Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit im Blockmodell

Um Angehörige zu pflegen, können Beschäftigte Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Auf das sogenannte "Blockmodell", also die Aufteilung der Arbeitszeit in Phasen von Vollzeitarbeit und Phasen vollständiger Freistellung, gibt es keinen Rechtsanspruch. Das entschied das Arbeitsgericht Bonn.

Wer Angehörige pflegen muss und berufstätig ist, gerät nicht selten in Zeitnot. Um die Vereinbarkeit von häuslicher Pflege und Beruf zu erleichtern, können Beschäftigte in einer solchen Situation Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich: Während einer Pflegezeit können sich Beschäftigte bis zu sechs Monate vollständig oder teilweise von der Arbeit freistellen lassen. Eine Familienpflegezeit bietet die Möglichkeit für Mitarbeitende, sich bis zu 24 Monate "teilweise von der Arbeit freistellen lassen", also die individuelle Arbeitszeit zu verringern.

Das ArbG Bonn hatte darüber zu entscheiden, ob die Arbeitszeitverringerung – wie etwa bei der Altersteilzeit – auch im Rahmen eines Blockmodells verlangt werden kann.

Der Fall: Arbeitgeber lehnt Familienpflegezeit ab

Im Herbst 2021 kündigte ein in Vollzeit beschäftigter Berufskraftfahrer seinem Arbeitgeber eine zweijährige Familienpflegezeit an, um sich um seine pflegebedürftige Mutter kümmern zu können. Nach seiner Vorstellung plante er für die Jahre 2022 und 2023, jeweils mehrere Monate blockweise in Vollzeit zu arbeiten und mehrere Monate komplett von der Arbeit freigestellt zu werden. Der Arbeitgeber, der mehr als 25 Arbeitnehmende beschäftigt, lehnte die Familienpflegezeit ab, woraufhin der Kraftfahrer vor Gericht Klage erhob. Nach seiner Ansicht sei die im Gesetz genannte "teilweise" Freistellung so zu verstehen, dass diese im Durchschnitt eines Zeitraums von bis zu einem Jahr 15 Stunden pro Woche nicht unterschreiten dürfe. 

ArbG Bonn: Kein Anspruch auf Blockmodell

In seinem Urteil stellte das Arbeitsgericht Bonn fest, dass der Arbeitnehmer im konkreten Fall zwar einen Anspruch auf eine 24-monatige Familienpflegezeit hat - allerdings nicht auf das von ihm gewünschte "Blockmodell". Dieses Modell ist bei der Altersteilzeit üblich, die sich fast immer in eine Arbeitsphase und eine Freistellungsphase unterteilt.

Für die Familienpflegezeit gibt es diese Möglichkeit nach Auffassung des Arbeitsgerichts Bonn nicht. Es stellte fest, dass die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach den §§ 2, 2a FPfZG im konkreten Fall zwar gegeben waren und ebenso die Höchstdauer von 24 Monaten eingehalten wurde. Allerdings könne der Arbeitnehmer nicht verlangen, dass der Arbeitgeber ihm das gewünschte Blockmodell gewährt.

Familienpflegezeit: Nur teilweise Reduzierung der Arbeitszeit

Das ergab sich für die Bonner Arbeitsrichter aus einer Auslegung der Anspruchsgrundlage, wie sie in der Urteilsbegründung ausführten. Das Gericht verwies auf den Wortlaut des Gesetzes, der in § 2 Abs. 1 Satz 1 FPfZG von einer "teilweisen Freistellung" spreche sowie in Satz 2 von einer verringerten Arbeitszeit von "wöchentlich mindestens 15 Stunden". Beides sei ein Indiz dafür, dass eine vollständige Freistellung vom Gesetzgeber nicht gewollt sei. Dafür spreche auch die Sonderregelung aus Anlass der Covid-19-Pandemie in § 16 Abs. 1 FPfZG, nach der die wöchentliche Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden vorübergehend unterschritten werden durfte. Einer solchen Regelung hätte es laut Arbeitsgericht Bonn nicht bedurft, wenn bereits nach § 2 Abs. 1 FPfZG eine vollständige Freistellung möglich wäre.

Dieses Auslegungsergebnis entspricht laut Gericht auch dem Zweck der Vorschrift: Pflegende Beschäftigte sollten in einem Mindestumfang weiterhin im Arbeitsleben bleiben und Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung haben, während der Arbeitgeber weiterhin auf die Kompetenz und Erfahrung der pflegenden Beschäftigten zurückgreifen können soll.

Hinweis: Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 27. April 2022, Az: 4 Ca 2119/21


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