Rz. 35

Im Rahmen der Wohlverhaltensklausel ist der betreuende Elternteil verpflichtet, auf das Kind, vor allem wenn es noch jünger ist, dahingehend einzuwirken, dass der persönliche Umgang nicht als belastend empfunden wird. Hierzu kann etwa gehören, dass die Übergabe des Kindes so ausgestaltet wird, dass das Kind den Eindruck gewinnt, der übergebende Elternteil wünsche selbst die Kontakte.[105] Völlig deplaziert sind an dieser Stelle spannungsgeladene Diskussionen über Angelegenheiten des Kindes oder sogar offene Streitigkeiten. Um dem Kind Loyalitätskonflikte zu ersparen, genügt es nicht nur, die Umgangskontakte zuzulassen. Sie sind vielmehr aktiv zu fördern.[106] Hierzu gehört nicht nur, dass bei Abholung des Kindes die Tür geöffnet wird, sondern – bei weiter Entfernung – auch die Verbringung des Kindes zum Flughafen.[107] Gerade bei jüngeren Kindern dürfte eine solche Unterstützung einfach zu leisten sein. Kann der betreuende Elternteil diese Vorgaben nicht erfüllen, weil er möglicherweise noch zu sehr in der Auseinandersetzung auf der Paarebene verhaftet ist, so kann von ihm die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfsmaßnahmen erwartet werden,[108] zu denen er freilich nicht gerichtlich verpflichtet werden kann (siehe § 1 Rdn 206).

 

Rz. 36

Die Wohlverhaltenspflicht wird durch negative Beeinflussungen des Kindes gegen den Umgangsberechtigten verletzt, sei es in direkter oder auch in mittelbarer Form, etwa unter Hinweis darauf, dass sich das Kind selbst gegen die Kontakte ausgesprochen haben soll. Soweit es um die Herstellung der Umgangskontakte geht, sind diese aktiv zu fördern. Im Gegenzug besteht die Verpflichtung des Umgangsberechtigten, das Kind nicht gegen den anderen Elternteil einzunehmen, dessen Erziehungsmaßnahmen zu unterlaufen oder sogar seine Erziehungsautorität infrage zu stellen.[109]

 

Rz. 37

Werden die sich aus der Wohlverhaltensklausel ergebenden Obliegenheiten missachtet, so muss dem durch geeignete gerichtliche Maßnahmen entgegengewirkt werden. Bevor gerichtliche Anordnungen gegen den betreuenden Elternteil ergehen, der Gründe gegen den Umgang vorbringt, sollte der Richter versuchen, dessen Blick im Rahmen der Vergleichsbemühungen zu weiten. Ihm sollte etwa verdeutlicht werden, dass ein nach dem Umgangskontakt aufgetretener Hautausschlag des Kindes nicht zwingend für eine mangelnde Hygiene im Haushalt des anderen Elternteils spricht, sondern möglicherweise eine Reaktion des Kindes auf eine schwere Konfliktsituation sein kann, die es dadurch erlebt, mit welcher Einstellung der betreuende Elternteil seine Rückkehr aus dem Haushalt des anderen Elternteils begleitet.[110] Nichts anderes gilt beim – praktisch häufig eingewandten – Einnässen kleinerer Kinder.

[105] OLG Brandenburg FamRZ 1996, 1092.
[106] BGH FF 2012, 67; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 242; OLG Köln FamRZ 1998, 961.
[107] BVerfG FamRZ 2002, 809; OLG Dresden FamRZ 2005, 927.
[108] OLG Hamm FamRZ 1994, 57.
[109] OLG Hamm FamRZ 1993, 1233.
[110] KG FamRZ 1989, 656.

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