Rz. 405

 

Zum Thema

Bayer "Die Zession von Ersatzansprüchen gegen den nach § 67 Abs. 2 VVG privilegierten Schädiger" VersR 1989, 1123; Dahm "Das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X unter besonderer Berücksichtigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in der neuen Rechtsprechung" BG 1998, 422; Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 2 Rn 422 ff.; Jahnke "Angehörigenprivileg im Wandel" NZV 2008, 57; Jahnke "Verwandtenprivileg und Personenschadenregulierung" NZV 1995, 377; Jahnke "Ausgewählte Probleme für die Schadenregulierung", S. 173 ff.; Lang jurisPR-VerkR 6/2011, Anm. 3 (zu BVerfG, Beschl. v. 12.10.2010 – 1 BvL 14/09 –); Lang "Das Angehörigenprivileg bei nichtehelicher Gemeinschaft – das Ende aller Diskussionen?!" NZV 2009, 425; Plagemann "Teleologisch reduzieren oder: Die Metamorphose des Verwandtenprivilegs?" NZV 1998, 94; Rischar "Steht das Familienprivileg zur Disposition der Rechtsprechung?" VersR 1998, 30.

Referentenentwurf zum VVG, Begründung v. 13.3.2006, S. 93 (zu § 87 III VVG), Regierungsentwurf zum VVG v. 5.10.2006, S. 205 (zu § 86 III VVG).

1. Einleitung

 

Rz. 406

Die Begrifflichkeit in Literatur und Rechtsprechung ist vielfältig: Angehörigenprivileg, Haushaltsangehörigenprivileg,[292] Familienprivileg, Verwandtenprivileg, manchmal sogar falsch Haftungsprivileg.

 

Rz. 407

Das in § 86 III VVG (§ 67 II VVG a.F.) und § 116 VI SGB X geregelte Angehörigenprivileg beeinträchtigt den Forderungsübergang auf einen Drittleistungsträger ("Übergang ausgeschlossen" bzw. "Ersatzanspruch kann nicht geltend gemacht werden") bzw. die Geltendmachung durch den Drittleistungsträger bei Vorliegen der Voraussetzungen erst nach dem Haftpflichtgeschehen ("nicht geltend gemacht werden") und führt zu einem Rückgriffsausschluss des Drittleistungsträgers (u.a. SVT, Arbeitgeber), wenn die Verletzung nicht vorsätzlich durch einen Familienangehörigen oder Mitbewohner geschah und zwischen Täter und Opfer eine häusliche Gemeinschaft bestand.

 

Rz. 408

Heiraten Schädiger und Opfer erst später nach dem Schadensereignis, erfolgt zwar der Forderungsübergang, ein Regressanspruch kann aber vom Drittleistungsträger ab dem Zeitpunkt der Heirat nicht mehr geltend gemacht werden (§ 116 VI 2 SGB X).[293]

 

Rz. 409

Der Anspruch (Direktanspruch) des unmittelbar Verletzten bzw. seiner Hinterbliebenen auf Ersatz der letzteren – nach Abzug der Drittleistungen – noch verbliebenen Schäden dagegen bleibt unberührt.

[292] BGH v. 5.2.2013 – VI ZR 274/12 – NZV 2013, 334 FamRZ 2013, 697 = jurisPR-VerkR 11/2013 Anm. 1 (Anm. Lang) = LMK 2013, 345111 (Anm. Hilbig-Lugani) = MDR 2013, 517 = NJW-Spezial 2013, 234 = NZV 2013, 334 = r+s 2013, 258 = SP 2013, 181 = UV-Recht Aktuell 2013, 363 = VersR 2013, 520 = VRS 124, 237 = zfs 2013, 320 (Berufungsinstanz OLG Köln v. 9.5.2012 – I-16 U 48/11 – FamFR 2012, 360 [Anm. Grziwotz] = jurisPR-VerkR 19/2012, Anm. 1 [Anm. Lang] = NJW-Spezial 2012, 395 = SP 2012, 287; Vorinstanz LG Köln v. 17.3.2011 – 24 O 350/10 –).
[293] Gleiches gilt nach der Rechtsprechung für den Anwendungsbereich des § 67 II VVG a.F. (Küppersbusch/Höher, Rn 642 m.w.N.). § 86 III VVG stellt auf Haushaltsangehörigkeit ab.

2. Anwendungsbereich

a) Rechtsnormen

aa) Historie

 

Rz. 410

Den rechtlichen Ursprung bildete § 67 II VVG a.F.,[294] dessen weitere rechtliche Ausgestaltung durch die zwischenzeitliche Rechtsprechung ab 1.7.1983 dann § 116 VI SGB X begleitend übernahm.[295] § 116 VI SGB X, § 86 III VVG (in Fortführung von § 67 II VVG a.F.) werden – als lediglich stellvertretend gesetzlich fixierter Ausdruck eines im Regressrecht allgemein verankerten Grundsatzes – inhaltlich identisch verstanden und sind wegen ihrer über VVG und SGB hinausreichenden Allgemeingültigkeit wechselwirkend inhaltlich gleich[296] auszulegen (siehe Rn 430 ff.).

 

Rz. 411

Das Angehörigenprivileg findet unstreitig auch auf Rechtsbereiche Anwendung, für die es – trotz zwischenzeitlicher Gesetzesreformen (EFZG, Beamtenrechtsreform)[297] – an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung fehlt (z.B. beim beamtenrechtlichen Versorgungsträger und privaten Arbeitgeber) (zu den Einzelheiten siehe Rn 443 ff.).

 

Rz. 412

Das BVerfG[298] führt zur Historie des Angehörigenprivileges aus:

 

Rz. 413

Zitat

1. a) Das in § 116 VI SGB X enthaltene sog. "Familien- oder Angehörigenprivileg" geht auf die bereits im Jahre 1910 in Kraft getretene Vorschrift des § 67 II VVG a.F. zurück, die eine vergleichbare Regelung für den Bereich der Privatversicherung vorsah. Zur Begründung verwies der Gesetzgeber damals auf den in der Regel bestehenden engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Versicherungsnehmer und dem mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, der dazu führe, dass durch den Rückgriff des Versicherers gegen den Angehörigen meist der Versicherungsnehmer selbst in Mitleidenschaft gezogen werde (BR-Drucksache 1904/130, S. 120; im Entwurf noch § 65 II VVG). Mit der Neufassung des VVG im Jahre 2007 wurde diese Regelung in § 86 III VVG überführt. Dabei hat der Gesetzgeber die Beschränkung des Regressausschlusses auf Familienangehörige gestric...

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