Rz. 423

 

Rz. 424

OLG Karlsruhe[400]

Fühlt sich der Vorausfahrende (1), der auf einer autobahnähnlich ausgebauten Straße mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h unterwegs ist, von dem nachfahrenden Kfz (2) bedrängt, weil dieses auf 4 m auffährt, haftet der Auffahrende zu 80 %. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Fahrer (1) zur Warnung des Hintermanns (2) die Bremse kurz angetippt hatte und der Nachfahrende (2) wegen eines nicht erforderlichen scharfen Abbremsens ins Schleudern gerät und auf den vorausfahrenden Wagen (1) auffährt. Das Verhalten des drängelnden Hintermanns (2), der unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit den Vordermann entweder zur Seite drängt oder rechts überholen will, wiegt bei der Abwägung der Verursachung beträchtlich schwerer. Ein Mitverschulden des Vordermanns (1) liegt nicht vor, da er das in dieser Situation einzige Mittel des Aufleuchten lassens der Bremslichter gewählt hatte. Die Folgen der nicht gebotenen scharfen Bremsung gehen zu Lasten des rücksichtslosen Dränglers.

 

Rz. 425

BGH[401]

Auf der Autobahn muss das nachfolgende Fahrzeug (2) zum vorausfahrenden Kfz (1) gem. § 4 Abs. 1 S. 2 StVO einen so großen Sicherheitsabstand haben, dass es auch dann hinter dem Kfz (1) angehalten werden kann, wenn dieses plötzlich abgebremst wird. Mit einem "ruckartigen" Stehen bleiben muss allerdings nicht gerechnet werden. Vielmehr kann der Fahrer (2) den vollen Weg einer Notbremsung des Vorausfahrenden (1) bei der Bemessung des Sicherheitsabstands mit einkalkulieren, wenn keine besonderen Umstände dem entgegenstehen. Der nachfahrende Kraftfahrer (2) ist gem. § 4 Abs. 1 S. 1 StVO nicht verpflichtet, generell den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug so zu wählen, dass er rechtzeitig vor einem zunächst vom Vorausfahrenden (1) verdeckten Hindernis anhalten kann, wenn dieser – ohne zu bremsen – unmittelbar vor dem Hindernis die Fahrspur wechselt.

 

Rz. 426

KG[402]

Fährt ein Pkw-Fahrer bei Grünlicht von der Haltelinie aus als erster in die freie Kreuzung ein und bremst dann ohne von außen ersichtlichen Grund plötzlich das Fahrzeug bis zum Stillstand ab, so dass ein nachfolgender Omnibus nicht mehr reagieren kann und auffährt, haftet er zu 100 %.

 

Rz. 427

KG[403]

Bremst ein Autofahrer auf einer Kreuzung ohne ersichtlichen Grund vollständig ab, haftet er zu 100 % für einen Unfallschaden. Der vor der Ampel stehende Fahrzeugführer hatte sich in einen Stadtplan vertieft. Als es grün wurde, hupte der dahinter stehende Fahrzeugführer. Der Vorausfahrende fuhr laut gestikulierend an. Der dahinter befindliche Fahrer hupte erneut. Der Vorausfahrende bremste daraufhin erneut scharf ab. Es ist anerkannt, dass im Großstadtverkehr bei dem Anfahren an einer Ampel die in zweiter Position befindlichen Fahrzeugführer Geschwindigkeit und Abstand nicht sofort so einrichten, dass sie jederzeit wegen eines verkehrsbedingten Bremsens des Vordermanns anhalten können.

 

Rz. 428

KG[404]

Kommt es zu einem Unfall, weil zum einen der Vorausfahrende ohne zwingenden Grund stark abbremst und zum anderen der Auffahrende unachtsam war bzw. nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten hatte, haftet der Auffahrende grundsätzlich zu ⅔. Hatte allerdings der Vorausfahrende aus Versehen die Bremse bei einem Automatikfahrzeug getreten und war deshalb ca. 75–100 m vor der Ampel plötzlich zum Stehen gekommen, haftet er zu 50 %.

 

Rz. 429

KG[405]

Treffen starkes Bremsen ohne zwingenden Grund des vorausfahrenden Kfz (1) einerseits und unzureichender Sicherheitsabstand des nachfahrenden Pkw (2) andererseits zusammen, so fällt der zu geringe Abstand des Kfz (2) bei der Abwägung der Verschuldens- und Verursachungsbeiträge doppelt so schwer ins Gewicht. Ein unter § 4 Abs. 1 S. 2 StVO fallendes starkes Abbremsen liegt auch dann vor, wenn der Vorausfahrende (1) die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs durch plötzliches Abbremsen so stark herabsetzt, dass der Bremsvorgang deutlich über das Maß eines normalen Bremsvorgangs hinausgeht. Die Absicht abzubiegen, ist ebenso wenig ein "zwingender Grund" wie eine plötzlich erkannte Parklücke oder ein zu spät erkannter Taxi-Fahrgast. Dennoch haftet der Auffahrende (2) zu ⅔ für den Schaden.

 

Rz. 430

OLG Hamm[406]

Bremst ein Fahrzeugführer vor einer grün zeigenden Ampel vorsätzlich sein Fahrzeug unvermittelt ab und kommt es dadurch zu einem Auffahrunfall, haftet der Auffahrende nicht. Durch sein Verhalten willigt der Vorausfahrende in die Beschädigung seines Fahrzeugs ein. Es fehlt daher an der Rechtswidrigkeit der Schadensverursachung.

 

Rz. 431

OLG Düsseldorf[407]

Bei einem typischen Auffahrunfall spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende entweder durch einen ungenügenden Sicherheitsabstand, durch unangepasste Geschwindigkeit und/oder durch allgemeine Unaufmerksamkeit den Unfall schuldhaft verursacht hat. Der Hinweis auf ein Ausweichmanöver genügt zur Darlegung eines atypischen Geschehensablaufs deshalb nicht, weil es selbst – erst recht in Kombination mit einer Bremsung – Gefahr e...

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