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Von entscheidender und weichenstellender Bedeutung für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB im Rahmen der Kontrolle vertraglicher Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist die Tatsache, dass die Rechtsprechung den Arbeitnehmer als "Verbraucher" i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB einstuft. Von großer Bedeutung ist dies deshalb, weil § 310 Abs. 3 BGB für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern (sog. Verbraucherverträge) eine Anwendung der §§ 305 ff. BGB mit einigen Besonderheiten vorsieht:

So "gelten" Allgemeine Geschäftsbedingungen grds. als vom Unternehmer gestellt (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Dem Verbraucher wird also an dieser Stelle die Feststellung bzw. die Beweisführung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des "Stellens" der Vertragsbedingung durch den Verwender erleichtert.[48]
§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ordnet ferner an, dass zumindest wichtige Teile der §§ 305 ff. BGB (namentlich die §§ 305c Abs. 2, § 306, §§ 307309 BGB) auf vorformulierte Vertragsbedingungen in einem Verbrauchervertrag auch dann anzuwenden sind, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, der Verbraucher jedoch aufgrund der Vorformulierung auf Ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.[49]
Schließlich sieht § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB noch vor, dass im Falle eines Verbrauchervertrags bei der Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen sind.

Auf den ersten Blick mag die Auffassung der Rechtsprechung überraschend erscheinen, da natürlich gerade der Abschluss des Arbeitsvertrags einer Tätigkeit zuzurechnen ist, die auch der Arbeitnehmer durchaus "professionell" ausübt. Ausgangspunkt für den Befund der Rechtsprechung ist allerdings die Legaldefinition des Verbraucherbegriffs in § 13 BGB, wonach Verbraucher jede natürliche Person ist, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Von diesem Wortlaut ausgehend stellt das BAG fest, dass ein Arbeitnehmer diese Voraussetzungen erfüllt, weil der Abschluss des Arbeitsvertrags bzw. eine Änderung oder auch Aufhebung des Arbeitsvertrags einer unselbstständigen, abhängigen und gerade keiner selbstständigen[50] beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist. Zudem spreche – so das BAG weiter – auch die Entstehungsgeschichte des § 13 BGB dafür, den Arbeitnehmer als "Verbraucher" einzuordnen.[51] Mit dem Wegfall der früheren Bereichsausnahme des AGB-Rechts für arbeitsrechtliche Verträge im Zuge der Reform des Schuldrechts habe der Verbraucherbegriff einen Bedeutungswandel erfahren.[52]

Auch wenn die die Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers bejahende Rechtsprechung bisweilen Kritik erfährt,[53] hat sich der Vertragsgestalter bzw. Rechtsanwender in der Praxis auf die inzwischen wohl als gefestigt zu bezeichnende Rechtsprechung einzustellen und dementsprechend die vorgenannten Besonderheiten bei der Gestaltung und Überprüfung von arbeitsrechtlichen Vereinbarungen zu berücksichtigen.[54]

[48] Siehe hierzu im Detail unter Rdn 40 ff.
[49] Siehe hierzu unter Rdn 37 ff.
[50] Zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses zu selbstständigen bzw. freien Formen der Tätigkeit für andere vgl. § 1 Rdn 4 ff.
[53] Siehe Henssler/Moll, A II 1; ausführlich Däubler/Deinert/Walser/Däubler, Einleitung Rn 60 ff. m.w.N.

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