Rz. 127

Erbschaftsteuerlich gilt der Vorerbe als Vollerbe (§ 6 Abs. 1 ErbStG). Die Verfügungsbeschränkungen des Vorerben finden im Steuerrecht keine Berücksichtigung, auch nicht bei der Bewertung seines Erwerbs (siehe § 9 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BewG).

Der Erwerb von Todes wegen ist beim Vorerben gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG voll steuerpflichtig. Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers.

Der Vorerbe hat nach § 20 Abs. 4 ErbStG die Erbschaftsteuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten. Folglich wird die Steuer aus der Substanz der Erbschaft gezahlt. Sie ist damit die ausdrücklich geregelte außerordentliche Last gem. § 2126 BGB.[187] Wird die Erbschaftsteuer aus eigenen Mitteln des Vorerben bestritten, gilt § 2124 Abs. 2 S. 2 BGB, d.h. der Nacherbe ist dem Vorerben bei Eintritt des Nacherbfalls zum Ersatz verpflichtet.[188] Hat der Vorerbe die Steuerschuld bis zu seinem Tode nicht entrichtet, so geht sie als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) auf seine Erben über.[189] Die Erben erben aber nicht nur die Erbschaftsteuer, sondern auch den Ersatzanspruch ihres Vorgängers gegen den Nacherben.

Erlangt der Vorerbe die Stellung des Vollerben, so ist hierin kein zusätzlicher steuerpflichtiger Erwerb zu erkennen.

Ebenso wie sich die Verfügungsbeschränkungen des Vorerben nicht auswirken, wirkt sich auch der Nacherbfall auf den Erwerb des Vorerben nicht aus. Hierbei spielt es keine Rolle, ob er mit dem Tod des Vorerben (§ 6 Abs. 2 ErbStG) oder durch ein anderes Ereignis (§ 6 Abs. 3 ErbStG) eintritt. Der Vorerbe hat zwar auflösend bedingt erworben. Für den Fall des Eintritts des Endtermins oder der Bedingung bleibt es aber bei der Besteuerung des Vorerben. Im Fall des § 6 Abs. 3 ErbStG erfolgt bei der Besteuerung des Nacherben eine Anrechnung der vom Vorerben bezahlten Steuer, abzüglich der Steuer, die der Bereicherung des Vorerben entspricht. Im Fall des § 6 Abs. 2 ErbStG erfolgt keine Korrektur.[190]

[187] Grüneberg/Weidlich, § 2126 Rn 1; § 2100 Rn 3.
[188] Grüneberg/Weidlich, § 2124 Rn 4.
[189] Kapp/Ebeling, § 20 Rn 18.
[190] Grüneberg/Weidlich, § 2100 Rn 3.

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