Rz. 59

Auf eine Stelle in Nr. 1008 VV RVG wurde bisher noch nicht eingegangen, nämlich auf Abs. 2 der Anmerkung zu dieser Nummer. Diese Stelle lautet: "Die Erhöhung wird nach dem Betrag berechnet, an dem die Personen gemeinschaftlich beteiligt sind". Es kann also vorkommen, dass die Auftraggeber zwar einen gemeinschaftlichen Auftrag erteilt haben, aber innerhalb der Angelegenheit nicht gleichmäßig an dem Gegenstand oder den verschiedenen Gegenständen beteiligt sind. Oder anders ausgedrückt, die Auftraggeber haben einen gemeinsamen Gegenstand und dann noch jeder einen eigenen, dies aber innerhalb eines Auftrages.

Dieselbe Angelegenheit liegt dann vor, wenn mehrere Mandanten einen einheitlichen Auftrag erteilen und den gleichen Erfolg wollen. Wenn die Auftraggeber nur teilweise ein gemeinsames Ziel verfolgen, wird die Erhöhung nur nach dem Wert berechnet, an dem die Auftraggeber gemeinsam beteiligt sind. Leider ist in Nr. 1008 VV RVG nicht geregelt, wie dies zu berechnen ist.

 

Rz. 60

In der Praxis und auch in der Rechtsprechung vieler Gerichte wird auch hier die Berechnung oft so vorgenommen, dass neben einer "Grundgebühr" eine "Erhöhungsgebühr" berechnet wird. Dagegen sprechen die oben angeführten Argumente; auch führt dies häufig nur zu unnötigen Verwirrungen (siehe hierzu vorstehend Rdn 57).

 

Rz. 61

Auch in den Fällen der unterschiedlichen Beteiligung der Auftraggeber an dem Gegenstand wollen wir immer eine einheitliche erhöhte Betriebsgebühr für den Gegenstand oder Teil des Gegenstandes berechnen, an dem die Auftraggeber innerhalb der Angelegenheit gemeinsam beteiligt sind. Für den Gegenstandswert, der nur einen der Auftraggeber betrifft, berechnen wir dann für diesen noch eine zusätzliche nicht erhöhte Betriebsgebühr. Dazu erweitern wir unser obiges 5-Schritte-Schema (vgl. Rdn 51 ff.) zu einem 8-Schritte-Schema:

(1) Feststellung der Ausgangsgebühr und des Gebührensatzes.
(2) Ermittlung der Zahl der weiteren Auftraggeber, die an dem gemeinsamen Gegenstand beteiligt sind.
(3) Berechnung des Erhöhungssatzes, indem die Anzahl der weiteren Auftraggeber mit 0,3 multipliziert werden.
(4) Prüfung, ob der berechnete Erhöhungssatz nicht 2,0 übersteigt.
(5) Berechnung des Satzes der erhöhten Betriebsgebühr (Satz der Ausgangsgebühr + berechneter Erhöhungssatz.
(6) Feststellung des Wertteiles, an dem die Auftraggeber gemeinsam beteiligt sind
(7) und des Wertteiles, der nur einen Auftraggeber betrifft.
(8)

Da wir Gebühren von Wertteilen berechnen, ist § 15 Abs. 3 RVG entsprechend anzuwenden. Wir dürfen also für die erhöhte und die nicht erhöhte Betriebsgebühr zusammen höchstens eine Gebühr nach der Wertesumme und dem höchsten angewandten Gebührensatz berechnen!

Deshalb berechnen wir die Gebühren für die Wertteile nach den für diese in Betracht kommenden unterschiedlichen Gebührensätzen und vergleichen dann die Summe der Teilgebühren mit der einheitlichen Betriebsgebühr, die sich bei dem höchsten verwendeten Gebührensatz nach der Wertesumme ergibt. Die Summe der Teilgebühren müssen wir dann auf den Betrag dieser einheitlichen Betriebsgebühr kürzen, wenn der letztere niedriger ist (siehe hierzu Rdn 135 f.).

 

Beispiel:

Ein RA soll in einem Prozess für zwei Auftraggeber gemeinsam 1.000,00 EUR einklagen und für einen der beiden Auftraggeber noch zusätzlich 19.000,00 EUR gegen denselben Gegner. In dem Verfahren wird streitig verhandelt und ein Gutachten erstattet.

Es werden zunächst Vorüberlegungen in acht Schritten angestellt:

(1) Die Ausgangsgebühr ist in diesem Fall eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG.
(2) Die Anzahl der am gemeinsamen Gegenstand beteiligten weiteren Auftraggeber beträgt 2 – 1 = 1.
(3) Für den einen weiteren Auftraggeber wird die Erhöhung berechnet (1 x 0,3 = 0,3).
(4) Die berechnete Erhöhung ist nicht auf 2,0 zu kürzen, da sie nicht mehr als 2,0 beträgt.
(5) Sodann wird die einheitliche erhöhte Verfahrensgebühr errechnet (1,3 + 0,3 = 1,6).
(6) Die beiden Auftraggeber sind gemeinsam an den 1.000,00 EUR beteiligt.
(7) Die 19.000,00 EUR betreffen nur einen Auftraggeber.
(8) Prüfung gemäß § 15 Abs. 3 RVG.

Die Terminsgebühr wird natürlich nicht erhöht, da sie keine Betriebsgebühr ist.

Gegenstandswert: 1.000,00 EUR / 19.000,00 EUR

 
1,6

erhöhte Verfahrensgebühr (Wert: 1.000,00 EUR)

gem. §§ 2, 13, 7 RVG, Nrn. 3100, 1008 Anm. Abs. 1, Abs. 2 VV RVG
140,80 EUR  
  (Anm.: einschließlich Erhöhung für 1 weiteren Auftraggeber: 1 x 0,3 = 0,3)    
1,3

Verfahrensgebühr (Wert: 19.000,00 EUR)

gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG
1.001,00 EUR  
    1.141,80 EUR  
  Gemäß § 15 Abs. 3 RVG darf höchstens eine 1,6 Verfahrensgebühr nach der Wertesumme von 20.000,00 EUR berechnet werden, das wären 1.315,20 EUR. Da diese Gebühr nicht überschritten wird, sind die Verfahrensgebühren getrennt zu berechnen:   1.141,80 EUR
1,2

Terminsgebühr (Wert: 20.000,00 EUR)

gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG
  986,40 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
  20,00 EUR
      2.148,20 EUR
19 % USt. ...

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