Rz. 336

Die Einigungsgebühr wurde mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht gleichermaßen einer umfassenden Neuregelung unterzogen. Neben den Änderungen beim Gegenstandswert nach § 31b RVG ist seit dem 1.10.2021 nicht mehr danach zu unterscheiden, ob eine einfache oder eine qualifizierte Ratenzahlungsvereinbarung und in welchem Einziehungsstadium – außergerichtlich oder gerichtlich – diese geschlossen wurde, sondern nur noch

ob die Forderung im Streit stand – dann Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG – oder
ob eine Einigung nur über das "wie" des Forderungsausgleiches erreicht wurde, was zur mehr als halbierten Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 2 VV RVG führt.
 

Rz. 337

Die Einigung stellt sich grundsätzlich als Vertrag dar, der in seinem Kern durch das gegenseitige Nachgeben gekennzeichnet ist. Das Nachgeben des Gläubigers liegt in dem Einverständnis einer geringeren oder zeitlich gestaffelten Zahlung, obwohl der Anspruch unmittelbar zu erfüllen wäre. Zugleich verzichtet er auf weitergehende Maßnahmen der Titulierung und/oder Zwangsvollstreckung. Seinem Nachgeben liegt dabei weniger eine materiell-rechtliche Wirkung entgegen als ein verfahrensrechtlicher Verzicht. Der Gläubiger schiebt also nicht die Fälligkeit auf, sondern sein weiteres eskalierendes Handeln, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird.

Die Einigung unterliegt grundsätzlich keinem Formzwang und kann deshalb mündlich, elektronisch oder schriftlich gestellt werden.

 

Hinweis

Soweit die Einigungsgebühr in gerichtlichen Verfahren geltend gemacht wird, etwa im Mahnverfahren, ist es deshalb verfehlt, wenn zu deren Nachweis eine Urkunde verlangt wird. Nach § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO genügt es, wenn der Kostenansatz glaubhaft gemacht wird. Es genügt also eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO, wobei die Vorlage einer Urkunde nur eine der Möglichkeiten der Glaubhaftmachung ist. Es genügt auch die Versicherung an Eides statt (§ 294 Abs. 1 ZPO).

Allerdings kann sich aus den Einzelregelungen innerhalb der Einigung ein Formerfordernis ergeben. Wird etwa ein abstraktes Schuldanerkenntnis aufgenommen, so unterliegt dieses nach §§ 780, 781 BGB dem Schriftformerfordernis. Enthält die Einigung die Abtretung von Arbeitseinkommen und/oder Kontoguthaben, um im Falle der Nichterfüllung die Titulierung und Vollstreckung und die damit verbundenen Kosten zu ersparen, unterliegt zwar die Abtretung keinem Formzwang. Gleichwohl bedarf es regelmäßig der Schriftform, um den Nachweis der Abtretung gegenüber dem Drittschuldner führen zu können. Gleiches gilt bei der Entbindung Dritter von der Schweigepflicht zur Informationsbeschaffung des Gläubigers. Tatsächlich einem Schriftformerfordernis unterliegt dabei die kombinierte Abtretung von Steuererstattungsansprüchen nach § 46 AO.

 

Rz. 338

Die Einigungsgebühr entsteht vorgerichtlich einerseits, wenn der Rechtsdienstleister an einer Vereinbarung mitwirkt, durch die der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird oder die Erfüllung des Anspruchs bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung geregelt wird (Zahlungsvereinbarung). Dass zwischen dem Gläubiger und Schuldner ein rechtsgeschäftliches, deliktisches oder gesetzlichen Rechtsverhältnis besteht ist im Kontext der Einziehung fremder Forderungen ohne jede Problematik. Der Streit oder die Ungewissheit wird beendet, wenn der geltend gemachte Anspruch streitig ist[666] und hierüber eine Einigung gelingt. Es geht also bei Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG seit dem 1.10.2021 um das "ob" des Anspruchs. Es fällt dann vor- und außergerichtlich eine 1,5-Einigungsgebühr an. Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens reduziert sich die Gebühr nach Nr. 1003 VV RVG wie bisher auf eine 1,0-Einigungsgebühr.

 

Rz. 339

Ist die Forderung streitig, wird aber als Ergebnis der rechtlichen Auseinandersetzung von dem Schuldner der Hauptanspruch vollständig anerkannt oder verzichtet der Gläubiger vollständig auf diese, so ordnet Anm. Abs. 1 zu Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG an, dass die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG nicht entsteht. Das Anerkenntnis bzw. der Verzicht muss sich explizit auf den Hauptanspruch beziehen, und zugleich aber auch ein vollständiges Anerkenntnis umfassen.[667] Der Schuldner muss also in der Hauptsache den vollen Hauptanspruch anerkennen, so dass er in Folge des Anerkenntnisses auch die darauf bezogenen Kosten zu tragen hat.

 

Hinweis

Die Regelung ist mithin nicht einschlägig, wenn bei einer Hauptforderung von 1.000 EUR und von Rechtsverfolgungskosten von 300 EUR vereinbart wird, dass der Schuldner 1.000 EUR zahlt. In einem solchen Fall liegt kein Anerkenntnis, sondern ein Abfindungsvergleich vor, weil der Schuldner die Hauptforderung letztlich nicht vollständig anerkennt – dann müsste er auch die Kosten tragen – sondern nur anteilig. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Parteien völlig offenlassen, worauf die 1.000 EUR gezahlt werden oder ob diese explizit auf die Hauptforderung gezahlt werden, da es sich...

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