Rz. 126

Dabei wird nach § 650c Abs. 2 S. 2 BGB ergänzend – wenngleich widerleglich[231] (der Besteller kann die Vermutung nach § 292 ZPO widerlegen) – vermutet (gesetzliche Vermutung), dass die auf der Basis der Urkalkulation (enthaltene oder) fortgeschriebene Vergütung (Preis- und Kostensätze) der Vergütung (d.h. den tatsächlich erforderlichen Kosten) nach § 650c Abs. 1 BGB entspricht "und hinsichtlich der Zuschläge weiterhin angemessen" ist.[232]

 

Rz. 127

"Hinsichtlich eines Zuschlags für allgemeine Geschäftskosten wird mithin vermutet, dass er weiterhin zutreffend ist":[233] Haben sich die allgemeinen Geschäftskosten jedoch erhöht, kann der Unternehmer die Berechnungsmethode nach § 650c Abs. 1 BGB heranziehen und sie auf andere Weise schlüssig darlegen.

 

Rz. 128

Nicht geregelt ist die Frage, ob und ggf. wie die Vermutung nach § 650c Abs. 2 S. 2 BGB widerlegt werden kann. Schwenker/Rodemann[234] plädieren dafür, die Vergütung nach § 650c Abs. 1 BGB als den "richtigen Preis" anzusehen, weswegen der Besteller gegen eine Preisberechnung auf der Grundlage der Urkalkulation nach § 650c Abs. 2 S. 1 BGB einwenden könne, dass die Vergütungsberechnung nach § 650c Abs. 1 BGB für ihn günstiger sei.[235]

 

Rz. 129

Im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung nach § 650c Abs. 2 S. 2 BGB für die Ansätze der Urkalkulation sind auch die Zuschläge für Wagnis und Gewinn einbezogen.[236] Da diese im Wettbewerb um die Ausgangsleistung erzielt worden sind, erscheint es dem Gesetzgeber sachgerecht, sie über die Vermutung im Zweifel fortzuschreiben: "Bei unternehmensbezogenen kalkulierten Zuschlägen bezieht sich die widerlegbare Vermutung auch auf die in der Urkalkulation ausgewiesenen Ansätze und Bezugsgrößen wie Umsatz, Bauzeit oder projektbezogene Festbeträge."[237]

 

Rz. 130

Für die Ermittlung der "tatsächlich erforderlichen Kosten" brauchen die Vertragsparteien damit keine Nachkalkulation (Neuberechnung) vorzunehmen. Vielmehr können sie auf die regelmäßig vorhandene Urkalkulation des Unternehmers zurückgreifen.

 

Rz. 131

Die Vermutungswirkung nach § 650c Abs. 2 BGB hat jedoch zur Voraussetzung, dass die vom Unternehmer offenbarte oder zumindest hinterlegte Urkalkulation in ausreichendem Maße aufgeschlüsselt ist – wobei die Regelung als wichtiger Nebeneffekt dem Unternehmer (sofern er die Kalkulation nachvollziehbar gestaltet hat) auch den Anreiz bietet, die Kalkulation (gestützt auf die gesetzliche Vermutung) für die Berechnung der "Ist-Kosten" heranziehen zu können.[238]

 

Rz. 132

Der Gesetzgeber hat keine ausdrücklichen Vorgaben zum Umfang (Grad) der Aufschlüsselung vorgegeben. Nach Oberhauser[239] müssen aber Preis- und Kostenansätze als Grundlage einer Fortschreibung der Ansätze vorhanden sein (und im Übrigen auch die Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn): "Einzelkosten der Teilleistung (müssen) in die entsprechenden Kostenarten … aufgegliedert werden."[240]

 

Rz. 133

Oberhauser[241] vermutet auch, dass es – entgegen dem Wortlaut ("die vom Unternehmer offenbarte oder zumindest hinterlegte Urkalkulation ausreichend aufgeschlüsselt")[242]  – nicht erforderlich sein dürfte, "dass die Parteien eine Vereinbarung über die Hinterlegung der Kalkulation und/oder ihre Inhalte treffen": Vielmehr müsse die Urkalkulation dem Besteller wohl nur offenbart (Offenbarung spätestens zum Zeitpunkt des Vertragsab­schlusses – keine Nachreichung der Urkalkulation) oder hinterlegt werden und ausreichend aufgeschlüsselt sein.[243] Nur bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen und in Kenntnis derselben könne der Unternehmer sein Wahlrecht auch in Bezug auf § 650c Abs. 2 BGB wirksam ausüben.

 

Rz. 134

 

Beachte:

Der Unternehmer hat somit ein Wahlrecht in Bezug auf die Berechnung von Nachträgen: Er kann auf der Grundlage

der tatsächlich entstanden Kosten (mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn, § 650c Abs. 1 BGB – Notwendigkeit, die tatsächlich erforderlichen Mehr- oder Minderkosten für die vom Besteller nachträglich angeordnete Leistung darzulegen [vorstehende Rdn 103 ff.]) oder auf der Grundlage
seiner ursprünglichen Kalkulation (§ 650c Abs. 2 BGB – Fortschreibung der Urkalkulation [Rdn 122 ff.])

abrechnen.

Allerdings kann der Unternehmer – zwecks Verhinderung von Spekulationen bei der Preisgestaltung – sein Wahlrecht für jeden Nachtrag nur insgesamt (d.h. in toto) ausüben ("Vergütung für den Nachtrag").[244] Eine Kombination beider Berechnungsmethoden ist dem Unternehmer nicht gestattet.

 

Rz. 135

Andererseits kann der Unternehmer verschiedene Nachträge aber auch nach verschiedenen Berechnungsmethoden berechnen.

 

Rz. 136

Keine Regelung hat die Frage erfahren, ob der Unternehmer an eine einmal getroffene Wahl der Berechnungsmethode gebunden ist. Schwenker/Rodemann[245] verneinen dies mit dem Argument, dass "sich die “richtige’ Vergütung aus Abs. 1 ergibt".

[231] Was dem Besteller erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte, da er im Regelfall "wenig Einblick in die tatsächlichen Kosten des Unternehmers hat"...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge