Rz. 1717

Zielvereinbarungen sind generell zulässig. Besteht ein Betriebsrat, so müssen dessen Beteiligungsrechte gewahrt werden – insbesondere nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.[3928] Sind die Zielvereinbarungen nicht in einer Kollektivvereinbarung geregelt, so stellen sie im Regelfall Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Ihre Wirksamkeitsgrenzen ergeben sich dann aus den §§ 305 ff. BGB. Dies gilt für Rahmenvereinbarungen wie Einzelvereinbarungen gleichermaßen. Denn auch Einzelvereinbarungen sind nur in Ausnahmefällen nach § 305b BGB kontrollfrei (siehe dazu Rdn 214). Für die Annahme einer kontrollfreien Einzelvereinbarung reicht es noch nicht aus, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Ziele im beiderseitigen Einvernehmen festlegen oder der Arbeitnehmer die Zielvereinbarung insgesamt ablehnen kann. Der Arbeitgeber muss die Festlegung der Ziele vielmehr ernsthaft zur Disposition stellen und dem Arbeitnehmer damit die reale Möglichkeit einräumen, seine eigenen Vorstellungen bei der Zielbestimmung durchzusetzen. Beruht die Festlegung der Ziele auf einem unternehmenseinheitlichen Konzept, wird dies nicht möglich sein. Kontrollfrei aber bleibt die Höhe des Entgelts gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB (näher siehe Rdn 1720).[3929]

 

Rz. 1718

Das Transparenzgebot verlangt eine eindeutige Formulierung der festgelegten Ziele.[3930] Es empfiehlt sich, "weiche" Ziele zu vermeiden.[3931] Stattdessen sollten allein solche Ziele verwendet werden, deren Erreichung objektiv messbar ist. Zudem muss die Zielerreichung möglich sein[3932] und darf keinen überfordernden Charakter haben.[3933] Ansonsten ist die entsprechende Klausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Letzteres wird z.B. dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer die Ziele innerhalb der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit realistischerweise nicht erreichen kann.[3934] Die entstehende Vertragslücke ist dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (siehe dazu Rdn 208 f.) zu schließen.[3935] Wird die Zielerreichung hingegen erst durch ein späteres Verhalten des Arbeitgebers beeinträchtigt oder unmöglich gemacht, schuldet dieser die variable Vergütung so, wie sie ohne das beeinträchtigende Verhalten zahlbar gewesen wäre (§ 87a Abs. 3 S. 2 HGB analog).

 

Rz. 1719

Ein Anspruch auf Zahlung des Zielbonus bei teilweiser Zielerreichung besteht nur bei einer entsprechenden Vereinbarung. Ansonsten schuldet der Arbeitgeber den Zielbonus nur bei voller Zielerreichung (vgl. Rdn 17181723). Etwas anderes gilt allerdings nach Ansicht des BAG, wenn der Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. In diesem Fall steht ihm in der Regel trotz teilweiser Zielerreichung ein pro rata temporis Anspruch auf den Bonus zu (s. dazu Rdn 1724).

[3928] Näher dazu Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II Z 5, S. 1683 ff.
[3929] BAG 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NJW 2008, 872, 873; Salamon, NZA 2014, 465, 470.
[3930] AGB-ArbR/Hoefs, Anh. Vergü. Rn 7; Wisskirchen/Schwindling, ArbRAktuell 2017, 155, 156.
[3931] Däubler, ZIP 2004, 2209, 2212 f.; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766.
[3932] BAG 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NJW 2008, 872, 878; LAG Berlin 3.11.1986 – 9 Sa 65/86, AP Nr. 14 zu § 65 HGB; vgl. auch BAG 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256, 257; Steinau-Steinrück/Vernunft, Rn 132; Wisskirchen/Schwindling, ­ArbRAktuell 2017, 155, 156; Löw, DB 2017, 1904, 1905; Salamon, NZA 2014, 465, 470.
[3933] BAG 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NJW 2008, 872, 878; Horcher, BB 2007, 2065, 2066.
[3934] Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 465.
[3935] Für eine Bestimmung durch das Gericht nach billigem Ermessen, Horcher, BB 2007, 2065, 2066.

aa) Verhältnis fester/variabler Vergütungsbestandteile

 

Rz. 1720

Die Höhe des vereinbarten Entgelts unterliegt keiner Inhaltskontrolle (siehe dazu Rdn 187). Bei bestehender Tarifbindung darf allerdings die tarifliche Vergütung nicht unterschritten werden. Überdies ist die Grenze zum Lohnwucher zu beachten. Sittenwidrig sollen danach Vertragsgestaltungen sein, die dem Arbeitnehmer nicht die reale Chance geben, zusammen mit dem Festgehalt mindestens 2/3 des Marktüblichen zu erlangen.[3936] Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn darf ebenfalls nicht unterlaufen werden.[3937]

 

Rz. 1721

Teile des Schrifttums halten den Anteil der variablen Vergütung an der Gesamtvergütung für kontrollfähig.[3938] Zur Begründung wird insbesondere darauf verwiesen, dass andernfalls das Wirtschaftsrisiko in unzulässiger Weise vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer verlagert werde. Das BAG konnte die Frage bisher offen lassen.[3939] Richtig an dieser Ansicht ist, dass dem Arbeitnehmer eine Grundvergütung verbleiben muss, die von der Unternehmensleistung und dem Erreichen persönlicher Ziele unabhängig ist. Denn ebenso wenig, wie ein Arbeitnehmer das Wirtschaftsrisiko tragen muss, ist es mit dem Wesen des Arbeitsvertrages vereinbar, ihm eine Erfolgsgarantie aufzuerlegen.[3940] Allerdings werden die engen, von der Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten (siehe dazu Rdn 1703 ff.) und zur Arbeitszeitflexibilisierung[3941] entwick...

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