Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichungsansprüche des Alleinerben gegenüber den Pflichtteilsberechtigten. Pflichtteil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Stellung als Alleinerbe schließt nicht aus, dass der Alleinerbe nach den §§ 2316 Abs. 1 S. 1, 2057 a Abs. 1 BGB Ausgleichung seiner Leistungen (hier: Pflege der Erblasserin) gegenüber den Ansprüchen der Pflichtteilsberechtigten verlangen kann.

2. Für die Bestimmung der Höhe der Ausgleichung nach § 2057 a Abs. 3 BGB sind keine minutiösen Einzelfeststellungen erforderlich, vielmehr ist eine "Gesamtschau" vorzunehmen. Es sind zunächst die Dauer und der Umfang der auszugleichenden Leistung zu berücksichtigen, insbesondere der Leistungszeitraum und der tägliche Aufwand. Ferner ist in die Erwägungen einzubeziehen, in welchem Umfang der Nachlass erhalten wurde. Andererseits müssen auch die Vermögensinteressen der weiteren Erben sowie die Höhe des gesamten Nachlasses berücksichtigt werden. Der Ausgleichungsbetrag darf allerdings nicht den Wert des gesamten Nachlasses erreichen

 

Normenkette

BGB §§ 818, 2057a, 2303, 2311, 2316, 2325, 812

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Entscheidung vom 29.03.2011; Aktenzeichen 1 O 1/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29. März 2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg, Aktenzeichen 1 O 1/11, geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 26.589,47 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Juli 2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen die Kläger jeweils zu 16,5 %, und der Beklagte zu 67 %. Die Kosten des Rechtsstreits II. Instanz tragen die Kläger jeweils zu 11,5 %, und der Beklagte zu 77 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abzuwenden, es sei denn, die Kläger leisten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit leistet in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche nach ihrer am 5. Januar 2007 verstorbenen Mutter.... Der Beklagte ist mit notariellem Testament vom 16. November 2004 (Bl. 7-9 d.A.) zum Alleinerben bestimmt worden. Hinsichtlich des Sachverhalts und der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und den beiden Klägern einen Anspruch auf Zahlung eines Pflichtteils gemäß §§ 2303 Abs. 1, 2317 Abs. 1, 1924 Abs. 1 BGB in Höhe von jeweils 34.622,81 € zuerkannt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass von einem Gesamtnachlasswert von 207.736,84 € auszugehen sei. Der Wert des Nachlasses habe 12.272,00 € betragen, abzüglich 4.466,40 € für die Trauerfeier. Dazu seien ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB wegen der ... Eigentumswohnung in Höhe von 100.000,00 € und ein Bereicherungsanspruch der Erblasserin gegen den Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB in Höhe von 88.778,33 € wegen Abbuchungen vom Girokonto ... bzw. in Höhe von 24.998,72 € wegen Abbuchungen vom Girokonto ... zu addieren, wovon plausible Ausgaben zugunsten der Erblasserin in Höhe von 20.558,73 € abzuziehen seien. Schließlich seien noch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB Geldgeschenke der Erblasserin an ihre Enkel und Urenkel in Höhe von 6.712,92 € zu berücksichtigen. Wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 4. April 2011 zugestellt worden (Bl. 598 d.A.). Mit Schriftsatz vom 21. April 2011 hat der Beklagte Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung beantragt (Bl. 601 d.A.). und diesen Antrag auch begründet (Bl. 602-606 d.A.). Mit Beschluss vom 29. November 2011 hat der Senat diesen Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen (Bl. 638-650 d.A.). Dieser Beschluss ist dem Beklagten am 7. Dezember 2011 zugegangen (Bl. 652 d.A.). Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2011, eingegangen am 20. Dezember 2011, hat der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Fristen für die Berufung und die Berufungsbegründung beantragt, Berufung gegen das Urteil vom 8. März 2011 eingelegt und diese mit demselben Schriftsatz begründet (Bl. 655-666 d.A.). Mit Beschluss vom 15. Mai 2012 ist dem Beklagten Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist gewährt worden (Bl. 697 d.A.).

Der Beklagte verfolgt mit der Berufung weiterhin das Ziel, dass die Klage vollständig abgewiesen wird. Er macht geltend...

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