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Ob eine Entziehung der Fahrerlaubnis in einem Strafverfahren gegen den Fahrerlaubnisinhaber i.S.d. §3 Abs. 3 StVG "in Betracht kommt", muss die Fahrerlaubnisbehörde grundsätzlich als Prognose beurteilen; maßgeblicher Zeitpunkt ist die Einleitung des Strafverfahrens.[42] Gewichtiges Indiz ist dabei natürlich die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach §111a StPO.[43]

 

Beispiel nach VG Köln v. 7.2.2014 – 11 K 7348/13

Der Kläger wurde als Beifahrer mit etwa 100 g Kokain bei der Einreise von Belgien nach Deutschland festgehalten; eine Durchsuchung seiner Wohnung brachte eine Konsumeinheit Kokain und eine Feinwaage zutage.

Das Strafverfahren wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln war noch anhängig; wegen der besonderen Umstände war nicht damit zu rechnen, dass die Fahrerlaubnis des Klägers nach §69 StGB entzogen wird. Dennoch forderte die Behörde den Kläger zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens in Form einer chemisch-toxikologischen Untersuchung des Urins über den möglichen Konsum von Kokain oder anderer Betäubungsmittel i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes (Drogenscreening) nach §14 Abs. 1 S. 2 FeV auf.

Die Behörde war auch mit Blick auf §3 Abs. 3 StVG berechtigt, eine vorbereitende Aufklärungsmaßnahme anzuordnen. Ein Berücksichtigungsverbot nach §3 Abs. 3 StVG würde zwar auch vorbereitende Aufklärungsmaßnahmen ausschließen,[44] allerdings besteht das Berücksichtigungsverbot des §3 Abs. 3 StVG hier nicht. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des BGH zu der an besonders enge Voraussetzungen geknüpften Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem Beifahrer.[45]

 

Hinweis

Da das Fahrverbot keine erzieherische Nebenfolge wie die Entziehung der Fahrerlaubnis nach §69 StGB darstellt, sind eine Entziehung und die Dauer der Sperrfrist daher ausschließlich von der Ungeeignetheitsbeurteilung und der Eignungsprognose abhängig. Die Schwere der Tat oder der Schuld spielen keine Rolle. Vom Täter müssen weitere Verletzungen der Pflichten als Kraftfahrer zu erwarten sein.[46]

[42] VG Osnabrück, Beschl. v. 27.11.2006, Blutalkohol 2007, 400.
[43] Fromm/Schmidt, Die Beschränkung der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit nach §Abs. 3 S. 1 StVG – Der Vorrang des Strafverfahrens bei der Fahrerlaubnisentziehung, NVwZ 2007, 217 ff., 218.
[44] Vgl. VGH Mannheim v. 19.8.2013 – 10 S 1266/13, Blutalkohol 50 (2013), S. 316.

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