Rz. 54

Eine Vergütungsvereinbarung ist nach den Umständen des Zustandekommens in den Fällen nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, in denen der Rechtsanwalt eine Zwangslage für den Mandanten geschaffen oder ausgenutzt hat.[91] Als Zwangslage kann die Verhaftung des Mandanten an das Mandat angesehen werden.[92] Eine solche Verhaftung kann vorliegen, wenn die Vergütungsvereinbarung unter der Androhung zustande kommt, dass der Rechtsanwalt bei fehlender Unterzeichnung das Mandat niederlegt und das Gericht im Verfahren diese Mandatsniederlegung zulasten des Mandanten wertet.[93]

Von der Androhung muss die Privatautonomie des Rechtsanwalts abgegrenzt werden, wonach es ihm frei steht, ob er ein Mandat bei fehlender Unterzeichnung einer Vergütungsvereinbarung annimmt oder später niederlegt, soweit für den Mandanten dadurch keine Zwangslage entsteht.[94] Im Einzelfall kann sich für den Mandanten aber ein Anfechtungsrecht wegen einer widerrechtlichen Drohung nach § 123 Abs. 1 BGB und ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluss ergeben.[95]

 

Rz. 55

Die Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung führt nicht zur Nichtigkeit des gesamten Anwaltsvertrags. Die Nichtigkeit beschränkt sich nur auf die Vergütungsvereinbarung, wodurch dem Rechtsanwalt über den § 612 Abs. 2 BGB anstatt der vereinbarten Vergütung zumindest noch die gesetzlichen Gebühren zustehen.[96] Diesem Anspruch kann aber der Einwand von Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegenstehen mit der Folge, dass der Rechtsanwalt bloß seine Aufwendungen nach §§ 675, 667 BGB ersetzt verlangen kann.[97]

Zitat

"Der Kläger verstößt in dieser Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn er unter Berufung auf das anwaltliche Gebührenrecht nachträglich Gebühren geltend macht, auf die er ursprünglich unter Verstoß gegen eben dieses Gebührenrecht verzichtet hat. Bei dem Abschluss der Anwaltsverträge und der damit verbundenen Vereinbarungen war es allein Sache des Klägers, auf die Einhaltung des anwaltlichen Gebühren- und Standesrechts zu achten. (…). Die Nichtigkeit der Gebührenabrede berührt nicht die Verpflichtung des Klägers, alles, was er aus der Geschäftsbesorgung für den Beklagten erlangt hat, an diesen nach §§ 675, 667 BGB herauszugeben."[98]

[91] BeckOk/v. Seltmann, § 3a RVG Rn 14.
[92] Mayer/Kroiß/Winkler/Teubel, § 3a RVG Rn 60.
[93] LG Karlsruhe MDR 1991, 548.
[94] Vgl. BGH NJW 2002, 2274, 2275.
[95] Vgl. BGH NJW 2002, 2274, 2275.
[96] Schneider/Volpert/N. Schneider, § 3a RVG Rn 101.
[97] Vgl. BGH NJW 1980, 2407, 2408.
[98] BGH NJW 1980, 2407, 2408.

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