Rz. 98

Auch wenn sich das Gesetz hierzu nicht explizit äußert, so ist die Veräußerlichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts heute gewohnheitsrechtlich anerkannt.[130] Folglich kann der Nacherbe bereits vor Eintritt des Nacherbfalls über seine Anwartschaft verfügen. Dies kann dazu führen, dass der Nacherbe seine Rechte aus der Nacherbschaft abtritt bzw. veräußert und der Nachlass möglicherweise auf diesem Wege an den früheren Ehegatten fällt.

 

Rz. 99

Die Übertragung des Anwartschaftsrechts des Mitnacherben ist gem. § 2033 BGB unproblematisch.[131] Aber auch die Übertragung des Anwartschaftsrechts des Alleinnacherben erfolgt in entsprechender Anwendung des § 2033 Abs. 1 BGB als Gesamtverfügung.[132] Zur Übertragung ist in entsprechender Anwendung des § 2033 BGB notarielle Beurkundung erforderlich. Zur Übertragung der Nacherbenanwartschaft bedarf der Nacherbe aber nicht der Mitwirkung des Ersatznacherben.[133] Sie wirkt ihm gegenüber aber auch nicht. Der schuldrechtliche Veräußerungsvertrag über das Anwartschaftsrechts des Nacherben richtet sich nach den §§ 2371 ff. BGB.

Etwas anderes kann auch nicht gelten, wenn die Erben des Vorerben als Nacherben eingesetzt werden. Die Nacherben sind unter der aufschiebenden Bedingung berufen, dass sie Erben des Vorerben werden. Somit erwerben die Erben des Vorerben mit dem ersten Erbfall ein Anwartschaftsrecht aus einer aufschiebend bedingten Nacherbenberufung. Auch ein solches Anwartschaftsrecht ist übertragbar.[134] Auch § 2108 Abs. 2 S. 2 BGB steht der Übertragbarkeit eines Anwartschaftsrechts aus einer aufschiebend bedingten Nacherbeneinsetzung nicht entgegen. § 2108 Abs. 2 BGB betrifft ausschließlich die Frage der Vererblichkeit der Erbenstellung und nicht die Frage der lebzeitigen Übertragung.

Das OLG Schleswig-Holstein hat klargestellt, dass der Nacherbe über sein Anwartschaftsrecht nach Eintritt des Erbfalls und vor Eintritt des Nacherbfalls zwar im Grundsatz frei verfügen kann. Die Übertragung des Anwartschaftsrechts auf den Vorerben oder einen Dritten lässt aber das Recht des eingesetzten Ersatznacherben im Grundsatz unberührt.[135] Der Erblasser kann aber bestimmen, dass die angeordnete Ersatznacherbfolge unter der auflösenden Bedingung der Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts durch den Nacherben auf den Vorerben bzw. auf einen Dritten stehen soll.

Trotz Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts ist im Erbschein nicht der Erwerber, sondern der Nacherbe als Erbe auszuweisen.[136]

[130] RGZ 101, 185, 191; 170, 163, 168; 139, 347; KG JW 1937, 1553; BGHZ 27, 319, 326; BGHZ 87, 367, 369; BayObLG NJW 1970, 1795.
[131] MüKo/Gergen, § 2033 Rn 6 (m.w.N.).
[132] Staudinger/Werner, 2033 Rn 11.
[133] RGZ 145, 316; OLG Köln NJW 1955, 633.
[134] RGZ 170, 163, 168; Grüneberg/Weidlich, § 2100 Rn 7.
[136] OLG Düsseldorf OLGZ 991, 134.

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