Rz. 95

Sämtliche in die Ausgleichung einzubeziehenden Beträge müssen zunächst ermittelt und dann vom Wert des auf den jeweiligen Abkömmling entfallenden Nachlass abgezogen werden.[245] Die Ausgleichung findet auch dann statt, wenn der Wert der auszugleichenden Leistungen des Abkömmlings die Hälfte des Nachlasswerts übersteigt.[246]

 

Beispiel:

Der verwitwete Erblasser E hinterlässt die Abkömmlinge A und B. B hat E während einer längeren Krankheit gepflegt, ohne hierfür von ihm vergütet worden zu sein mit der Folge, dass das Vermögen des E ungeschmälert erhalten bleiben konnte. E hat seinen Freund F zum Alleinerben eingesetzt. Als E verstirbt, hat der Nachlass einen Wert von 500.000 EUR. Der Wert der Pflegeleistungen des B beträgt 50.000 EUR.

Berechnung der Pflichtteilsansprüche von A und B:

500.000 – 50.000 = 450.000 EUR.

Hiervon ½ = 225.000 EUR.

E erhält nach seiner Erbquote (½) von 225.000 EUR + Pflegeleistungen i.H.v. 50.000 EUR = 275.000 EUR. Hiervon ½ = Pflichtteilsanspruch = 137.500 EUR.

Der Pflichtteilsanspruch von A beträgt ½ von 225.000 EUR = 112.500 EUR.

 

Rz. 96

Gemäß § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB hat die Ausgleichung immer[247] dann zu erfolgen, wenn ein Abkömmling den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat. Das Erfordernis des Verzichts des Abkömmlings auf eigenes Einkommen bzw. eine Erwerbstätigkeit ist durch die Erbrechtsreform 2010 entfallen. Die ursprünglich im Rahmen des Reformvorhabens beabsichtigte Erweiterung des Kreises der ausgleichungsberechtigten Personen hat sich im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht durchgesetzt. § 2057a BGB ist daher nach wie vor ausschließlich auf die Abkömmlinge des Erblassers anzuwenden.

[245] Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, PK Erbrecht, § 2316 Rn 15.
[246] BGH FamRZ 1993, 535 = NJW 1993, 1995.
[247] Auch dann, wenn der Alleinerbe den Erblasser gepflegt hat und sich daher durch die Anwendung von § 2057a BGB eine Reduzierung seiner Pflichtteilslast ergeben kann, vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 15.6.2012 – 3 U 28/11, BeckRS 2012, 23387.

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