1. Bewilligung

 

Rz. 241

Der Rechtsanwalt ist auch hier verpflichtet, bei begründetem Anlass auf die Möglichkeiten von Prozesskostenhilfe hinzuweisen. Die Prozesskostenhilfe kann anders als die Beratungshilfe jederzeit auch während des Verfahrens bis zum Ende des Prozesses beantragt werden. Dennoch sollte der Antrag möglichst frühzeitig erfolgen, um auch alle entstandenen Gebühren abzusichern. Ein Antrag nach Ende der Instanz ist nicht mehr zulässig.

Beabsichtigt der Anwalt den Abschluss eines Mehrvergleichs oder soll die Klage erweitert werden, muss auch die Erstreckung der Bewilligung und Beiordnung beantragt werden. Dies sollte rechtzeitig und ausdrücklich erfolgen. Zwar kann nach der Rechtsprechung ein Antrag gemäß § 114 Abs. 1 ZPO auch konkludent gestellt werden und ist der Auslegung zugänglich. Werde über den Antrag erst nach Abschluss eines Vergleichs entschieden, sei der Antrag regelmäßig so zu verstehen, dass er sich auch auf den Vergleichsmehrwert erstreckt.[123] Risiken eingehen sollte der Anwalt hier aber nicht.

2. Vergütung

 

Rz. 242

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts löst die Forderungssperre des § 122 ZPO aus, d.h. der Rechtsanwalt darf vom Mandanten keine Vergütung fordern, soweit die Beiordnung erfolgt ist. Solange die Prozesskostenhilfe jedoch noch nicht bewilligt ist, kann der Anwalt einen Vorschuss nach § 9 RVG fordern. Da ein Vorschuss nach § 58 Abs. 2 RVG auf die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen ist, sollte mit dem Mandanten bei Zahlung geklärt werden, ob dieser mit Sicherungszweck bzw. bedingt für den Fall der Nichtbewilligung gezahlt wird, um spätere Probleme bei der Anrechnung auf die PKH-Vergütung zu vermeiden.

 

Rz. 243

Aus der Staatskasse erhält der Anwalt Gebühren für die Tätigkeiten, die von der Bewilligung umfasst sind. Bei Abrechnungsproblemen liegt die Ursache meist bei der Frage des Umfangs der Bewilligung. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn die Bewilligung nur teilweise oder aufgrund späterer Bewilligungsreife ggf. eine zeitliche Einschränkung erfolgte, die sich in der Regel aus dem Beschluss ergibt. In diesem Fall werden nur die Gebühren erstattet, die nach der Bewilligung angefallen sind. Auch bei einem Mehrvergleich ist genau zu klären, worauf sich die Bewilligung erstreckt.

 

Rz. 244

Die Höhe der zu erstattenden Reisekosten hängt ebenfalls vom Umfang der Beiordnung ab. Diese erfolgt in der Regel zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts, § 121 Abs. 3 ZPO, § 78 Abs. 3 FamFG. Erstattungsfähig sind dann die tatsächlich entstandenen Reisekosten gedeckelt auf die Kosten, die bei einem an der äußersten Grenze des Bezirks (mit der größtmöglichen Entfernung zum Gericht) ansässigen Rechtsanwalts anfallen würden. Der Beiordnungsbeschluss ist dabei für die Vergütungsfestsetzung bindend. Erfolgt sie unzulässiger Weise zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts, muss der Rechtsanwalt gegen den Beiordnungsbeschluss vorgehen, andernfalls erhält er keine Reisekosten. Auch im Falle einer eigentlich falschen uneingeschränkten Beiordnung entfaltet diese dennoch Bindungswirkung für Vergütungsfestsetzung, sodass alle Reisekosten zu ersetzen wären.[124] Werden die Reisekosten nicht aus der Staatskasse getragen, ist Vorsicht geboten, diese dann einfach mit dem Mandanten abzurechnen. Denn es ist nicht unumstritten, ob diesbezüglich dennoch die Forderungssperre des § 122 ZPO gilt.

3. Überprüfungsverfahren

 

Rz. 245

Ein großes Problem stellt für viele – insbesondere in PKH-reichen Rechtsgebieten tätige – Anwälte mittlerweile das Überprüfungsverfahren dar. Nach zwei Entscheidungen des BGH, wonach auch nach dem formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens Zustellungen im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren (§§ 120 Abs. 4, 124 ZPO) jedenfalls dann gemäß § 172 Abs. 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen haben, wenn dieser die Partei im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten hat, werden Zustellungen im Rahmen der Überprüfung konsequent an die Anwälte vorgenommen. Oft besteht dann schon lange kein Kontakt mehr zum Mandanten. Da das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, nach § 16 Nr. 2 RVG dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit darstellen, löst die Tätigkeit im Überprüfungsverfahren grundsätzlich keine weiteren Gebühren aus.

 

Rz. 246

Da eine nachträgliche Entpflichtung von den Gerichten in der Regel abgelehnt wird, wird in der Praxis nach neuen Lösungsansätzen gesucht. Eine Beteiligung im Überprüfungsverfahren dürfte zwar dann ausscheiden, wenn der Anwalt im Bewilligungsverfahren nicht beauftragt war und der Mandant Prozesskostenhilfe selbst beantragt hat. Da dies jedoch in der Praxis nur selten umsetzbar sein dürfte, ist ein neuer Ansatz die kumulative Beschränkung des Auftrags und der Vollmacht des Mandanten auf das Bewilligu...

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