Rz. 122

Aus Sicht des zeitlichen Ablaufs beginnen Kindesunterhaltsverfahren regelmäßig im Zeitraum der Trennung ihrer Eltern. Solange die Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, besteht eine gesetzliche Verfahrensstandschaft für die Geltendmachung des Minderjährigenunterhaltes (§ 1629 Abs. 3 BGB), die die gemeinsame gesetzliche Vertretung überlagert.[160] Nunmehr erfasst die gesetzliche Verfahrensstandschaft auch den Fall, dass zwischen den Eltern eine eingetragene Lebenspartnerschaft besteht (Fall der Stiefkindadoption), die Eltern sich trennen und der Lebenspartner Unterhaltsansprüche im eigenen Namen geltend macht.[161]

 

Rz. 123

Die Verfahrensstandschaft umfasst alle Aktiv- und Passivverfahren, gilt also sowohl im Verbund als auch im isolierten Verfahren und betrifft während dieses Zeitraumes auch Abänderungsanträge auf Herabsetzung des Kindesunterhaltes[162] sowie Verfahren der einstweiligen Anordnung[163] und vereinfachte Verfahren.[164]

 

Rz. 124

Folglich kann der betreuende Elternteil den Kindesunterhalt nur im eigenen Namen gerichtlich geltend machen, muss also selbst als Antragsteller im Rubrum der Antragsschrift bezeichnet sein (und nicht nur als gesetzlicher Vertreter des Kindes). Der Name des anspruchsberechtigten Kindes taucht dann im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung gar nicht auf, sondern lediglich im Tenor und in der Begründung.

 

Rz. 125

Aus den Regelungen zur Verfahrensstandschaft ergeben sich weitere Konsequenzen:

Für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bei eines in Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens auf Kindesunterhalt ist auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisses des antragstellenden Elternteils und nicht auf diejenigen des Kindes abzustellen.[165]
Besteht zwischen den Eltern eine Freistellungsvereinbarung, so soll eine in Verfahrensstandschaft erhobene Unterhaltsklage mutwillig i.S.d. § 114 ZPO sein.[166]
 

Rz. 126

Ist auf diesem Wege der Titel erlangt worden, dann ist auch der Elternteil Inhaber dieses Titels und vollstreckt daraus im eigenen Namen (gesetzliche Vollstreckungsstandschaft).[167]

 

Rz. 127

In der Praxis sind folgende Fälle der Beendigung dieser Verfahrensstandschaft zu beachten:

die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den anderen Elternteil[168]
der Wechsel der Obhut,[169]
Nach diesem Aufenthaltswechsel ist der Elternteil, der jetzt die Obhut über gemeinsame minderjährige Kinder ausübt, auch berechtigt, die Kinder bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu vertreten, die aus der Zeit vor seiner Obhutsausübung herrühren.[170]
der Übergang des Kindesunterhaltes auf das Land gem. § 7 UVG,[171]
der rechtskräftigen Feststellung der Nichtvaterschaft[172] oder
der Volljährigkeit des Kindes.
 

Rz. 128

Der Wegfall der Verfahrensstandschaft hat ausnahmsweise nur Auswirkungen auf neue, nicht jedoch auf bereits anhängige Verfahren,

wenn die Eltern wieder zusammenleben oder
die Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens durch Rücknahme des Scheidungsantrages endet.[173]
 

Rz. 129

In diesen Fällen dauert in dem laufenden Verfahren die Verfahrensstandschaft fort bis zum Abschluss des Unterhaltsverfahrens, soweit die elterliche Sorge keinem anderen als dem geltend machenden Elternteil übertragen worden ist.[174]

[160] Schmitz in Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, § 10 Rn 47 m.w.N.
[161] Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner (BGBl I 2015, 2010).
[162] Ziegler in Weinreich/Klein, FAKomm FamR § 1629 Rn 23; Schmitz in Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, § 10 Rn 47 m.w.N.
[163] B. Hamdan in jurisPK-BGB, 9. Aufl., 2020, § 1629 Rn 91.
[164] Str., so OLG Karlsruhe FamRZ 2013, 1501, ablehnend Hamdan in jurisPK-BGB, 2014, § 1629 Rn 75 m.w.N.
[165] BGH FamRZ 2006, 32; BGH FamRZ 2005, 1164.
[166] AG Ludwigslust FamRZ 2005, 1915.
[167] Hamdan in jurisPK-BGB, 2020, § 1629 Rn 104; LG Konstanz FamRZ 2014, 1122.
[168] OLG Nürnberg FamRZ 2002, 407; OLG Koblenz FamRZ 2005, 993; Büte/Poppen/Menne, Unterhaltsrecht, 2015, § 1629 Rn 7.
[169] OLG Koblenz, Beschl. v. 21.5.2015 – 7 WF 353/15, FamRZ 2015, 1902 = MDR 2015, 836; OLG Rostock NJW 2012, 942 = FamRZ 2012, 890; OLG Köln FamFR 2013, 92; Schmitz in Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, § 10 Rn 49 m.w.N.; Büte/Poppen/Menne, Unterhaltsrecht, 2015, § 1629 Rn 7.
[171] Ziegler in Weinreich/Klein, FAKomm FamR § 1629 Rn 24.
[172] Ziegler in Weinreich/Klein, FAKomm FamR § 1629 Rn 25.
[173] OLG Hamm FamRZ 1998, 379.
[174] BGH v. 19.6.2013 – XII ZB 39/11, NJW 2013, 2595 = FamRZ 2013, 1378; BGH FamRZ 1990, 283, 284; Ziegler in Weinreich/Klein, FAKomm FamR § 1629 Rn 24; Büte/Poppen/Menne, Unterhaltsrecht, 2015, § 1629 Rn 7.

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