder aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine Zustimmungsfreiheit der Maßnahme nicht vorgelegen haben.

Der Arbeitgeber war daher nicht gehalten, vor der Einstellung des Redakteurs K. als stellvertretender Leiter der Lokalredaktion D-Stadt das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen. Der Betriebsrat kann daher die Aufhebung der Einstellung nicht allein deswegen verlangen, weil der Arbeitgeber das Zustimmungsersetzungsverfahren nicht durchgeführt hat.

Damit erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts als zutreffend, so daß die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen war.

Dr. Kissel Dr. Heither Matthes

Gnade Dr. Federlin

 

Fundstellen

BAGE 56, 81-95 (LT1-3)

BAGE, 81

BB 1988, 67-68 (LT1-3)

DB 1987, 2653-2656 (LT1-3)

NJW 1988, 372

NJW 1988, 372-375 (LT1-3)

AiB 1988, 88-89 (LT1-3)

JR 1988, 220

NZA 1988, 97-99 (LT1-3)

RdA 1988, 59

AP § 101 BetrVG 1972 (LT1-3), Nr 11

AR-Blattei, ES 1570 Nr 36 (LT1-3)

AR-Blattei, Tendenzbetrieb Entsch 36 (LT1-3)

AfP 1987, 726

EzA § 118 BetrVG 1972, Nr 41 (LT1-3)

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