Rz. 255

§ 109 Abs. 1 GewO unterscheidet grundsätzlich zwischen einfachen und qualifizierten Zeugnissen; der Arbeitnehmer hat insoweit ein Wahlrecht i.S.d. § 262 BGB. Ein qualifiziertes Zeugnis kann als End- oder als Zwischenzeugnis ausgestellt werden. Mit Erteilung erlischt der Zeugnisanspruch; ggf. besteht aber ein Anspruch auf Zeugniskorrektur.

 

Rz. 256

Ein einfaches Zeugnis hat nach § 109 Abs. 1 S. 2 GewO nur die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zum Inhalt. Es dient dem Arbeitnehmer dazu, nachzuweisen, dass er lückenlos beschäftigt war. Die Art der Tätigkeit ist so konkret zu benennen, dass ersichtlich ist, welche Aufgaben der Arbeitnehmer zu erfüllen hatte. "Dauer" bezeichnet die rechtliche, nicht die tatsächliche Dauer, so dass Urlaubs- und Krankheitszeiten nicht aufzunehmen sind.

 

Rz. 257

Ruhezeiten des Arbeitsverhältnisses, etwa wegen Elternzeit des Beschäftigten, dürfen Erwähnung finden, wenn sie erheblich sind.[430] Krankheitsbedingte Fehlzeiten sind grundsätzlich nicht im Arbeitszeugnis zu erwähnen, denn es handelt sich nicht um zeugnisrelevante Leistungs- und Verhaltensdaten.[431] Etwas anderes gilt, wenn ohne die Dokumentation erheblicher Ausfallzeiten bei Dritten der falsche Eindruck erweckt würde, die Beurteilung des Arbeitnehmers beruhe auf einer der Dauer des rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses üblicherweise entsprechenden tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung.[432]

Nicht unproblematisch sind in diesem Zusammenhang langjährige Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 38 BetrVG. Insoweit stellt sich die Frage, ob man eine derart langjährige und ausschließliche Betriebsratstätigkeit unerwähnt lassen kann. Bei langen Freistellungsphasen sind das zugunsten der Betriebsratsmitglieder wirkende Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG und das Wahrheitsgebot des § 109 GewO in Einklang zu bringen. Teilweise wird ein Überwiegen des Wahrheitsgebots vertreten, wenn ein ehemals freigestelltes BR-Mitglied noch nicht mindestens zwei Jahre seine berufliche Tätigkeit wieder ausgeübt hat.[433] Ein Arbeitnehmer, der während der letzten fünf Jahre seines Arbeitsverhältnisses durchgehend freigestelltes Betriebsratsmitglied war, soll nicht verlangen können, dass dies im Zeugnis unerwähnt bleibt und auch nicht etwa Anspruch auf Erteilung zweier Arbeitszeugnisse (mit und ohne Erwähnung der Freistellung) haben, um von diesen wahlweise Gebrauch machen zu können.[434] Nach anderer Auffassung steht die ehrenamtliche Tätigkeit eines nicht freigestellten Betriebsratsmitglieds in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den arbeitsvertraglich geschuldeten Hauptleistungspflichten und ist daher bei auch dann nicht im Zeugnis zu erwähnen, wenn in den letzten drei Jahren einer fast 16-jährigen Beschäftigung fast ausschließlich Betriebsratstätigkeit ausgeübt wurde.[435] Insoweit könne dem Arbeitgeber eine Prognose hinsichtlich der Beurteilung der Leistung und des Führungsverhaltens dergestalt abverlangt werden, als ob es die Freistellung für die Betriebsratstätigkeit nicht gegeben hätte.[436]

 

Rz. 258

Das qualifizierte Zeugnis enthält über die Angaben des einfachen Zeugnisses hinaus eine Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers.

 

Rz. 259

Beim Zwischenzeugnis handelt es sich um ein Zeugnis, das ausgestellt wird, ohne dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in greifbarer Nähe liegt. Sofern keine besonderen tariflichen Regelungen gelten, die die Erteilung eines Zwischenzeugnisses als vertragliche Nebenpflicht vorsehen,[437] ist der Arbeitgeber nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Arbeitnehmers hierzu verpflichtet, etwa bei Versetzung oder Übernahme einer neuen Tätigkeit, bei Wechsel eines (langjährigen) Vorgesetzten, bei Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses etwa aus Anlass von Elternzeit oder eines Sabbaticals, nach Ausspruch einer Kündigung mit längerer Kündigungsfrist[438] oder sonstigen Veränderungen, die einen Einschnitt in das Arbeitsverhältnis darstellen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer sich außerbetrieblich bewerben oder ein politisches Mandat übernehmen will, ein Insolvenzverfahren eröffnet wird oder ein Betriebsübergang bevorsteht.

[430] Vgl. LAG Köln 4.5.2012 – 4 Sa 114/12, NZA-RR 2012, 563; BAG 10.5.2005 – 9 AZR 261/04, AP Nr. 30 zu § 630 BGB; Bamberger/Roth/Fuchs, § 630 BGB Rn 4.
[431] Aszmons/Lackschewitz, NJW 2016, 2070, 2076.
[432] LAG Düsseldorf 25.1.2010 – 14 Sa 1185/09, juris; BAG 10.5.2005 – 9 AZR 261/04, AP Nr. 30 zu § 630 BGB.
[433] Mühlhausen, NZA-RR 2006, 337.
[434] LAG Köln, 6.12.2013 – 7 Sa 583/12, ArbRAktuell 2013, 633.
[437] Hansen u.a./Kelber, D Rn 416; ErfK/Müller-Glöge, 16. Aufl. 2016, § 109 GewO Rn 13.

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