Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwähnung der Betriebsratstätigkeit im Arbeitszeugnis. Anspruch auf Erteilung mehrerer Zeugnisse. Beurteilung bei streitigem Sachverhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitnehmer, der während der letzten 5 Jahre seines insgesamt knapp 12 Jahre andauernden Arbeitsverhältnisses zur Ausübung seines Betriebsratsamts vollständig von der Arbeitsverpflichtung freigestellt war, kann vom Arbeitgeber nicht verlangen, dass dieser Umstand in einem qualifizierten Arbeitszeugnis verschwiegen wird. Insbesondere hat er auch keinen Anspruch auf Erteilung zweier Arbeitszeugnisse - mit und ohne Erwähnung der Freistellung -, von denen er wahlweise Gebrauch machen könnte.

Der Arbeitgeber kann eine unterdurchschnittliche Aussage im Arbeitszeugnis zum "Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen" ("in der Regel angemessen") nicht mit dem - streitigen - Vorwurf rechtfertigen, der Arbeitnehmer habe Aufwendungsersatzansprüche des Betriebsrats manipuliert und auf Kosten des Arbeitgebers unautorisierte Rechtsgeschäfte mit Dritten abgeschlossen.

 

Normenkette

GewO §§ 1009, 109

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 17.01.2012; Aktenzeichen 3 Ca 950/11)

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.01.2012 in Sachen 3 Ca 950/11 h werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.

Für den Kläger wird die Revision zugelassen. Für die Beklagte wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um zwei Aussagen in dem Arbeitszeugnis des Klägers.

Der am 1973 geborene Kläger trat am 1. September 1998 in ein Arbeitsverhältnis zum beklagten Unternehmen. Bis zum 25.04.2005 war er als Mitarbeiter in der Qualitätskontrolle beschäftigt. Seit dem 26.04.2005 war der Kläger in seiner Eigenschaft als Mitglied des Betriebsrats von seiner beruflichen Tätigkeit in vollem Umfang freigestellt. Hieran änderte sich nichts, bis die Beklagte dem Kläger unter dem 24.06.2010 eine außerordentliche, fristlose Kündigung aussprach. Dem war ein Zustimmungsersetzungsverfahren der Beklagten gegen ihren Betriebsrat vorausgegangen, welches sich durch nachträgliche Erteilung der Zustimmung erledigt hatte. Der Kläger erhob gegen die ihn betreffende außerordentliche Kündigung Kündigungsschutzklage, die erstinstanzlich mit Urteil vom 24.07.2012 abgewiesen wurde. Der hiergegen gerichtete Berufungsrechtsstreit war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des vorliegenden Verfahrens vor dem Berufungsgericht noch nicht abgeschlossen.

Nach Ausspruch der Kündigung bat der Kläger die Beklagte um Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin unter dem Datum des 24.06.2010 ein Zeugnis folgenden Wortlauts:

Zeugnis

Die Q KG ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des größten und weltweit erfolgreichsten a Teleshoppingunternehmens. Seit Ende 1996 versorgen wir D mit unserem Programm von unserem Dü Firmensitz sowohl über Satellit als auch über Kabel.

Herr V , geb. am 1973, war vom 1. September 1998 bis zum 24. Juni 2010 in unserem Unternehmen als Mitarbeiter Qualitätskontrolle angestellt.

Bis zum 25.04.2005 verrichtete er insbesondere folgende Tätigkeiten:

-Musterziehung aller eingehenden Waren in Übereinstimmung mit dem Q Musterplan

-Prüfung der Warenqualität und Sicherstellung des Einhaltens der Q -Qualitätsstandards

-Prüfung der Übereinstimmung der Eingangsware mit der Produktbeschreibung im Warenwirtschaftssystem

-direkte Kommunikation mit dem Einkauf über alle Produktmängel

-Vervollständigung aller internen und externen Formulare

-Überprüfung und/oder Änderung der Verpackungsart zur Vermeidung von Transportschäden

-Freigabe der Artikel nach positiver Prüfung.

Zeitweise vertrat Herr V während dieser Tätigkeit den Supervisor in seiner Abwesenheit bei der fachlichen Steuerung der Mitarbeiter. Im Verlauf seiner Tätigkeit eignete sich Herr V sehr gute Kenntnisse unseres unternehmenseigenen Warenwirtschaftssystems an. Er wies jederzeit eine gute Prüfleistung auf und erledigte sämtliche Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.

Seit dem 26.04.2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war Herr V von seiner beruflichen Tätigkeit auf Grund seiner Mitgliedschaft in Betriebsrat freigestellt.

Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war in der Regel angemessen.

Q KG H , den 24.06.2010

Unterschrift

Der Kläger hat erstinstanzlich die vollständige und ersatzlose Streichung des vorletzten Zeugnisabsatzes begehrt, in welcher die Freistellung auf Grund seiner Betriebsratsmitgliedschaft erwähnt ist. Der Kläger hat hierzu die Ansicht vertreten, eine Betriebsratstätigkeit dürfe nur auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers in einem Zeugnis erwähnt werden. Es sei zwar richtig, dass er den Wunsch geäußert habe, ein Zeugnis zu erhalten, in dem seine Betriebsratstätigkeit aufgeführt sei. In Wirklichkeit habe er, der Kläger, die Beklagte aber gebeten gehabt, ihm nach Möglichkeit zwei Zeugnisse zu ertei...

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