Rz. 418

Das Alternativmodell zum Lebensmittelpunkt und zum überwiegenden Zusammenleben mit einem Elternteil bildet das sog. Wechselmodell.[497]

Die Eltern teilen sich die Betreuungszeiten für das Kind, indem z.B. ein wöchentlich wechselnder Aufenthalt bei den jeweiligen Elternteilen praktiziert wird. Um ein Wechselmodell anzunehmen, bedarf es allerdings nicht der exakten hälftigen Aufteilung der Betreuungszeiten.[498]

 

Rz. 419

Auch bei einer Aufteilung während der Woche in 3 Tagen bzw. 4 Tagen bei dem jeweils anderen Elternteil muss noch vom Wechselmodell gesprochen werden.[499] Die Grenze wird man bei einer Betreuung von 30 % zu 70 % sprechen müssen. In solchen Fällen handelt es sich, so der BGH, um "großzügigen Besuchskontakt"[500]

Letztlich wird man drei unterschiedliche Betreuungsfälle unterscheiden müssen:

Die Betreuung im sog. Residenzmodell, bei dem der mit dem Kind nicht überwiegend zusammenlebende Elternteil mit einem Anteil zwischen o % und ca. 22 % an der Betreuung beteiligt sein wird;
Die alternierende (quasiparitätische) Betreuung, bei der die Eltern die Betreuungszeiten aufteilen, aber eine der Elternteile noch überwiegend die Betreuung übernimmt,
Die (paritätische) Betreuung im Wechselmodell, bei der nach den Anforderungen der Rechtsprechung eine – zumindest fast – gleiche Betreuungszeit praktiziert wird, also zwischen 48 % und 52 %.[501]
 

Rz. 420

Der Gesetzgeber hat kein Modell des Zusammenlebens und auch kein Modell der Ausgestaltung der Betreuungsverantwortung der Eltern eines Kindes vorgeschrieben.

Ebenso wenig ist die Betreuungsform in jedem Fall vom Einverständnis beider Elternteile abhängig.

Es kann daher auch das Wechselmodell als Betreuungsform gerichtlich durchgesetzt werden, wenn sie – und darum geht es ausschließlich – dem Kindeswohl am besten entspricht.[502]

Das Wechselmodell entspricht aber dann nicht dem Wohl des Kindes "am besten", wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation vorliegt und es damit schon an der Basis für eine gemeinsame elterliche Sorge fehlt.[503]

 

Rz. 421

Die notwendigen Voraussetzungen[504] für die hoheitliche Anordnung des Wechselmodells können wie folgt zusammengefasst werden:[505]

1. hinreichende, in etwa gleiche Erziehungskompetenzen beider Eltern,
2. sichere Bindungen des Kindes zu beiden Eltern,
3. gleiche Beiträge beider Eltern zur Entwicklungsförderung und Kontinuitätssicherung,
4. autonom gebildeter, ständiger Kindeswille,
5. Kooperations- uns Kommunikationsfähigkeit beider Eltern,
6. keine Erwartung oder Verschärfung eins Loyalitätskonflikts des Kindes durch eine Konfliktbelastung der Eltern.

Es kann daher beantragt werden:

 

Rz. 422

Muster 2.46: Antrag auf Einrichtung des Wechselmodells

 

Muster 2.46: Antrag auf Einrichtung des Wechselmodells

Es wird beantragt, die Betreuung für das Kind K _________________________ der Beteiligten wie folgt anzuordnen:

1. Der Antragsteller betreut das Kind in allen geraden Wochen des Jahres, die Antragsgegnerin in allen ungeraden Wochen des Jahres von montags, 8 Uhr bis zum folgenden Montag, 8 Uhr.
2. Der Antragsteller betreut das Kind K _________________________ während gerader Kalenderjahre in der ersten Hälfte aller Schulferien, die Antragsgegnerin während aller ungeraden Kalenderjahre.
3. Der Antragsteller verbringt Heiligabend von 14 Uhr bis zum 1. Feiertag, 14 Uhr sowie Silvester vom 31.12., 14 Uhr bis zum 1.1., 14 Uhr während gerader Kalenderjahre mit K _________________________, die Antragsgegnerin während ungerader Kalenderjahre.
[497] Vgl. Finger, Sorge- und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung – Thesenpapier der Arbeitsgruppe, BMJV v. 29.10.2019, FuR 2020, 195 sowie insgesamt die Stellungnahme der Kinderrechtekommission des DFGT zum Wechselmodell im deutschen Familienrecht, FF 2014, 352.
[499] So Horndasch, ZFE 2007, 329; anders std. Rspr. vgl. BGH FamRZ 2014, 917, 918; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1235.
[500] BGH 2006, 1015 m. Anm. Luthin; zu Wechselmodell und Kindesunterhalt vgl. Spangenberg, FamRZ 2014, 88.
[501] BGH FamRZ 2017, 532; vgl. dazu die Stellungnahme des DFGT durch Coester v. 9.3.2017, FamRZ 2017, 581.
[502] BGH FamRZ 2017, 532; OLG Dresden FamRZ 2021, 1805; OLG Karlsruhe FamRZ 2021, 688.
[503] OLG Bamberg FamRZ 2018, 438; OLG Stuttgart FamRZ 2018, 35; OLG Brandenburg FamRZ 2017, 1757; KG FamRZ 2017, 1409; dazu auch BGH FamRZ 2016, 1439 mit Anm. Lack.
[504] So auch OLG Brandenburg FamRZ 2021, 34 m. Anm. Hammer a.a.O. S. 37.
[505] So auch BGH FamRZ 2017, 532 m. Anm. Schwonberg.

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