Leitsatz (amtlich)

1. Eine Vereinbarung eines Wettbewerbers mit den Leitungskräften eines anderen Mitbewerbers, eine konzertierte Abwerbung eines Großteils von dessen Mitarbeitern durch dessen Leitungskräfte - gleichsam "von innen heraus" - vorzunehmen, ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der unangemessenen Beeinträchtigung nach § 4 Nr. 10 UWG aF (§ 4 Nr. 4 UWG nF) zu erfüllen.

2. Eine solche mit einem externen Unternehmen vereinbarte Mitarbeiterabwerbung durch die Leitungskräfte des betroffenen Mitbewerbers stellt eine Störung des Betriebsablaufs dar, die in ihrer Intensität signifikant über Telefonanrufe eines Dritten hinausgeht. Eine solche Störung des Betriebsablaufs des Unternehmens muss der betroffene Mitbewerber nicht hinnehmen.

3. Für die Verwirklichung dieser Variante des Behinderungstatbestandes ist erforderlich, dass sich feststellen lässt, dass das betroffene Unternehmen aufgrund der Handlungen des Wettbewerbers nicht mehr in der Lage war, seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung in angemessener Weise zur Geltung zu bringen.

4. Für die haftungsbegründende Kausalität muss der Anspruchsteller Tatsachen dazu vortragen, warum die Abwerbung welchen konkreten Mitarbeiters den betreffenden Mitbewerber derart beeinträchtigt hat, dass er weder durch interne Umstrukturierungen noch durch Rekrutierungsbemühungen am Markt seine Leistung am Markt hat erbringen können. Dabei sind auch Ereignisse in den Blick zu nehmen, die zu der behaupteten Mitarbeiterabwerbung nicht in Beziehung stehen, wie etwa externe Ereignisse oder aber auch der Einfluss von Mitarbeiterabgängen, die ohne Bezug zum Wettbewerber erfolgt sind.

5. Für die haftungsausfüllende Kausalität muss der Anspruchsteller auch für die Schätzung nach § 287 ZPO Tatsachen vortragen, die es erlauben, eine konkrete Verknüpfung zwischen dem Ausscheiden der einzelnen Mitarbeiter einerseits und der der Schadensberechnung zugrundeliegenden Differenz zwischen der prognostizierten Geschäftsentwicklung und der tatsächlichen Geschäftsentwicklung andererseits herzustellen.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 4 n.F., Nr. 10 a.F., § 8 Abs. 1; ZPO §§ 286, 287 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 22.12.2015; Aktenzeichen 312 O 12/10)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.12.2015, Az. 312 O 12/10, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die angefochtene Entscheidung ist hinsichtlich dessen Ziffer 2. ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen angeblich unlauterer Mitarbeiterabwerbung auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 29.10.2013 bestellter Insolvenzverwalter über das Vermögen der vormaligen Klägerin, der W. KG (nachfolgend "Schuldnerin" genannt). Die Schuldnerin war bis September 2009 als Aktiengesellschaft verfasst. Sie betrieb ein Bankhaus und war im Fondsgeschäft, insbesondere im Bereich des Auflegens geschlossener Immobilienfonds, tätig. Die Beklagte zu 2 ist eine Privatbank, die Beklagte zu 1 ist eine im Mai 2009 zunächst unter der Firmierung B. Invest AG gegründete 100%ige Tochter der B. Beteiligungsholding GmbH, deren einzige Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist. Mit der Beklagten zu 1 wollte die Beklagte zu 2 ein eigenes Emissionshaus etablieren.

Hintergrund des vorliegenden Rechtsstreits ist, dass im Jahr 2009 insgesamt 18 Mitarbeiter der Schuldnerin sowie jeweils drei Mitarbeiter der Schwestergesellschaften W. Treuhand AG und W. Fondsmanagement GmbH zur neugegründeten Beklagten zu 1 wechselten. Ferner wechselten die beiden einzigen verbliebenen Vorstandsmitglieder der Schuldnerin und ein Vorstandsmitglied der W. Treuhand AG zur Beklagten zu 1. Es kündigten sechs Mitarbeiter der Schuldnerin zum 30.06.2009, nämlich Herr S. O. (Senior Acquisitions Manager), K. B. (Senior Konzeptionärin Immobilien Development), I. M. (Assistentin des Vorstands v. Q.), T. M. (Senior Development Manager), A. R. (Leitung Konzeption) und K. Z. (Senior Acquisitions Manager), sieben Personen zum 30.09.2009, nämlich A. D. (freie Mitarbeiterin im Bereich Public relations), C. B. (Sales, Vertriebsdirektorin für die Vertriebspartner Freie Finanzdienstleister), P. E. (Sales, Leiter Teilbereich Vertriebssteuerung), C. S. (Produktmanagement), E. B. (Sales, Vertriebsdirektor für den Bereich Regionalbanken), H. R. (Sales, Teilbereichsleiter Vertrieb Freie Finanzdienstleister) und H. K. (Sales, Vertriebsdirektor für den Bereich Regionalbanken) sowie weitere fünf Mitarbeiter mit Wirkung zum 31.12.2009, nämlich Herr M. L. (Le...

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