1. Auskunft über den Bestand des realen Nachlasses

 

Rz. 191

Gegenstand des Auskunftsanspruchs ist zuallererst der Bestand des zur Zeit des Erbfalls tatsächlich vorhandenen (realen) Nachlasses i.S.v. § 2311 BGB. Hierzu zählen sämtliche hinterlassenen Vermögensgegenstände und Schulden,[585] die dem Pflichtteilsberechtigten einzeln mitgeteilt werden müssen. Eine Saldierung bestimmter Gruppen von Nachlassgegenständen ist unzulässig.[586]

 

Rz. 192

Die Frage, ob bzw. welcher Wert einem Nachlassgegenstand beizumessen ist, spielt beim eigentlichen Auskunftsanspruch noch keine Rolle. Daher sind auch diejenigen Gegenstände anzugeben, die der Erbe für wertlos hält.[587] Gleiches gilt für bedingte, zweifelhafte, unsichere und ungewisse Rechte und Verbindlichkeiten i.S.d. § 2313 BGB. Der Erbe muss den Pflichtteilsberechtigten in die Lage versetzen, die rechtliche Einordnung der einzelnen Nachlassgegenstände selbst vorzunehmen.[588] Dies gilt auch hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse, sodass auch alle nur im Mitbesitz[589] des Erblassers befindlichen Gegenstände (z.B. auch Hausrat oder Einrichtungsgegenstände) mitzuteilen sind. Entsprechendes gilt für die nach Meinung des überlebenden Ehegatten dem Voraus zuzurechnenden Gegenstände.[590]

 

Rz. 193

Grundsätzlich geht die Auskunftspflicht des Erben nicht über die bloße Erteilung der geschuldeten Informationen hinaus. Zur Erbringung von Nachweisen, zur Vorlage von Belegen oder gar zu einer umfassenden Rechnungslegung ist er nicht verpflichtet.[591] Nach h.M. soll § 2314 BGB ausdrücklich keine Verdachtsausforschung ermöglichen.[592] Aus diesem Grund ist ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des fiktiven Nachlasses nur bei konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Erblasser sein Vermögen durch unentgeltliche oder teilweise unentgeltliche Verfügungen bzw. verschleierte Schenkungen vermindert hat, gerechtfertigt.[593]

[585] BGHZ 33, 373, 374 = NJW 1961, 602, 603; BGH LM § 260 Nr. 1 = JZ 1952, 492; RGZ 129, 239, 242; OLG Oldenburg NJW-RR 1993, 782; Coing, NJW 1983, 1289; Staudinger/Herzog [2006], § 2314 Rn 7; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 11 Rn 21; Bittler, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 13.
[586] BGH BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 33; BGH LM § 260 Nr. 1 = JZ 1952, 492; OLG Karlsruhe ZEV 2004, 468, 469.
[587] BGH LM § 260 Nr. 1 = JZ 1952, 492; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 8.
[588] Laut DIV-Gutachten, ZfJ 1994, 48 ist der Erbe auch bei späteren Änderungen auskunftspflichtig; vgl. auch Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 8.
[589] Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 8.
[590] RGZ 62, 109, 110; auch insoweit muss der Pflichtteilsberechtigte selbst die rechtliche Einordnung nachvollziehen können, vgl. MüKo/Lange, § 2314 Rn 3.
[591] DIV-Gutachten, ZfJ 1992, 533, 534; MüKo/Lange, § 2314 Rn 7; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 12.
[592] BGH NJW 1993, 2737; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 13; Lorenz, JuS 1995, 569, 570; Hohloch, JuS 1994, 76; Dieckmann, NJW 1988, 1809; Baumgärtel, in: FS Hübner, S. 402.
[593] BGH NJW 1993, 2737; BGH FamRZ 1965, 135 f.; BGHZ 89, 24, 27; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1236, 1238; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 13; Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2314 Rn 16 ff.

2. Auskunft über lebzeitige Schenkungen

 

Rz. 194

Da der Gesamtpflichtteil neben dem ordentlichen Pflichtteil (§ 2303 BGB) gem. § 2325 BGB auch den Pflichtteilsergänzungsanspruch umfasst, erstreckt sich der Auskunftsanspruch auch auf diejenigen Gegenstände, die nur deshalb nicht (mehr) zum realen Nachlass gehören, weil sie zu Lebzeiten des Erblassers verschenkt oder auf andere Weise aus seinem Vermögen ausgegliedert wurden (fiktiver Nachlass).[594] Allerdings muss der Pflichtteilsberechtigte sein Auskunftsverlangen entsprechend präzisieren. Eine "automatische" Verpflichtung der Erben, alle in diesen Bereich fallenden Umstände ohne konkrete Nachfrage offenzulegen, besteht nicht.[595]

 

Rz. 195

Der fiktive Nachlass umfasst neben anrechnungs- und ausgleichungspflichtigen Zuwendungen i.S.d. §§ 2315, 2316 BGB[596] auch alle lebzeitigen Zuwendungen im Anwendungsbereich des § 2325 BGB.[597] Soweit ein Auskunftsanspruch nach diesen Grundsätzen gegeben ist, umfasst er daher die Erteilung aller für die rechtliche Beurteilung des tatsächlichen Sachverhalts erforderlichen Informationen. Die fraglichen Transaktionen einschließlich aller evtl. erbrachten Gegenleistungen sind offenzulegen und ggf. mit Hilfe entsprechender Unterlagen nachzuweisen.[598]

 

Rz. 196

 

Praxishinweis

Um nicht zu riskieren, dass die erteilte Auskunft als unvollständig moniert wird, sollten sämtliche in Betracht kommenden Auskunftsthemen ausdrücklich im Verzeichnis erwähnt werden. Haben entsprechende Zuwendungen (z.B. i.S.v. §§ 2315, 2316 BGB) nicht vorgelegen, sollte auch dies ausdrücklich vermerkt werden, da ansonsten das Risiko besteht, dass die Auskunftserteilung für unvollständig gehalten wird.[599]

[594] OLG Karlsruhe NJW-RR 2007, 881; BGHZ 89, 24, 27; 55, 378, 379; OLG Oldenburg NJW-RR 1993, 782; OLG Zweibrücken FamRZ 1987, 1197; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 9; Sarres, ZEV 1998, 4, 5.
[595] BGHZ 82, 132, 136; BGH LM Nr. 1 § 260 = JZ ...

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