Rz. 265

Grundsätzlich stellt der Bezug Sozialleistungen den Lebensunterhalt bzw. -bedarf des Empfängers sicher.[337] Daher sind Sozialleistungen im Rahmen eines Unterhaltsanspruchs als Einkommen bewerten und konsequenterweise als solches zu behandeln. Die Bezüge aus Sozialleistungen müssen vorrangig für den Lebensbedarf eingesetzt werden und sind als Einkommen des Unterhaltspflichtigen und/oder des Unterhaltsberechtigten anzurechnen.

 

Rz. 266

 

Praxistipp

Die Vorschrift des § 1610a findet auch Anwendung auf den minderjährigen Unterhaltsgläubiger, da in jedem Fall die Sozialleistungen für die Aufwendungen benötigt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn die Vermutung des § 1610a widerlegt wird und es dem Unterpflichtigen nicht zumutbar ist, diese Mittel anderweitig zu verwenden.[338]

 

Rz. 267

Abweichend von dem Grundsatz der Anrechnung von Sozialleistungen als Einkommen sowohl beim Unterhaltspflichtigen als auch -berechtigten sind subsidiäre Sozialleistungen zu beurteilen. Subsidiäre Sozialleistungen sind solche, die nachrangig zu behandeln sind ("Nachrang der Sozialhilfe", § 2 SGB XII). Diese decken zwar den Unterhaltsbedarf, berühren aber den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch nicht. Dieser Unterhaltsanspruch des Leistungsempfängers gegen den Unterhaltspflichtigen geht vielmehr auf den Leistungsträger über (§ 94 SGB XII, § 7 UVG, § 37 BAföG[339]).[340]

 

Rz. 268

In der Konsequenz sind subsidiäre Sozialleistungen nur beim Unterhaltspflichtigen als Einkommen anzurechnen, nicht aber beim Unterhaltsberechtigten. Ansonsten würden diese Sozialleistungen ihren nachrangigen Charakter verlieren und die Geltendmachung der übergegangenen Unterhaltsansprüche durch den Leistungsträger würde entfallen.[341]

 

Rz. 269

 

Praxistipp

Die Anrechnungsvorschriften für Sozialleistungen auf den Leistungsanspruch im SGB II und SGB XII haben für die Anrechnung im Unterhaltsrecht zumindest Indizwirkung und können zur Beurteilung, ob bestimmte (Sozial-)Leistungen anrechenbares Einkommen darstellen, – zumindest argumentativ – herangezogen werden.

 

Rz. 270

& Beispiele für nicht subsidiäre Sozialleistungen[342]

BAföG-Leistungen ohne Vorausdarlehen mindern die Bedürftigkeit des minderjährigen Schülers/Studenten (mit Einführung des G 8 sind solche Sachverhalte denkbar). Dies gilt auch für die darlehensweise Gewährung, wenn dem Unterhaltsberechtigten die Aufnahme eines solchen Kredits bei angemessener Berücksichtigung der Interessen des Schülers/Studenten und seiner Eltern im Hinblick auf die außerordentlichen günstigen Darlehensbedingungen zumutbar ist.[343]

Dem ist nicht so, wenn die Leistung nach § 37 BAföG als Vorausdarlehen erbracht wird. In diesem Fall geht der Unterhaltsanspruch des Leistungsempfängers gegen den Unterhaltspflichtigen auf den Leistungsträger über.

Berufsausbildungsbeihilfen werden nach § 97 Abs. 1 SGB III als Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung für Personen, die die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, erbracht. Ziel ist die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit des Behinderten entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre berufliche Eingliederung zu sichern. Das Ausbildungsgeld ist keine gegenüber dem Unterhaltsanspruch nachrangige Leistung. Sie mindert die Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Leistungsempfängers.[344]

Die nach den §§ 59 ff. SGB III gewährte Berufsausbildungshilfe hingegen hat Lohnersatzfunktion und ist nur dann eine subsidiäre Geldleistung, wenn sie als Vorauszahlung geleistet wird.[345] Es handelt sich also um eine subsidiäre Sozialleistung, die für den Unterhaltsberechtigten nicht zu anrechenbaren Einkünften führt.

Unterhaltsvorschussleistungen nach dem UVG stellen für das minderjährige Kind im Verhältnis zu seinen Eltern kein anrechenbares Einkommen des Kindes dar. Seine Bedürftigkeit bleibt von diesen Leistungen unberührt.[346]

Anders sind die Leistungen nach dem UVG jedoch im (Unterhalts-)Verhältnis zu entfernten Verwandten, wie z.B. den Großeltern, zu bewerten. An dieser Stelle sind die Leistungen als Einkommen des minderjährigen Unterhaltsberechtigten bedürftigkeitsmindernd zu berücksichtigen.[347] Dies gilt für bereits gezahlten als auch noch zu gewährenden Vorschuss.[348]

Waisenrente ist beim minderjährigen Unterhaltsberechtigten auf seinen Barunterhaltsanspruch gegen den Elternteil, bei dem es lebt, nur zur Hälfte anzurechnen.[349]

Für den Fall des Versterbens eines Elternteils richtet sich der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Unterhaltsberechtigten in Höhe des vollen Bedarfs gegen den überlebenden Elternteil. Die Waisenrente mindert den Bedarf des minderjährigen Unterhaltsberechtigten, was dem überlebenden Elternteil in voller Höhe zugutekommt.[350]

Wohngeld muss zur Ermittlung der Höhe der anrechenbaren Einkünfte zunächst auf die sich aus der zwischen den Mietkosten, die in dem pauschalierten notwendigen Eigenbedarf enthalten sind (sog. erhöhte Wohnkosten),[351] und der tatsächlich gezah...

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