Rz. 867

Nicht subsidiäre Sozialleistungen mindern die Bedürftigkeit oder schließen sie aus. Subsidiäre Sozialleistungen (siehe etwa § 2 SGB XII: Nachrang der Sozialhilfe) decken zwar den Unterhaltsbedarf, berühren aber den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch nicht. Dieser geht vielmehr (in der Regel) auf den Leistungsträger über (siehe § 94 SGB XII, § 7 UVG, § 37 BAföG für Leistungen im Form sog. Vorausdarlehen). Im Einzelnen:

(a) BAföG-Leistungen

 

Rz. 868

BAföG-Leistungen mindern die Bedürftigkeit eines volljährigen Studenten auch insoweit, als sie darlehensweise gewährt werden, wenn dem Studenten die Aufnahme eines solchen Kredits bei angemessener Berücksichtigung der Interessen des Studenten und seiner Eltern im Hinblick auf die außerordentlich günstigen Darlehensbedingungen zumutbar ist,[1213] nicht aber, wenn sie nur als sog. Vorausdarlehen (§§ 36, 37 BAföG) erbracht worden sind. Grundsätzlich besteht für das studierende Kind die unterhaltsrechtliche Obliegenheit für die zumutbare Inanspruchnahme eines BAföG-Darlehens, ansonsten sind ihm fiktive Einkünfte in Höhe des möglichen Darlehensanspruchs anzurechnen, welche die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit des Kindes mindern.[1214]

Einem volljährigen, nicht BAföG-berechtigten Studenten, der von seinen leistungsfähigen Eltern Unterhalt erhält, obliegt diesen gegenüber in der Regel nicht die Verpflichtung, ein sogenanntes Bildungsdarlehen aufzunehmen. Die Rechtsprechung hinsichtlich der Verpflichtung zur Aufnahme eines BAföG-Darlehens lässt sich auf ein sogenanntes Bildungsdarlehen nicht übertragen.[1215]

[1213] BGH FamRZ 1985, 916.
[1215] Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen FamRZ 2013, 1050.

(b) Berufsausbildungsbeihilfen

 

Rz. 869

Berufsausbildungsbeihilfen: Nach § 97 Abs. 1 SGB III können Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um die Erwerbstätigkeit der Behinderten entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre berufliche Eingliederung zu sichern. Das in diesem Rahmen gezahlte Ausbildungsgeld ist keine – gegenüber Unterhaltsansprüchen – subsidiäre Leistung, sondern mindert die Bedürftigkeit.[1216] Die Berufsausbildungsbeihilfe gem. §§ 59 ff. SGB III hat hingegen Lohnersatzfunktion und stellt nur dann eine subsidiäre Geldleistung dar, wenn sie als Vorauszahlung geleistet wird.[1217]

[1216] OLG München FamRZ 1992, 213 zu § 56 AFG.
[1217] OLG Oldenburg FamRZ 1989, 531 zu § 40 AFG.

(c) Grundsicherung

 

Rz. 870

Es entspricht in Anbetracht der Unterhaltsleistungen, die Eltern einem erwerbsunfähigen Kind gegenüber bis zu dessen Volljährigkeit erbringen, der allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme und Loyalität (Gegenseitigkeitsprinzip), wenn ein volljähriges Kind darauf verwiesen wird, vorrangig die Grundsicherung in Anspruch zu nehmen.[1218] Es muss sich daher die – etwa nach §§ 41 ff. SGB XII – möglichen Leistungen auch dann fiktiv auf seinen Bedarf anrechnen lassen, wenn diese Leistungen noch nicht beantragt sind.[1219]

[1219] OLG Hamm NJW 2004, 1604 m. Anm. Bissmaier, FamRB 2004, 179 zu §§ 1 ff. GSiG.

(d) Waisenrenten

 

Rz. 871

Nach dem Tode eines Elternteils richtet sich der Unterhaltsanspruch des Kindes in Höhe des vollen Bedarfs gegen den überlebenden Elternteil, so dass diesem auch die Minderung der Bedürftigkeit durch die Waisenrente in voller Höhe zugutekommt.[1220] Eine dem Kind nach dem Tode eines Stiefelternteils gewährte Waisenrente entlastet die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht im Verhältnis ihrer Haftungsanteile.[1221] Die für ein minderjähriges Kind gezahlte Halbwaisenrente ist auf seinen Barunterhaltsanspruch gegen den Elternteil, bei dem es lebt, nur zur Hälfte anzurechnen.[1222]

[1220] OLG Stuttgart FamRZ 2001, 1241.
[1221] BGH FamRZ 1980, 1109; OLG Hamm FamRZ 1980, 479.
[1222] BGH FamRZ 2009, 762 = FuR 2009, 409 im Anschluss an BGH FamRZ 1980, 1109, 1111.

(e) Wohngeld

 

Rz. 872

Wohngeld ist zunächst auf die Differenzzwischen den Mietkosten, die in dem pauschalierten notwendigen Eigenbedarf enthalten sind (sog. erhöhte Wohnkosten), und der tatsächlich gezahlten (angemessenen) Miete anzurechnen. Ein etwa noch verbleibender Teil mindert das Einkommen.[1223]

[1223] BGH FamRZ 1980, 771 = FuR 2003, 275.

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