Rz. 111

In Abgrenzung zu § 309 BGB zeichnen sich die in § 308 BGB geregelten Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit dadurch aus, dass sie im Gegensatz zu den Verboten des § 309 BGB an vielen Stellen unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten und die Feststellung eines Verstoßes damit eine richterliche Wertung fordert.[229] Beispiele hierfür sind Begriffe wie "unangemessen lange", "nicht hinreichend bestimmt", "zumutbar" etc. Auch § 308 BGB hat allerdings die Aufgabe, die allgemein gehaltene Generalklausel des § 307 BGB zu konkretisieren, indem er beispielhaft (Wortlaut: "insbesondere") einen Katalog von Fällen vorsieht, in denen eine Unwirksamkeit, obwohl abhängig von einer vorzunehmenden Wertung, zumindest naheliegend erscheint.[230]

 

Rz. 112

Auch die in § 308 BGB vorgesehenen Tatbestände sind im Bereich des Arbeitsrechts von sehr unterschiedlicher Praxisrelevanz: Von herausragender Bedeutung ist § 308 Nr. 4 BGB mit Blick auf die diversen, in der Praxis zu beobachtenden Bemühungen von Arbeitgebern, Arbeitsbedingungen (meist das Entgelt) flexibel zu gestalten. Diese Regelung zum sog. "Änderungsvorbehalt" ist etwa bei der Beurteilung von Widerrufsvorbehalten[231] und Anrechnungsvorbehalten[232] sowie in weiteren Fällen der Flexibilisierung von Leistungen zu bedenken.[233] § 308 Nr. 4 BGB macht die Wirksamkeit eines Änderungsvorbehalts dabei letztlich von der Frage abhängig, ob die Vereinbarung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den Vertragspartner "zumutbar" ist. Gerade an dieser Stelle fällt den Gerichten die Aufgabe zu, die (Un-)Wirksamkeit der Klausel mittels einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen.

Neben § 308 Nr. 4 BGB kommt insbesondere auch eine Anwendung der § 308 Nr. 5 und Nr. 6 BGB in Betracht, wenn der vorformulierte Arbeitsvertrag etwa vorsieht, dass das Schweigen des Arbeitnehmers als Zustimmung zu einer ihm angebotenen Vertragsänderung gilt oder der Formularvertrag Zugangsfiktionen regelt.[234] Wegen der weiteren Einzelheiten und weiterer praktischer Anwendungsfälle des § 308 BGB sei auch hier auf die Erörterungen zu den einzelnen Klauseltypen weiter unten verwiesen.[235]

[229] Grüneberg/Grüneberg, § 308 BGB Rn 1.
[230] Däubler/Deinert/Walser/Bonin/Walser, § 308 BGB Rn 1.
[233] Vgl. etwa zur Pauschalierung von Erschwerniszuschlägen BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16; zu "Jeweiligkeitsklauseln" im Zusammenhang mit Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung BAG v. 14.7.2015 – 3 AZR 517/13.
[234] Däubler/Deinert/Walser/Bonin/Walser, § 308 Nr. 5 BGB Rn 1 ff. und § 308 Nr. 6 BGB Rn 1 ff.
[235] Siehe § 3.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge