Rz. 16

Wie bereits ausgeführt, können Notfristen weder verlängert noch verkürzt werden. Die sonstigen gesetzlichen und richterlichen Fristen können gem. § 224 Abs. 1 ZPO durch Parteivereinbarung gekürzt werden. Auf Antrag können richterliche Fristen vom Gericht verlängert oder verkürzt werden, sofern dem Gericht erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden. Gesetzliche Fristen können nur, wenn dies gesetzlich besonders bestimmt ist, vom Gericht auf Antrag geändert werden, so bspw. in den Fällen gem. § 520 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO (Berufungsbegründungsfrist), § 551 Abs. 2 S. 5 ZPO (Revisionsbegründungsfrist), § 226 Abs. 1 ZPO (Abkürzung von Zwischenfristen), § 340 Abs. 3 S. 2 ZPO (Verlängerung) oder § 134 Abs. 2 S. 2 ZPO (Abkürzung oder Verlängerung). Sofern ein Fristverlängerungsgesuch noch vor Fristablauf eingegangen ist, kann nach Auffassung des BGH hierüber auch noch nach Fristablauf positiv entschieden werden. Zum Thema Fristverlängerung gibt es unzählige BGH-Entscheidungen (BGH = Bundesgerichtshof; oberstes Zivilgericht in Deutschland), auf die hier – um nicht den Rahmen dieses Werks zu sprengen – im Einzelnen nicht eingegangen werden kann. Viele Punkte entscheidet der BGH in Nuancen einzelfallbezogen immer wieder aufs Neue. Hier angegebene Rechtsprechung erfolgt nur beispielhaft ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Aktualität, da monatlich neue Entscheidungen ergehen. Anhand der hier angegebenen Aktenzeichen können Leser die Entscheidungen im Internet kostenfrei oder in Rechtsprechungsdatenbanken finden.

 

Rz. 17

Über einen Antrag auf Fristverlängerung kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 225 Abs. 1 ZPO). Eine Abkürzung oder wiederholte Verlängerung darf nur nach Anhörung des Gegners bewilligt werden (§ 222 Abs. 2 ZPO). Zu beachten ist darüber hinaus, dass in der ZPO weitere Sonderregelungen für Fristverlängerungen bei bestimmten Prozesshandlungen vorgesehen sind, so kann beispielsweise eine Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann eine Berufungsbegründungsfrist um bis zu einen Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt (§ 520 Abs. 2 S. 3 ZPO).

 

Rz. 18

Lehnt das Gericht eine Fristverlängerung ab, ist eine Anfechtung des Beschlusses, mit dem der Antrag auf Fristverlängerung zurückgewiesen wird, nicht möglich (§ 225 Abs. 3 ZPO).

 

Rz. 19

Im Fristverlängerungsantrag sind die erheblichen Gründe für das Fristverlängerungsgesuch darzulegen. Beim ersten Antrag auf Fristverlängerung einer Berufungsbegründungsfrist reicht es allerdings aus, wenn ein Rechtsanwalt z.B. auf Arbeitsüberlastung hinweist[2] – näher darlegen, worin die Arbeitsüberlastung besteht, muss er nicht. Sofern ein Rechtsanwalt seit mehreren Tagen krank ist und absehen kann, dass er krankheitsbedingt auch am Tag des Ablaufs einer Rechtsmittelbegründungsfrist nicht in der Lage sein wird, die Begründung bei Gericht einzureichen, hat er Vorkehrungen zu treffen, damit zumindest rechtzeitig ein Fristverlängerungsantrag bei Gericht gestellt wird. Mit dem Antrag auf Fristverlängerung ist sofort auch das hypothetische neue Fristende zu notieren und bei der bisherigen Frist im Kalender der Verlängerungsantrag mit Datum zu notieren.[3] Man darf die ursprüngliche Frist erst streichen, wenn die schriftliche Information des Gerichts die Kanzlei über die gewährte Fristverlängerung erreicht. Sie darf noch nicht gestrichen werden, wenn nur ein telefonischer Hinweis der Geschäftsstelle erfolgt ist.[4] Bei einem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist darf ein Rechtsanwalt, wenn sein Antrag korrekt und rechtzeitig gestellt ist, grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihm eine erste Fristverlängerung gewährt wird.[5] Beim zweiten Fristverlängerungsantrag (Berufungsbegründungsfrist) ist die vorherige Einwilligung des Gegners zwingend. In arbeitsgerichtlichen Verfahren ist eine Verlängerung nur einmal möglich und kann auch mit Einwilligung des Gegners nicht ein zweites Mal erreicht werden. Vgl. dazu § 66 Abs. 1 S. 4 ArbGG.

 

Rz. 20

Ist das Verlängerungsgesuch erst nach Fristablauf eingegangen, kommt eine Fristverlängerung nicht mehr in Betracht.[6] Die Frist gilt als versäumt.

 

Rz. 21

Nach § 224 Abs. 3 ZPO wird im Falle der Verlängerung die neue Frist von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet, wenn nicht im einzelnen Fall etwas anderes bestimmt ist.[7]

[2] BGH v. 26.1.2017 – IX ZB 34/16.
[3] BGH v. 28.5.2013 – VI ZB 6/13 u. BGH v. 4.9.2018 – VIII ZB 70/17.
[4] BGH v. 27.1. 2011 – VII ZB 44/09.
[5] BGH v. 26.1.2017 – IX ZB 34/16.
[6] BGH v. 22.7.2015 – XII ZB 583/14.
[7] BGH v. 10.3.2009 – VII ZB 87/08.

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