Rz. 108

Will ein Unternehmen einen Mitarbeiter nur zu geänderten Bedingungen weiterbeschäftigen, kann – soweit eine Einigung darüber scheitert oder es an einem entsprechenden wirksamen Vorbehalt im Arbeitsvertrag fehlt – eine Änderung des Arbeitsvertrags nur mittels (betriebsbedingter) Änderungskündigung durchgesetzt werden.

 

Rz. 109

Eine Änderungskündigung gemäß § 2 S. 1 KSchG ist eine Kündigung, mit der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet. Dabei gelten grundsätzlich die allgemeinen Anforderungen an ordentliche Beendigungskündigungen.[189] Weiterhin entfaltet die Änderungskündigung erst mit Ablauf der Kündigungsfrist Wirkung.[190] Dementsprechend kann die Vertragsänderung erst dann zum Tragen kommen. Im Vergleich mit der Beendigungskündigung ergeben sich allerdings einige Besonderheiten:

 

Rz. 110

Umstritten war lange Zeit, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, vor Ausspruch der Änderungskündigung eine einvernehmliche Lösung zu suchen. Das BAG lehnt dies inzwischen zu Recht ab:[191] Es sei kein Grund ersichtlich, dem Arbeitgeber das Recht zu nehmen, auch ohne vorherige Verhandlung mit dem Arbeitnehmer eine Änderungskündigung zu erklären.

 

Rz. 111

In materieller Hinsicht muss der Arbeitgeber darauf achten, dass die neuen Arbeitsbedingungen nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Ansonsten wäre die entsprechende Änderungskündigung bereits wegen § 134 BGB nichtig.[192] Weiterhin ist bei der Änderungskündigung auf die hinreichende Bestimmtheit des Änderungsangebots zu achten. Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne weiteres annehmen kann und ihm klar ist, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen, andernfalls ist die Änderungskündigung unwirksam.[193]

Schließlich bedarf eine Änderungskündigung im Anwendungsbereich des KSchG ebenso der sozialen Rechtfertigung wie eine Beendigungskündigung (vgl. §§ 2 S. 1 KSchG, 1 Abs. 2 S. 1 bis 3, Abs. 3 S. 1 und 2 KSchG). Die Änderungskündigung muss also durch einen betriebsbedingten Grund gerechtfertigt sein und es muss eine Sozialauswahl stattfinden. Abgesehen davon ist eine Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG verstößt oder der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb bzw. Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG widersprochen hat, § 2 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 KSchG. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung ist wie sonst auch der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung.[194] Die Schriftform, der grundsätzlich die Kündigung unterliegt, gilt bei einer Änderungskündigung auch für das Änderungsangebot.[195]

 

Rz. 112

Außerhalb des Geltungsbereichs des KSchG muss eine Änderungskündigung nicht i.S.v. § 1 KSchG sozial gerechtfertigt sein, ihre Unwirksamkeit kann allerdings aus einem Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder Treu und Glauben (§ 242 BGB) folgen. Anwendbar ist allerdings § 4 KSchG, wonach der Arbeitnehmer die dreiwöchige Klagefrist beachten muss.[196]

a) Der betriebsbedingte Änderungsgrund

 

Rz. 113

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung[197] ist die vorgesehene Änderung der Arbeitsbedingungen Prüfungsgegenstand der sozialen Rechtfertigung. An ihre Rechtswirksamkeit sind strengere Voraussetzungen zu stellen als an die einer Beendigungskündigung.[198] Der Gesetzgeber stellt im gesamten Zivilrecht sehr hohe Anforderungen an die einseitige Änderung von Verträgen. § 313 Abs. 1 BGB verlangt eine schwerwiegende, nicht voraussehbare Änderung der dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Umstände. Die Möglichkeit der Änderungskündigung erweitert daher die Möglichkeiten des Arbeitgebers, sich von eingegangenen Verpflichtungen zu lösen, deutlich. Das BAG wendet in ständiger Rechtsprechung ein zweistufiges Prüfungsverfahren an:

 

Rz. 114

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob ein Grund vorliegt, der die Kündigung sozial rechtfertigt, § 2 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 KSchG (das "Ob" der Änderungskündigung). Bei der betriebsbedingten Änderungskündigung ist danach zu fragen, ob dringende betriebliche Erfordernisse vorhanden sind, die der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen entge...

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