Rz. 849

Einkünfte aus unzumutbarer (überobligatorischer) Erwerbstätigkeit bleiben nicht anrechnungsfrei, sondern sind nach Billigkeitsgesichtspunkten, entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1577 Abs. 2 entweder voll oder nur teilweise anzurechnen.[1186] Es ist zunächst nach allgemeinen Grundsätzen in einen unterhaltsrelevanten (anrechnungspflichtigen) und in einen nicht unterhaltsrelevanten (nicht anrechnungspflichtigen) Teil aufzuspalten. Wenn und soweit der Unterhaltsschuldner nicht den vollen Unterhalt leistet (§ 1577 Abs. 2 Satz 1), bleiben die Einkünfte anrechnungsfrei. Darüber hinaus werden sie nach der Differenz-/Additionsmethode angerechnet, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Billigkeit entspricht (§ 1577 Abs. 2 Satz 2).[1187]

 

Rz. 850

Grundsätzlich trifft – auch im Interesse der/des Unterhaltsschuldner/s – Schüler/Studenten neben dem Schulbesuch/Studium keine Erwerbsobliegenheit.[1188] Das gilt auch für die Zeit der Semesterferien, die neben der notwendigen Erholung der Wiederholung und Vertiefung des Stoffes dient, soweit sie nicht ohnehin durch studienbedingte Arbeiten (Hausarbeiten) bzw. Praktika ausgefüllt ist. Schulbesuch und Studium sind daher mit einer Vollerwerbstätigkeit vergleichbar, neben der dem Unterhaltsgläubiger nur in Ausnahmefällen Nebentätigkeiten obliegen. Einkünfte eines Schülers/Studenten aus einer (Neben-) Erwerbstätigkeit werden daher generell als Einkünfte aus unzumutbarer (überobligationsmäßiger) Tätigkeit angesehen.

 

Rz. 851

Selbst wenn sich die barunterhaltspflichtigen Eltern finanziell in besonders beengten Verhältnissen befinden, ist die Aufnahme einer Nebentätigkeit während der Ausbildung und/oder Ableistung von Ferienarbeit nur in seltenen Ausnahmefällen zumutbar, so z.B. wenn der Student zuhause, also bei dem anderen Elternteil wohnt und dadurch einen geringeren Lebenshaltungsaufwand hat.[1189]

 

Rz. 852

Erzielt der Unterhaltsgläubiger höhere Einkünfte (höher als ein großzügig bemessenes Taschengeld), dann entspricht es regelmäßig der Billigkeit, dass nach Abzug studienbedingter Mehraufwendungen (etwa erhöhte Wohnkosten über dem BAföG-Satz)[1190] zumindest eines nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden Teils des Einkommens auf den Bedarf angerechnet wird.[1191]

 

Rz. 853

Darüber hinaus sind Einkünfte aus Schüler-/Studentenarbeit (Nebentätigkeit, Ferienarbeit u.a.) auf den Unterhaltsanspruch entsprechend § 1577 Abs. 2 Satz 2 jedenfalls teilweise anzurechnen, wenn schutzwürdige Belange des Unterhaltsschuldners das rechtfertigen,[1192] wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Billigkeit entspricht.

 

Rz. 854

 

Praxistipp

Entgelt für Arbeit in einer Behindertenwerkstatt wird nicht bedarfsmindernd angerechnet. Es handelt sich dabei nicht um einen zur Deckung des Lebensbedarfs gezahlten Lohn, sondern dient als Anerkennung und als Versuch der Vorbereitung auf die Eingliederung in das Erwerbsleben.[1193]

[1186] BGH FamRZ 1995, 475; OLG Hamm FamRZ 1997, 231; OLG Köln FamRZ 1996, 1101; NJW-RR 1996, 707; OLG Hamm OLGR 2000, 176; OLG Karlsruhe OLGR 1999, 46; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1067.
[1187] BGH FamRZ 1987, 470; 1995, 475; OLG Köln FamRZ 1991, 856; OLG Koblenz FamRZ 1996, 382; BGH FamRZ 1983, 146 ff.; a.A. noch OLG Koblenz FamRZ 1989, 1219; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1067.
[1188] OLG Brandenburg NJW-RR 2011, 725.
[1190] BGH FamRZ 1995, 475.
[1191] BGH FamRZ 1983, 152; OLG Koblenz FamRZ 1989, 1219; OLG Köln FamRZ 1995, 55; OLG Hamm FamRZ 1997, 231; FamRZ 1997, 1497.
[1192] OLG Köln FamRZ 1996, 1101.
[1193] OLG Oldenburg FamRZ 1996, 625; OLG Hamm FamRZ 1999, 126.

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