Rz. 347

Nach § 839 Abs. 1 BGB hat ein Beamter, der einem Dritten gegenüber vorsätzlich oder fahrlässig die ihm obliegenden Amtspflichten verletzt, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

I. Anwendbarkeit

 

Rz. 348

Die Haftung wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB ist im Gegensatz zur Haftung aus den §§ 823 ff. BGB vorrangig und verdrängt daher deren Anwendbarkeit. Sie ist darüber hinaus weiter gehend, da sie sich nicht nur auf die durch § 823 BGB geschützten Rechtsgüter erstreckt, sondern darüber hinaus alle Vermögensschäden umfasst.

II. Verweisungsprivileg bei Beamten

 

Rz. 349

Nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB kann ein Beamter im Falle der fahrlässigen Schadensverursachung nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

 

Rz. 350

Bei einer Haftung nach § 839 BGB besteht damit eine subsidiäre Staatshaftung, die wegen Art. 34 GG aber nicht den handelnden Beamten selbst, sondern den Staat bzw. die Körperschaft trifft, in deren Auftrag der Beamte tätig war.

 

Rz. 351

Anstelle der bisher herrschenden Anstellungstheorie gilt heute die Anvertrauenstheorie. Danach haftet nicht die Körperschaft, bei welcher der Beamte angestellt ist, sondern diejenige, die den handelnden Beamten mit der von ihm konkret ausgeübten Tätigkeit beauftragt hat (BGH VersR 1970, 750; 1984, 488).

 

Rz. 352

 

Beachte

Bei allen Amtshaftungsfällen darf niemals der Fahrer (Beamte) klageweise in Anspruch genommen werden, da dieser wegen Art. 34 GG nicht passivlegitimiert ist.

 

Rz. 353

Das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB kann dem Staat oder der Körperschaft, für die der Beamte gehandelt hat, aber nur dann zugutekommen, wenn der Beamte in Ausführung einer hoheitlichen Tätigkeit gehandelt hat.

 

Rz. 354

 

Beispiel

Auch der Abschleppunternehmer, der von der Polizeibehörde durch privatrechtlichen Vertrag mit der Bergung und/oder dem Abschleppen eines Unfallfahrzeuges beauftragt wird, handelt bei Durchführung der polizeilich angeordneten Bergungsmaßnahme in Ausübung eines öffentlichen Amtes (BGH DAR 1993, 187).

 

Rz. 355

Neben der Haftung aus § 839 BGB kommt eine Haftung des Beamten als Fahrer nach § 18 StVG ebenfalls nicht in Betracht, da § 839 BGB eine vermutete Verschuldenshaftung nach § 18 StVG verdrängt (BGH DAR 1993, 188; VersR 1991, 925, 926), wohl aber kommt daneben eine Haftung der Körperschaft aus der Gefährdungshaftung des § 7 StVG in Betracht (BGH DAR 1993, 188).

 

Rz. 356

Ein Zivildienstleistender haftet dem Geschädigten nicht, da für ihn die Amtshaftung der Bundesrepublik nach Art. 34 GG eintritt (BGH VersR 1997, 967). Gleiches gilt für einen Notarzt in Bayern, wenn dort die Notfallversorgung hoheitlich organisiert ist (BGH DAR 2005, 83). Der Kfz-Haftpflichtversicherer des von einem Zivildienstleistenden geführten Sonderfahrzeugs, der als KH-Versicherer den Schaden der Geschädigten reguliert hat, erwirbt keinen Ausgleichsanspruch gegenüber dem nach Art. 34 GG eintrittspflichtigen Staat (BGH DAR 2001, 271).

III. Organe der Europäischen Gemeinschaft

 

Rz. 357

Eine vergleichbare Haftungsfreistellung, wie sie Art. 34 GG vorsieht, gilt auch für Bedienstete und Organe der Europäischen Gemeinschaft (Art. 215 Abs. 2 EWG Vertrag).

IV. Ausnahmen vom Verweisungsprivileg

 

Rz. 358

Das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB findet jedoch keine Anwendung, wenn ein Amtsträger bei der dienstlichen Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht (BGH VersR 1977, 541).

 

Rz. 359

Der BGH geht nämlich davon aus, dass sich für den allgemeinen Straßenverkehr ein eigenständiges Haftungssystem entwickelt hat, in dem der Grundsatz haftungsrechtlicher Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer gilt. In diesem Ordnungssystem gibt es daher keine Rechtfertigung für eine haftungsrechtliche Benachteiligung etwaiger Mitschädiger, die ansonsten bei Geltung des Verweisungsprivilegs den auf die öffentlichrechtliche Körperschaft entfallenden Haftungsanteil mittragen müssten.

 

Rz. 360

In gleicher Weise entfällt das Verweisungsprivileg auch dann, wenn ein Amtsträger durch Verletzung der ihm als hoheitliche Aufgabe obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht einen Verkehrsunfall schuldhaft verursacht (BGH VersR 1979, 1009) oder einen Schaden an einem Gebäude durch einen umstürzenden Baum verschuldet (BGH VersR 1994, 346).

V. Haftung von Sonderrechtsfahrzeugen

 

Rz. 361

Das Verweisungsprivileg greift jedoch ein, wenn der Amtsträger unter Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 Abs. 1 StVO schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht (BGH zfs 1983, 69).

 

Rz. 362

Praktisch bedeutsam ist die Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG insbesondere bei Verkehrsunfällen mit Fahrzeugen der Bundeswehr, der Bundespolizei, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, des Rettungsdienstes und Notarztdienstes sowie der Polizei, die sich im Einsatz befinden. Für Unfälle dieser Fahrzeuge wird regelmäßig nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gehaftet.

 

Rz. 363

Das gilt auch für Zivildienstleistende, die für eine private Beschäftigungsstelle (z.B. DRK) tätig sind und in Ausführung ihres Zivildienstes (beispielsweise als Krankenwagenfahrer) einen Verkehrsunfall verursachen (BGH VersR 1992, 1397 ff...

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