Rz. 903

Für den Restbedarf, mithin den Barunterhalt, haften die Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

aa) Der Restbedarf des volljährigen Kindes

 

Rz. 904

Die Eltern haften nur für den Restbedarf ihres volljährigen Kindes. Das bedeutet, dass vom Lebensbedarf des Kindes seine – anrechenbaren – Einkünfte sowie das Kindergeld in voller Höhe gemäß § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (bedarfsmindernd) in Abzug zu bringen sind.

 

Rz. 905

 

Schema zur Ermittlung des Restbedarfs des volljährigen Kindes

Feststellung und Bezifferung des gesamten Lebensbedarfs des volljährigen Kindes anhand der Tabellen und Leitlinien,
Ermittlung des anrechnungsfähigen Einkommens des volljährigen Kindes durch Abzug des Erwerbsaufwands u.a.,
bedarfsmindernde Anrechnung eigenen Einkommens des volljährigen Kindes und
bedarfsmindernde Anrechnung des Kindergelds in voller Höhe,

ergibt den Restbedarf des volljährigen Kindes.

bb) Leistungsfähigkeit der Eltern

 

Rz. 906

Für diesen Restbedarf haften die Eltern anteilig[1254] gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 nach ihrer Leistungsfähigkeit,[1255] also nach den ihnen nach den allgemeinen Grundsätzen der Einkommensermittlung zu Unterhaltszwecken tatsächlich vorhandenen Mittel.[1256] Der Umfang der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Elternteils ist anhand seines Einkommens und der unterhaltsrechtlich gebotenen Abzüge zu ermitteln.

 

Rz. 907

Im Wesentlichen[1257] verringert sich das jeweilige Einkommen um

die gesetzlichen Abzüge, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Altersvorsorge (primär und sekundär),
Verbindlichkeiten, sofern diese unterhaltsrechtliche zu berücksichtigen sind,
Kosten für krankheitsbedingten Mehrbedarf,[1258]
Kosten für die Betreuung minderjähriger Kinder oder Betreuungsbonus,[1259] sofern die Betreuung tatsächlich – noch – erforderlich ist,[1260]
Unterhaltszahlung an nach § 1609 vorrangig berechtigte Unterhaltsschuldner.
 

Rz. 908

Allerdings geht der BGH[1261] davon aus, dass bei durchschnittlichen Einkünften keine schematische Quotierung proportional zur Höhe der beiderseitigen Einkommen vorzunehmen, sondern eine wertende Betrachtung geboten ist, um eine unterschiedliche Belastung der Bezieher unterschiedlich hoher Einkünfte zu vermeiden.[1262] In welcher Weise dies geschieht, unterliegt weitgehend der Beurteilung des Tatrichters. Eine billigenswerte Methode, um dem Rechnung zu tragen, bestehe – so der BGH – darin, die Haftungsquoten erst nach dem Abzug der für den eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge (Selbstbehalt) nach dem Verhältnis der verbleibenden Mittel zu bestimmen, wie es einer verbreiteten Praxis entspricht.[1263]

Daher ist der jeweilige Elternteil nur leistungsfähig, soweit sein Resteinkommen seinen angemessenen Selbstbehalt in Höhe von derzeit 1.650 EUR übersteigt.

 

Rz. 909

 

Praxistipp

Auch hinsichtlich des Selbstbehalts gelten die allgemeinen Grundsätze. So ist dieser z.B. wegen Synergie-Effektes einer neuen Partnerschaft zu reduzieren.

[1254] BGH FamRZ 1988, 159; FamRZ 1985, 917.
[1255] BGH FamRZ 1986, 153.
[1256] BGH FamRZ 1988, 1039.
[1257] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 569 ff.
[1258] BGH FamRZ 1995, 537.
[1259] BGH FamRZ 1991, 182.
[1260] BGH FamRZ 1988, 1039.
[1261] FamRZ 1986, 151 = FuR 2002, 223.
[1262] Hauß, FamRB 2002, 195.
[1263] BGH FamRZ 1986, 151 m.w.N.

cc) Die Ermittlung der Haftungsquote

 

Rz. 910

Die Ermittlung der Haftungsquote kann als Formel wie folgt dargestellt werden:

 
Restbedarf x Einkommen des Elternteils
Summe der Einkommen beider Elternteile

In Worten:

Der Restbedarf des volljährigen Kindes wird mit dem Einkommen des jeweiligen Elternteils multipliziert. Das Produkt wird durch die Summe der Einkünfte beider Elternteile dividiert.

In Zahlen:

Restbedarf des volljährigen Kindes: 554 EUR

Einkommen Vater: 2.000 EUR – Selbstbehalt 1.650 EUR = 350 EUR

Einkommen Mutter: 1.800 EUR – Selbstbehalt 1.650 EUR = 150 EUR

 
Quote des Vaters: 554 x 350 = 388 EUR
500
 
Quote der Mutter: 554 x 150 = 166 EUR
500

Kontrolle:

Anteil Vater 388 EUR + Anteil Mutter 166 EUR = 554 EUR = Restbedarf des volljährigen Kindes

 

Rz. 911

Gegebenenfalls ist das gefundene Ergebnis auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen.[1264] Das gilt insbesondere, wenn die Einkommen der Elternteile sehr weit auseinanderfallen. In die wertende Veränderung des Verteilungsschlüssels können und müssen sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls einfließen.

[1264] BGH FamRZ 2000, 1492; FamRZ 2000, 358.

dd) Die Ermittlung der Haftungsquoten in der praktischen Anwendung

 

Rz. 912

Die jeweiligen Haftungsanteile der Eltern gegenüber einem volljährigen, nicht privilegierten Kind sind in einer mehrstufigen Berechnung zu ermitteln.[1265]

1. Berechnungsstufe: Von dem unterhaltsrelevant bereinigten Nettoeinkommen beider Elternteile ist zunächst der für vorrangige Unterhaltsgläubiger zu zahlende Barunterhalt (Zahlbetrag) abzuziehen,[1266]

2. Berechnungsstufe: Vor der Berechnung der Haftungsanteile ist von dem unterhaltsrelevant bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern jeweils der angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern abzuziehen,[1267]

3. Berechnungsstufe: Das verbleibende Resteinkommen der/des Unterhaltsschuldner/s ist sodann zum Unterhaltsbedarf des Unterhaltsgläubigers ...

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