Rz. 103

Der Gesetzgeber hatte ursprünglich erwogen, bei der Berechnung zwischen einer Anordnung zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs (vgl. § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB) und einer Anordnung zur Änderung des Werkerfolgs (§ 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB) zu differenzieren:[179] Im ersten Fall sollte die Mehr- oder Mindervergütung auf der Grundlage des ursprünglich vereinbarten Preisniveaus berechnet werden, bei Leistungsänderungen hingegen auf die Vertragspreise unter Berücksichtigung der veränderten preisrelevanten Umstände (bspw. Materialpreise oder Löhne) im Änderungszeitpunkt abgestellt werden. Ein solches Berechnungsmodell hätte der Nachkalkulation nach Maßgabe des § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB den Preis zugrunde gelegt, den die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die zusätzlich notwendigen Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt gewesen wären und sie diese gleich berücksichtigt hätten.[180]

 

Rz. 104

Letztlich hat der Gesetzgeber von diesem differenzierten Modell jedoch Abstand genommen, da ihm die Unterscheidung zwischen den beiden Anordnungsvarianten als zu schwierig und zu problembehaftet erschien. Es erfolgt gleichermaßen keine Berechnung auf der Grundlage der für die geänderte Bauleistung insgesamt "üblichen Vergütung" i.S.v. § 632 Abs. 2 BGB.[181]

 

Rz. 105

Das in § 650c Abs. 1 BGB Gesetz gewordene Modell lässt zunächst die für die unveränderten Vertragsleistungen vereinbarten Preise unberührt. Im Falle einer Einigung der Parteien ist die zwischen ihnen vereinbarte Vergütung maßgeblich.[182]

 

Rz. 106

Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Abs. 2 BGB vermehrten oder verminderten Aufwand (d.h. einer Aufwandsänderung) ist auf der Grundlage des allgemeinen vertraglichen Vergütungsanspruchs des Unternehmers nach den §§ 631 Abs. 2, 632 BGB (ohne dass ein selbstständiger Anspruch entsteht)[183] gemäß § 650c Abs. 1 S. 1 BGB (in Abgehen von einer nach VOB/B und vormals nach BGB vorgegebenen leistungsbezogenen Berechnung – und zunächst einmal auch unabhängig von der Urkalkulation, dazu aber noch nachstehende Rdn 122 ff.) nach den

tatsächlich erforderlichen Kosten (aufwandsbezogener und nach den tatsächlichen Kosten zu ermittelnder Vergütungsanspruch)[184]

mit angemessenen Zuschlägen[185] für

allgemeine Geschäftskosten,
Wagnis und
Gewinn

(regelmäßig unter Zugrundelegung des vom Unternehmer nach § 650b Abs. 1 S. 1 BGB vorgelegten Angebots als "geeignetem Anhaltspunkt")[186] zu ermitteln (Berechnungsmodus nach den tatsächlich entstandenen Kosten).[187] Die Änderung "ergibt sich aus einem Vergleich des für die ursprünglich vereinbarte Gesamtleistung erforderlichen Aufwands mit dem Aufwand, der für die geänderte Gesamtleistung erforderlich ist".[188] Damit bleiben die für die unveränderten Vertragsleistungen vereinbarten Preise unberührt.[189]

 

Rz. 107

Damit wird die Mehr- oder Mindervergütung nicht auf der Grundlage der für die ge­änderte Bauleistung insgesamt "üblichen Vergütung" nach Maßgabe des § 632 Abs. 2 BGB[190] berechnet, da

es für viele (Spezial-)Bauleistungen keine "übliche Vergütung" gibt und
bei "Änderungsnachträgen, bei denen nur die Art der Ausführung der Bauleistung, nicht jedoch der Aufwand (Material, Zahl der Arbeitsstunden etc.) geändert wird, eine Berechnung der Mehr- oder Mindervergütung nach der üblichen Vergütung nicht zu angemessenen Ergebnissen führen" würde.[191]
 

Rz. 108

 

Abschließende Kritik

Der Lösungsansatz des § 650c BGB ist in der Literatur auf Kritik gestoßen:[192]

Er verlasse die nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B vorgegebene und auch in der Judikatur[193] vertretene Preisfortschreibung nach Maßgabe der Auftragskalkulation.
Es könne nicht auf die tatsächlichen Kosten – sondern auf die tatsächlich erforderlichen Kosten – ankommen.
Das gesetzgeberische Ziel, Spekulationen des Unternehmers durch eine Nichtfortschreibung der Auftragskalkulation zu verhindern (vorstehende Rdn 102), werde nicht erreicht: Das Wahlrecht des Unternehmers nach § 650c Abs. 2 BGB (Rdn 122 ff.) eröffne ihm gerade diese Möglichkeit. Im Übrigen könne der Unternehmer die gegenüber der Kalkulation höheren Kosten der Nachtragsleistung – sofern diese erforderlich waren – abrechnen.[194]
 

Rz. 109

 

Beachte:

Der veränderte Aufwand nach den "tatsächlichen Kosten" ist die Differenz zwischen

den hypothetischen Kosten, die ohne die Anordnung des Bestellers entstanden wären, und
den Ist-Kosten, die aufgrund der Anordnung tatsächlich entstanden sind.[195]

"Diese Differenz ist die Grundlage für die Vergütung für den geänderten Aufwand."[196]

"Der Gewinn oder Verlust, den der Unternehmer bei Ausführung der unveränderten Leistung erzielt hätte, bleibt als absoluter Betrag erhalten und wird nicht, wie bei Berücksichtigung eines sogenannten Vertragspreisniveaufaktors, der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich abgelehnt wird, potenziert."[197]

 

Rz. 110

Oberhauser[198] weist darauf hin, dass die "Nachweisführung bezüglich der Kosten, die hypothetisch bei Ausf...

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