Rz. 40

Voraussetzung für die Prüfung von Vertragsbedingungen anhand der §§ 305 ff. BGB ist grds. auch, dass diese bei Abschluss des Vertrags durch eine Partei (sog. Verwender) der anderen Vertragspartei gestellt werden. Im Bereich des Arbeitsrechts kommt diesem Tatbestandsmerkmal nur geringe Bedeutung zu, da der Arbeitnehmer wie ausgeführt nach Auffassung der Rechtsprechung als Verbraucher i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB eingeordnet wird und der Arbeitsvertrag daher in aller Regel ein sog. Verbrauchervertrag sein wird.[85] Für diese Situation bestimmt § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt gelten, wenn sie nicht ausnahmsweise durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt werden.

§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB erleichtert damit in Zweifelsfällen die Feststellung dessen, was typischerweise bei Abschluss eines Arbeitsvertrages ohnehin der Fall ist, nämlich dass der Arbeitgeber in der Rolle eines Verwenders die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag veranlasst hat.[86] Dies wird im Falle eines Verbrauchervertrags gesetzlich vermutet. In der Prozesssituation hat der Arbeitnehmer deshalb nur die tatsächlichen Voraussetzungen der Vermutung (v.a. das Vorliegen eines Verbrauchervertrags) vorzutragen und ggf. zu beweisen, nicht jedoch, dass der Arbeitgeber die Vertragsbedingungen "gestellt" hat.[87] Will der Arbeitgeber dagegen geltend machen, dass die Vertragsbedingungen entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB ausnahmsweise durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden, so hat er dies vorzutragen und nötigenfalls im Prozess auch zu beweisen.[88]

 

Rz. 41

Auch wenn das Tatbestandsmerkmal des "Stellens" in typisch arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen in aller Regel keine Rolle spielt, kann eine nähere Prüfung dieser Frage allerdings auch für den Arbeitsrechtler veranlasst sein, wenn es am Vorliegen eines Verbrauchervertrags fehlt. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zu rein privaten Zwecken als Haushaltshilfe einstellt[89] und damit mangels Ausübung einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit nicht als "Unternehmer" i.S.d. § 14 BGB handelt. Veranlasst kann eine nähere Prüfung des "Stellens" ferner auch dann sein, wenn es um die Anstellung einer arbeitnehmerähnlichen Person geht. Arbeitnehmerähnliche Personen werden nicht als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB qualifiziert,[90] weshalb es auch in einer solchen Konstellation am Vorliegen eines Verbrauchervertrags fehlt.

Das Tatbestandsmerkmal des "Stellens" durch den Arbeitgeber als Verwender ist in solchen Situationen dann erfüllt, wenn es der Arbeitgeber ist, der die Einbeziehung der Vertragsbedingungen in den Vertrag verlangt bzw. wenn er es ist, auf dessen Initiative hin die Einbeziehung in den Vertrag erfolgt.[91] Fraglich kann dies dann sein, wenn die Einbeziehung durch einen Dritten initiiert wird, wenn also die Verwendung eines bestimmten Vertragsmusters durch einen Rechtsanwalt vorgeschlagen wird oder z.B. ein Schuldanerkenntnis durch einen Notar vorformuliert wird.[92] In solchen Fällen bedarf es einer näheren Bewertung der Rolle des Dritten: Handelt dieser lediglich als "verlängerter Arm" und im Auftrag des Arbeitgebers, so liegt ein Stellen der Vertragsbedingungen durch den Arbeitgeber dennoch vor.[93]

 

Rz. 42

Auch wenn es im Ergebnis für die Frage der Kontrollfähigkeit einer Vertragsbedingung irrelevant ist und bei beiden Fragen nicht immer ganz klar abzugrenzende und teils vergleichbare Überlegungen angestellt werden, ist die Frage des "Stellens" einer Vertragsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB gedanklich von der Frage des "Aushandelns" i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB zu unterscheiden. Bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals des "Stellens" geht es (noch) nicht um die Frage, ob der Verwender seine Vertragsbedingungen einseitig durchgesetzt oder aber andererseits ernsthaft zur Disposition gestellt hat. Dies ist eine Frage eines möglichen "Aushandelns".[94] Bei der Prüfung des "Stellens" i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB geht es noch um die Frage, ob die verwendeten Vertragsbedingungen einer der Vertragsparteien (dem Verwender) zugerechnet werden können.[95] Man mag es auch so sehen, dass über das Merkmal des "Stellens" letztlich der Verwender bestimmt wird: Augenscheinlich wird dies z.B. in den bereits im vorigen Absatz angesprochenen Fällen, in denen von einem Dritten (Rechtsanwalt, Notar, etc.) vorformulierte Vertragsbedingungen Eingang in den Arbeitsvertrag finden. Handelt der Dritte hier zurechenbar für den Arbeitgeber, wie etwa im Fall des "Hausanwalts" des Arbeitgebers, der im Auftrag und im Interesse des Arbeitgebers die Pflege und Aktualisierung der verwendeten Standardverträge übernimmt, sind diese Bedingungen trotzdem vom Arbeitgeber als Verwender "gestellt".

 

Rz. 43

Ein "Stellen" von Vertragsbedingungen scheitert schließlich auch nicht daran, dass die vom Verwender vorgelegten Vertragsregelungen noch zu füllende Lüc...

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