Rz. 230

In Zeiten der Verknappung des Gutes "Arbeitskraft" haben Arbeitgeber zunehmend ein Interesse daran, zu vermeiden, dass eigene Arbeitnehmer von Dritten abgeworben werden oder selber auf dem Weg in eine neue Beschäftigung Kollegen abwerben. Gerade im bestehenden Arbeitsverhältnis bietet die Nähe zu der funktionierenden und bekannten Arbeitsorganisation häufig Gelegenheit und Anreiz, sich für eine selbstständige oder angestellte spätere Tätigkeit personell auszustatten und somit vom Know-How des aktuellen Arbeitgebers zu profitieren. Aus der Praxis sind Fälle bekannt, in denen Unternehmen durch massenhafte Abwerbung spezialisierten Personals zugunsten von Mitbewerbern in Insolvenznähe gebracht worden sind.[584]

 

Rz. 231

Das Abwerben von Mitarbeitern fremder Arbeitgeber ist nach ständiger Rechtsprechung als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt. Dies gilt erst dann nicht mehr, wenn wettbewerbsrechtlich unlautere Begleitumstände hinzukommen, insbesondere unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden.[585] Befindet sich der Abwerbende in einem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber der Abgeworbenen, handelt er wettbewerbswidrig, wenn sich die Abwerbung nicht mehr als Versuch der Gewinnung neuer Mitarbeiter auf dem Arbeitskräftemarkt darstellt, sondern nach den Gesamtumständen auf die gezielte Behinderung des Mitbewerbers gerichtet ist.[586] Erst wenn nicht das Abwerben alleine, sondern die Absicht zur Behinderung des Mitbewerbers oder dessen Schädigung nachgewiesen werden kann, greifen gesetzliche Tatbestände wie § 4 Nr. 10 UWG oder § 826 BGB. Für beide Fallgestaltungen gilt allerdings: Liegt nach allem ein rechtswidriges Abwerben vor, kann der Arbeitgeber schließlich noch an der Schadensbezifferung scheitern, die trotz der gesetzlich an sich gegebenen Möglichkeit der Schätzung nach § 252 S. 2 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO wegen der von der Rechtsprechung geforderten weitreichenden Mitteilung von Anknüpfungstatsachen hohen Anforderungen unterliegt.[587]

 

Rz. 232

Vertragliche Klauseln zum Verbot der Abwerbung, die diese Schwierigkeiten aus Sicht des Arbeitgebers auflösen könnten, müssen sich an §§ 305 ff. BGB messen lassen und bergen zudem die Gefahr, bei zu weit gehender Einschränkung des Mitarbeiters die Wirkung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes zu entfalten.

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