Rz. 382

Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familienpflegezeitgesetz (FPflZG) sollen die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessern.[802] Arbeitnehmer können hierzu verlangen, (teilweise) von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. Während dieser Freistellung wird die Vergütungspflicht (teilweise) suspendiert.[803] Um die damit verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen abzumildern, können die Arbeitnehmer verschiedene Leistungen in Anspruch nehmen.[804] Für den Arbeitgeber sind jeweils besondere Befristungsmöglichkeiten vorgesehen (siehe hierzu § 1b Rdn 189 ff.).

[803] Jousen, NZA 2009, 69.

a) Übersicht

 

Rz. 383

Beide Gesetze ermöglichen es Beschäftigten,[805] durch Freistellung von der Arbeit oder Verringerung der Arbeitszeit, sich um die Pflege pflegebedürftiger[806] naher Angehöriger[807] zu kümmern. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen der verschiedenen Möglichkeiten der Arbeitsbefreiung oder -verkürzung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 
  Zweck/Voraussetzung Maximale Dauer (Höchstdauer: ­insgesamt 24 Monate)[808]

Arbeitsbefreiung/-verkürzung

Vergütung
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung (§ 2 PflegeZG) Organisation/Sicherstellen der Pflege von (voraussichtlich)[809] pflegebedürftigen nahen Angehörigen in akuter Pflegesitua­tion[810] 10 Arbeitstage

Arbeitsleistung: vollständige Freistellung

Vergütung: nur bei gesetzlicher[811] oder vertraglicher Regelung
Pflegezeit (§ 3 Abs. 1 PflegeZG) Pflege[812] pflegebedürftiger naher Angehöriger in häuslicher Umgebung[813]

6 Monate

(§ 4 Abs. 1 ­PflegeZG)

Arbeitsleistung: vollständige oder teilweise Freistellung

Vergütung: keine bzw. bei teilweiser Freistellung gemäß Vereinbarung
Freistellung zur Betreuung Minderjähriger (§ 3 Abs. 5 PflegeZG) Betreuung minderjähriger naher Angehöriger in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung

6 Monate

(§ 4 Abs. 1, 3 ­PflegeZG)

Arbeitsleistung: vollständige oder teilweise Freistellung

Vergütung: keine bzw. bei teilweiser Freistellung gemäß Vereinbarung
Freistellung zur Sterbebegleitung (§ 3 Abs. 6 PflegeZG) Begleitung naher Angehöriger in der letzten Lebensphase

3 Monate

(§ 4 Abs. 3 ­PflegeZG)

Arbeitsleistung: Vollständige oder teilweise Freistellung

Vergütung: keine bzw. bei teilweiser Freistellung gemäß Vereinbarung
Familienpflegezeit (§ 2 Abs. 1 FPfZG) Pflege pflegebedürftiger naher Angehöriger in häuslicher Umgebung[814] 24 Monate

Arbeitsleistung: teilweise Freistellung, min. 15 Arbeitsstunden/Woche (im Durchschnitt)

Vergütung: gemäß Vereinbarung
Freistellung zur Betreuung Minderjähriger (§ 2 Abs. 5 FPfZG) Betreuung minderjähriger naher Angehöriger in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung 24 Monate

Arbeitsleistung: teilweise Freistellung, min. 15 Arbeitsstunden/Woche (im Durchschnitt)

Vergütung: gemäß Vereinbarung

In keinem Fall darf die Gesamtdauer der Freistellungszeiten insgesamt 24 Monate je nahem Angehörigen überschreiten, § 4 Abs. 1 S. 4 PflegeZG, § 2 Abs. 2 FPfZG. Diese Höchstdauer umfasst gemäß § 4 Abs. 3 Pflege ZG auch die Freistellung zur Betreuung Minderjähriger (§ 3 Abs. 5 PflegeZG, § 2 Abs. 5 FPfZG) und die Freistellung zur Sterbebegleitung (§ 3 Abs. 6 PflegeZG). Diese Höchstdauer gilt allerdings je nahem Angehörigen, so dass längere Freistellungen zur Pflege verschiedener naher Angehöriger möglich sind.[815]

[805] Zur Definition siehe § 7 Abs. 1 PflegeZG, ggf. i.V.m. § 2 Abs. 3 FPfZG.
[806] Zur Definition siehe § 7 Abs. 4 PflegeZG, ggf. i.V.m. § 2 Abs. 3 FPfZG; Müller, BB 2016, 1338 zu den Änderungen durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz v. 21.12.2015, BGBl. I 2015, 2424.
[807] Zur Definition siehe § 7 Abs. 3 PflegeZG, ggf. i.V.m. § 2 Abs. 3 FPfZG; Müller, BB 2016, 1338 zu den Änderungen durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz v. 21.12.2015, BGBl. I 2015, 2424.
[808] Kurzzeitige Arbeitsverhinderung ist nicht auf die Höchstdauer anzurechnen, s. unten Rdn 385.
[810] BAG 15.11.2011 – 9 AZR 348/10, NZA 2012, 323 zum Begriff der akuten Pflegesituation.
[811] Zu § 615 BGB siehe: Joussen, NZA 2009, 69; Glatzel, NJW 2009, 1377.
[812] Zum Erfordernis einer aktiven Pflege: Müller, BB 2016, 1338.
[813] Ausreichend soll es sein, dass zum Zeitpunkt der Ankündigung eine entsprechende Pflegeabsicht besteht, ErfK/Gallner, § 3 PflegeZG Rn 1; Joussen, NZA 2009, 69.
[814] Ausreichend soll es sein, dass zum Zeitpunkt der Ankündigung eine entsprechende Pflegeabsicht besteht, Müller, BB 2014, 3125.
[815] Kritisch hierzu Thüsing/Pötters, BB 2015, 181.

b) Erstmalige Geltendmachung der (teilweisen) Freistellung

 

Rz. 384

Will der Arbeitnehmer erstmalig von einer der soeben beschriebenen Freistellungsmöglichkeiten Gebrauch machen, so muss er unterschiedliche Fristen und Formalitäten beachten:

 
  Frist

Form

Inhalt
Mindestgröße des Unternehmens (in der Regel Beschäftigte)
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung (§ 2 PflegeZG) Unverzüglich

Formlose Mitteilung

voraussichtl. Dauer
Keine
Pflegezeit (§ 3 Abs. 1 PflegeZG)

10 Arbeitstage vor Beginn

(§ 3 Abs. 2 PflegeZG, ggf. i.V.m. § 3 Abs. 5 bzw. 6 PflegeZG)

Schriftliche Ankündigung

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